Zwischen zwei Welten. - Teil 2

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''Heute bekommt ihr die Arbeiten zurück.''

Ein einheitliches Gestöhne und plötzliche Unruhe im Klassenzimmer, das Gemurmel ist nicht zu überhören. Unsere Klasse ist allgemein dafür bekannt in Mathe jedes Mal aufs Neue einen Durchschnitt von über fünf zu erreichen. Die Matheklausur ist bei mir eigentlich ganz gut gelaufen und ich bin auch nicht zu spät gekommen, meine Lehrerin kam eher zu spät, da sie meinte, sie wäre im Stau steckengeblieben.

Die Klausuren sind inzwischen fällig, schließlich haben wir sie vor einer Woche geschrieben. Aber Ms. Taylor lässt sich gerne Zeit mit ihren Berichtigungen und ich gehöre auch nicht zu den Schülern die sie hetzen, da ich meine Note sowieso schon weiß.
Ich schüttele den Kopf und lache spöttisch. Meine Klasse ist dabei zu verzweifeln, während ich mich hier kaputtlachen könnte. Emilia sieht mich mit weit aufgerissenen Augen an. Oh nein, sie auch schon? Dabei war sie doch damals so gut in der Schule.

''Hast du die Arbeit auch verhauen?'', frage ich genervt und spiele mit meiner Haarsträhne. Sie beißt sich nervös auf die Unterlippe und nickt ''Ich hab bestimmt wieder eine fünf! Die Frau hasst mich. Abgrundtief.''

Ich lache und rolle mit den Augen ''Ach komm, wenn du dich mehr anstrengen würdest, würde sie dich auch nicht hassen.''
Sie wirft mir einen finsteren Blick zu und starrt dann wieder stur auf die Tafel, wo Ms.Taylor den Klassenspiegel anschreibt. Um meinen Mund zuckt es, als ich den erwarteten Klassenspiegel anschaue. Neun Sechsen, alle halten geschockt die Luft an. Dreizehn Fünfen, fünf dreien, keine zwei und nur eine einzige eins.

''Die hast du Martina, wetten?'', seufzt Caterina.
Ich gehe mit meinen Fingern durch meine Haare, betrachte gelangweilt die schwarzen Strähnen zwischen meinen Fingern und nicke grinsend ''Ich weiß.''

Als Ms.Taylor vor mir steht, lächelt sie mich liebevoll an ''Martina, du bist die einzige hier in der Klasse, die wirklich an ihre Zukunft denkt. Einige deiner Mitschüler sollten sich wirklich ein Beispiel an dir nehmen.''

Dabei wirft sie Emilia, die unmittelbar neben mir sitzt, einen finsteren Blick zu. Ich nehme meine Klausur und muss erst gar nicht darauf gucken, um zu wissen, dass ich die eins habe. Als ich das Heft öffne, stelle ich erstaunt fest, dass ich sogar eine eins plus habe mit voller Punktzahl. Dabei war ich nie wirklich gut in Mathe und ich kann auch nicht gerade sagen, dass dies mein Lieblingsfach ist.

Emilia fängt neben mir an zu schluchzen, ich drehe mich zu ihr um und nehme meine beste Freundin in die Arme, während ich ihr ein Taschentuch reiche. Sie nimmt es dankend, wischt sich die Tränen weg und putzt sich die Nase. Ich werfe schnell einen Blick auf ihre Arbeit und bin enttäuscht.

''Schatz, nicht weinen. Das biegst du wieder hin, die Note wirst du verbessern und wenn nicht, dann kannst du sie doch ausgleichen!'', versuche ich sie zu trösten und frage mich, wie sie eine ungenügend schreiben konnte, wenn ich doch so viel mit ihr gelernt habe.


Es macht mich traurig und enttäuscht mich ein wenig. Sie tut mir wirklich leid, ihr Vater ist ziemlich streng was das angeht. Im Grunde ist er genau wie mein Vater, sie sind schließlich Brüder, Zwillinge und scheinen nicht nur vom Aussehen her gleich, sondern sich auch kaum vom Charakter her zu unterscheiden.
Emilia ist meine Cousine und gleichzeitig meine beste Freundin, aber sie hat sich in letzter Zeit ziemlich verändert. Wir Beide sind in einer reichen Familie aufgewachsen, denn unsere Väter haben ein großes Unternehmen gegründet und wurden reich. Uns fehlte es nie an etwas – wir hatten die schönsten Barbies gehabt, die teuersten Babywagen und einfach ein vollkommenes Leben.

Aber seit ungefähr einem Jahr treibt sich Emilia immer bis spät in die Nacht draußen herum, bei den Kiffern und Säufern. Bei Leuten, die ihr ihr Vater eigentlich verbietet, aber er arbeitet die ganze Nacht und ihre Mutter ist tot, seit sie klein ist. Bis auf meine Mutter, sorgt sich kaum jemand um sie. Ich musste versprechen es keinem zu erzählen, aber irgendwie hatten wir uns etwas auseinander gelebt. Aber nur etwas, wie ein kleiner Riss in einem goldenen, unzertrennbaren Ring.

''Wenn Papa die Note sieht, darf ich nie auf die Silvesterparty!''
Ich lache ''Silvesterparty? Bis dahin hast du doch noch ein wenig Zeit.''


Sie fängt an zu weinen und drückt sich an mich ''Du verstehst das nicht, er wird irgendwelche Bodyguards oder so auf mich setzen. Dann darf ich nichts mehr.''

Ich sehe sie mitleidig an:''Das kann Onkel Salvatore nicht machen. Du wirst ihn schon wieder um den Finger wickeln. Du bist doch seine Prinzessin.''

Sie schüttelt den Kopf in meinen Armen, doch plötzlich springt sie auf und sieht mich an:''Außer... du kommst mit!''

''Was?'', frage ich entsetzt, "Wieso ich?''

''Wenn du mitkommst, lässt er mich bestimmt gehen! Du weißt doch, wie er mir immer vorwirft, dass ich mir ein Beispiel an dir nehmen soll.''

Sie verdreht die Augen und wischt sich ihre Tränen weg. Manchmal übertreibt sie wirklich – als ob ich der Schlüssel für alles wäre! Immer wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, schaffe ich es nicht ihr es auszureden.

''Und?'' sie sieht mich mit ihren grünen Kulleraugen an,''Was sagst du?''
Mist! Der Hundeblick, bitte nicht!
''Ich.. überlege es mir, okay?'' versuche ich mich auszureden.
''Bis Silvester haben wir ja noch reichlich Zeit.''
''So viel Zeit haben wir auch wieder nicht.'', sagt sie störrisch.
Ich werfe ihr einen überlegenen Blick zu ''Pass auf was du sagst. Ich hab noch nicht zugesagt!''
Sie senkt geschlagen den Blick ''Schon gut. Ich hab nichts gesagt.''

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