• Kapitel 2: Meine Vergangenheit •

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Deine Sicht

Als ich mich wieder ein wenig beruhigt habe, schaue ich aus dem Fenster meines Zimmers. Das Haus, in dem ich seit einigen Jahren alleine wohne, ist nicht sehr groß, doch kann ich hier alles lebenswichtige ohne Probleme verstauen. Ungefähr vor neun Jahren wurde unser Haus von einer Gruppe fremder Männer überfallen. Diese Leute haben mehr als nur die wertvollen Sachen mitgenommen. Auch unser gelagerte Essen haben die mitgenommen.

Meine Eltern haben versucht, sie irgendwie aufzuhalten, doch hat ihre Mühe nichts genützt. Scheinbar wusste jemand, dass mein Vater ein Vampir ist, denn sie hatten die nötigen Mittel dabei, um ihn auf die brutalste Weise umzubringen. Mutter haben sie erstmal festgenommen, da sie später noch einen Nutzen hätte. Zum Zeitpunkt des Überfalls war ich am schlafen und wurde durch die Schreie Vaters aufgeweckt.

Ich habe mich leise nach unten geschlichen und über den Rand des Türrahmens geschaut, was im Wohnzimmer vor sich geht. Als ich mit ansehen musste, wie Mutter von allen Seiten vergewaltigt wurde, erstarrte ich. Ich war nicht mehr in der Lage, mich zu bewegen. Ich konnte noch nichtmal meine Hände vor dir Augen halten. Es war ein Schauspiel, was einem Theater der Hölle glich. Meine Gefühle spielten verrückt. Ich war wütend, ängstlich, angeekelt und geschockt zur selben Zeit.

Ich wusste einfach nicht, was ich machen sollte. Bis mich einer der Männer entdeckte. „Ah, was haben wir denn da?", sagte er erfreut und zog mich am Arm ins Wohnzimmer. Ich wehrte mich nicht. Das Lachen der Männer und die dumpfen verzweifelten Laute meiner Mutter hallten in meinem Kopf immer wie ein Echo wider. „Sieh genau hin, Kleine. Das passiert mit dummen Weibern, die sich nicht an die Regeln halten", flüsterte man mir ins Ohr.

Im Untergrund gilt bis heute das Gesetzt, Vampire entweder zu melden oder direkt zu töten. „Leute meiner Art" sieht man als gefährlich an, weshalb man unsere „Rasse" so schnell wie möglich auslöschen will. Weil sich damals fast jeder an die Regeln gehalten hat, gibt es so weit ich weiß nur noch sehr wenige Vampire im Bezirk Shiganshina, geschweige denn im Untergrund.

„Lass meine Tochter los!", forderte Mutter den Mann auf. „Schweig still und lutsch weiter, du dreckige Schlampe!", schrie man sie an und schlug die. Der Anblick war einfach schrecklich. Eine Sechsjährige hätte sowas niemals sehen sollen. Doch leider sind solche Verbrechen hier unten ein Teil vom Alltag.

Als jeder der Männer befriedigt war, hat man Mutter einfach ein Messer in den Baum gestoßen. Nachdem sie keinen Nutzen mehr hatte, schaffte man sie aus dem Weg. Wie Müll. Ich starrte in die leblosen Augen meiner Mutter.

Ein leises „Warum..." war das einzige, was ich hervorbringen konnte. „Warum fragst du? Ihr Blutsauger bringt den Menschen nur Unheil. Ihr fresst uns auf! Wie wilde Tiere jagt ihr die Schwächeren und saugt sie bis auf's letzte Tröpfchen aus. Und solche Dämonen können wir nicht gebrauchen", erklärte man mir.

Dann öffnete er mir meinen Mund und betrachtete meine Eckzähne. „Hmm. Sag mir, schönes Mädchen, bist du auch ein Vampir? Oder bist du ein Mensch?" Erst im Alter von Zehn hätte man das anhand von den Gegenständen, die sie mitgebracht haben, herausfinden können. „Ich... Mensch", log ich sie an.

„Ist das so, ja?" Man hatte mir meine Lüge nicht geglaubt. Der Mann wusste, dass ein Kind eines männlichen Vampir mindestens ein halber Vampir sein musste. „Tch. Deine Schwindeleien sind echt verdammt schlecht. Wir werden dich aber nicht töten, keine Sorge", versicherte der Mann mir mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht.

„Wir können dich für einen hohen Preis auf dem Schwarzmarkt verkaufen. Wenn du älter bist, wirst du sicherlich einen guten Nutzen für reiche Männer haben." Ich mag zwar erst sechs Jahre alt gewesen sein, doch ich wusste ganz genau, was sie damit meinten. Man würde mich als Hure an irgendeinen Reichen abgeben und dann war's das mit meiner Freiheit. Und das ist das allerletzte, was ich wollte.

Damals waren meine Kräfte noch so ziemlich von meinen Gefühlen abhängig, weshalb ich sie nicht immer anwenden konnte. Meistens waren sie sehr schwach oder sehr stark, wenn ich eine negative Emotion empfand. Und in diesem Moment war ich nicht nur wütend.

Ich war auch traurig und verängstigt. „Nein." „Nein? Denkst du etwa, deine Meinung interessiert uns auch nur ein BISSCHEN?!", lacht man mich aus. Den Vampir-Witz ignorierte ich einfach. Ich hob meine zitternde Hand und hielt sie in Richtung seines Gesichts.

„Hä? Was machst du da?! Willst du etwa deine Kräfte benutzen? Das kannst du nicht, du hast doch gar kein Blut getrunken!" Ich schüttelte langsam meinen Kopf. „Das ist ein Aberglaube", erwiderte ich darauf und zerquetschte ihm mit meiner Telekinese den Kopf.

Ich weiß nicht, woher Menschen die falsche Info her haben, dass Vampire ihre Kräfte nur nach dem Trinken von Blut verwenden können. Doch sie ist falsch. Und dieser Glaube hat die Männer in den Tod getrieben.

Sein Blut spritze in mein Gesicht. Der tote Körper fiel mit einem dumpfen Laut zu Boden. Vollkommen geschockt sahen mich die Männer mich an und rührten sich nicht. Es fühlte sich gut an, wie die rote warme Flüssigkeit meinen Hals runterfließt. Ich wusste, dass diese Leute es noch sehr bereuen werden, meine Eltern ermordet zu haben.

„Das Kind kann sich ja doch wehren!" „So eine Scheiße!" „Wir hätten sie DIREKT töten sollen!", riefen die Männer verängstigt aus und wollten flüchten. Doch ich verschloss noch rechtzeitig die Tür und verriegelte ihnen den einzigen Fluchtweg.

Ich entwendete dem Mann, der meine Mutter abgestochen hatte, das Messer und sah mir die lange Klinge an. Mutters frisches Blut glänzte im fahlen Licht. „Wer will zu erst sterben?", fragte ich an die Gruppe gewendet und putzte das Messer an der Jacke des toten Mannes ab, bis es wieder sauber war.

Da keiner antwortete, nahm ich mir die ersten zwei Männer in meiner Nähe vor, denen ich wie dem Ersten den Kopf zerquetsche. Wie eine Horde verschreckte Hühner rannten die anderen herum und wollten mir ja nicht zu nahe kommen. Aber sie würden früher oder später eh leblos am Boden liegen. Getötet von dem Monster, was sie sich selbst erschaffen haben.

Als alle tot waren, wusste ich nicht, was ich nun machen sollte. Meine Eltern waren die einzigen Verwandten, die im Untergrund lebten und mich versorgen konnten. Weil ich unter allen Umständen überleben wollte, blieb mir nur das Stehlen übrig.

Und bis heute halte ich mich mit geklautem Essen und Wasser am leben. Gefallen tut es mir ja nicht wirklich, aber mein Geld muss ich mir sehr gut aufsparen. Ich bin nämlich kurz davor, meinen Aufenthalt hier im Untergrund abzukaufen und an die Oberwelt ziehen zu können.

Dann kann ich endlich mal den echten Himmel sehen, den ich bis jetzt nur in meinen Träumen zu Augen bekommen habe.

• Levi x fem!Reader • Bloody LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt