6-Isi

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Sie hatte sich extra zwei Plätze weiter als gestern gesetzt, so dass Momo und Nicho da sitzen konnten wo sie sonst auch saßen. Nicho kam, wie am Tag zuvor kurz vor knapp. Er setzte sich grußlos. Er roch nach kaltem Zigarettenrauch. Momo kam 15Minuten zu spät. Er betrat das Zimmer, knallte die Tür zu und als er sicher war dass alle ihn ansahen grinste er und sagte "Moin", dann schritt er noch immer grinsend auf seinen Platz zu. "Hach ich liebe dramatische Auftritte", Nicho und Isi lachten beide kurz auf, dann schwiegen sie erneut. Sie war aus einem ihr unerklärlichen Grund enttäuscht, enttäuscht dass er ihr nicht 'hallo' gesagt hatte. Doch sie beruhigte sich damit dass er auch Nicho nicht wirklich begrüßt hatte. Sie sah zu den beiden herüber. Beide blickten starr nach vorne, Nicho hatte sich auf dem Tisch abgelegt und Momo kraulte gedankenverloren Nichos Kopf. Unwillkürlich schoss ihr die Frage durch den Kopf. Waren die beiden ein Paar? Sie erinnerte sich an Michelles Worte, Momo hatte eine Freundin. Sie schlug sich den Gedanken aus dem Kopf, wie oberflächlich sie doch schon wieder war, die beiden waren befreundet, nichts weiter. Sie war so dumm, dumm, dumm. Ohne es realisieren hatte sie sich mehrmals gegen den Kopf geschlagen, um die Gedanken los zu werden. "Alles ok?", Nicho sah sie ein wenig verwundert und ein wenig besorgt an. "Jaja", sie lächelte und nickte. Den Rest der Stunde starrte sie ihr Blatt an und ihr Gesicht fühlte sich so heiß an dass es bestimmt puterrot war. Sie hörte dass sich Nicho und Momo unterhielten, sie lachten immer wieder. Normalerweise hätte sie gelauscht doch der Scham dröhnte noch immer zu laut in ihrem Kopf. Als es zur Pause leutete standen die meisten Schüler auf und verließen das Klassenzimmer. Auch neben sich hörte sie ein Stühlerücken. Sie atmete auf und hob zum erstem Mal wieder den Kopf. Sie konnte nicht mit so vielen Menschen umgehen. "Würdest du lieber von nem Hochhaus springen oder dich vorn Zug schmeißen?", kam eine ruhige Stimme von der Seite. Sie blickte Momo an, sie schaute ihm direkt in die Augen "ich weiß nicht", sagte sie dann lächelnd. Sie mochte es dass er keinen Smalltalk führte, sie mochte dass er so anders war "schade", sagte er, einen Mundwinkel verblüffend weit nach oben gezogen. "Und du?", fragte sie, einerseits weil sie das Gespräch am Laufen halten wollte, andererseits weil es sie, aus irgendeinem Grund tatsächlich interessierte. "Zug. Beim springen hätte ich schiss dass ich überleb und dann wie ne Zimonika zusammengefaltet aufm Boden lande. Beim Zug is die Sterberate wesentlich höher. Klar der Zugführer wird sein Lebtag nicht mehr glücklich aber...wir sind alle Egoisten", er zuckte mit den Schultern so als hätte er ihr gerade von seinem letzten Abendessen erzählt. Sie nickte, sie war verblüfft über die Antwort, wie genau er scheinbar darüber nachgedacht hatte. "Wieso bist du umgezogen?", fragte er nun. Nun war sie es die mit den Schultern zuckte "Bin zu meim Vater gezogen, bei meiner Mutter wars-", doch sie brach ab. Sie sah beschämt auf den Boden, was hatte sie sich nur dabei gedacht. "Einfach nich so wie es sein sollte?", Vervollständigte er vorsichtig ihren Satz. Sie nickte. Schwungvoll hebte sie ihren Kopf wieder und setzte ihr Isi-Lächeln auf. "Und du? Mit wem wohnst du alles zusammen" "mit meiner Mutter und meim Bruder", antwortete er betont lässig. Doch sie konnte heraushören dass auch für ihn das Thema unangenehm war. "Stuttgart ist schön oder?", fragte sie schnell um das Thema zu wechseln "je nach dem wo du bist, ja.", Er klang noch nachdenklicher als zuvor. Verdammt, sie hatte doch genau das Gegenteil erreichen wollen. "Apropos 'wo man ist' wie komm ich denn heute Abend zu Nicho?", sie merkte wie sie mit der Frage gerade noch die Kurve bekommen hatte und sich Momos Blick schlagartig wieder aufhellte. Als die beiden am Abend zuvor miteinander geschrieben hatten hatte Momo sie spontan zu Nicho eingeladen. Seine Eltern waren scheinbar ständig weg und so gab es unzählige Gelegenheiten für Hauspartys "Wir treffen uns einfach am Hauptbahnhof und fahren von da aus zusammen. Is am einfachsten", begeistert nickte sie "um acht?", fragte sie "um acht!", antwortete er und lächelte sie so ehrlich und aufrichtig an, dass sie merkte wie ihr erneut die Röte ins Gesicht schoss.

Alles GuteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt