28-Momo

46 2 0
                                    

"wie geht's dir?" "Mir is heftig schwindlig man", Jamie saß, im Schneidersitz, auf seinem Skateboard und schubste sich leicht von links nach rechts. Eine Weile war es still, bis auf das Rollen von Jamies Board. Bestimmt würde er damit Kratzer in den Boden machen, aber was machte das schon. "Fühlt sich so an als könnte ich meinen Körper nicht richtig festhalten weißt du? Als würde er mir alle paar Sekunden wegsacken. Als wär ich immer wieder kurz ohnmächtig", versuchte Momo seine Gefühle zu erklären. "Was ist passiert?", Jamie sah ihn an. Seine Stimme war neutral, fast klanglos, wie meistens. "Es ist als hätte es einen Teil von mir getötet. Als wäre nicht ich gestorben aber irgendetwas in mir, weißt du?", verzweifelt sah er in Jamies Augen. Er nickte langsam. "Wolltest du dich wirklich umbringen?", fragte er dann leise. Momo zögerte. Er war entschlossen gewesen, er hatte sich in den Bus gesetzt, war zum Bahnhof gefahren, hatte sich ams Gleis gestellt und gewartet. Er war so fest entschlossen gewesen, dass es sich schon gar nicht mehr so angefühlt hatte als wäre es sein eigener Wille. Es war fast als würde eine Hand auf seiner Schulter liegen, eine unsichtbare Hand die ihn an den Gleisrand schob. "Ich stand da. Der Zug kam und dann...ich weiß nicht mehr. Ich weiß nur noch dass der Fahrtwind mich fast von den Füßen gerissen hat. Aber ich hatte mich keinen Zentimeter bewegt, obwohl ich wollte. Ich wollte wirklich man", wieder war es still im Zimmer. Inzwischen hatte Jamie sogar aufgehört herum zu rollen und war ganz still. Was beeindruckend war, denn Jamie konnte nie still sitzen, nie. Diagnose: ADHS. Momo dachte zurück. Er stand dort. Am Bahnhof und begann zu zittern, der Wind des Zuges, der Wink des Todes, es war alles so nah gewesen und jetzt schien es als hätte der Wind doch etwas mit sich gerissen. Nach ein paar Minuten hatte Momo Jamie geschrieben. Dass er scheiße gebaut hatte und dass er grade fast noch größere scheiße gebaut hätte. Jetzt war Jamie da, hatte ihm davon erzählt dass sowohl Isi als auch Mina sauer auf ihn waren. "Und du? Bist du sauer?", Momos Stimme klang seltsam hohl. Jamie schien zu überlegen. Knibbelte gedankenverloren die Haut an seinen Fingernägeln ab. "Ja Momo", sagte er schließlich und sah im in die Augen. "Ich bin sauer. Aber ich bin auch dein Freund", Jamie war nie ein Mensch gewesen der viele Worte verlor. Und so reichten diese paar, alles zu sagen was zu sagen war.

Es klopfte. Marlon steckte seinen Kopf durch die Tür und grinste schief. "Hey James. Mo. Ich will gar nich stören, wollte nur sagen dass ich mit Julien spazieren geh", er hob freundschaftlich die Hand zur Verabschiedung und verschwand wieder. "Hat ihn ganz schön verändert der Entzug hm?", stellte Jamie fest, den Blick noch immer auf der Tür. "Ziemlich", bestätige Momo. "Ich hoffe nur dass er es ernst meint" "Willst du das auch machen? Entzug? Vielleicht bringts ja was" "Nein. Nein, Entzug ist wie Medikamente nehmen. Sie nehmen dir deinen freien Willen weg und legen dir Gefühle, Taten und Worte in den Mund. Sie nehmen dir alles. Deine ganze Freiheit" "sich umzubringen und Herzen zu brechen?" "Die Freiheit, sich umzubringen und Herzen zu brechen Jamie. Die Freiheit das zu tun".
Jamies Handy piepste auf. Mina hatte ihm geschrieben. 'komm heim. Isi is weg. Ich brauch Hilfe mit der Wohnung' "geh schon", er hatte den Text ganz unbewusst mitgelesen. "Und was machst du?", Momo seufzte. Sein Blick schwiff durch sein Zimmer als würde er nach einer Antwort suchen. "Ich geh zu Bea".

Alles GuteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt