Kapitel Zwanzig: Dunkelheit und Tod

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Sylvie starrte in Augen, die absolute Leere widerspiegelten. Die Gefahr, in der sie zu schweben schienen, ließ ihr den Atem stocken. Ein Impuls ließ sie ein Stück zurück weichen, während sich aus der dicken Wand des Nebels lange Finger nach ihrer Kehle ausstreckten. Ein Sog, eine Macht fesselte sie an Ort und Stelle. Es fühlte sich an, als wäre die Zeit stehengeblieben. Allmählich wurden ihre Finger taub und das Gefühl in ihren Beinen wich. Kleine, feine Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn. Statt eines Aufschreis entwich ihrer Kehle ein leises Keuchen. Sylvie begann sich zu fragen, ob das Todesangst war, die sie verspürte. Ihr Magen zog sich zusammen, wobei Übelkeit ihre Kehle empor stieg. Doch all diese Gefühle schierer Panik konnten sie nicht dazu bringen ihren Blick abzuwenden. Dieses Geschöpf, dass nun vor ihr stand, war einst Odins mächtigste Waffe. Hela, die sich als Todesgöttin bezeichnete. Die verbannte Tochter, die nahezu unbesiegbar war. Dieser triste Ort im eisigen Nebel beherbergte also entehrte Seelen. Und diese Seele sinnte eindeutig auf Rache. Die Mundwinkel der Frau hoben sich, was ihr Gesicht zu einer hässlichen Fratze verzog. Ihre Augen schienen in lodernden Flammen zu stehen.

,,Was willst du?"

Angestrengt versuchte Sylvie den Klang ihrer Stimme ruhig zu halten und die Furcht beiseite zu schieben.
Die tödliche Stille schien Sylvies Stimme zu verschlucken, während Hela weiterhin auf sie zu kam. Jedoch war ihr Blick nicht auf Sylvie gerichtet. Eine Gänsehaut breitete sich auf Sylvies Armen aus, während sie mit Furcht im Herzen dem Blick folgte. Hela fixierte Loki.

,,Antworte!", schrie sie nun.

Nun war es ihr egal, ob sie panisch klang. Ihr Fokus lag nach wie vor auf der Rettung Lokis. Hela ignorierte Sylvie noch immer, als wäre sie gar nicht da. Unsichtbar. Es war Loki, der sie anzog, wie die Motten das Licht.

,,Wenn du es auf Loki abgesehen hast, wirst du ihn nicht bekommen."

Ihre Worte entlockten Hela nicht einmal ein Zucken mit der Wimper. Unberührt von der Aussage lief sie einfach weiter. Wut stieg in Sylvie empor. Eine Wut über das Desinteresse und der Geringschätzung als Gegnerin. Wie aus dem Nichts ließ sie zwei Dolche in ihren Händen erscheinen, die sie fest umklammerte. Die geringe Chance auf einen Sieg schob sie in die hinterste Ecke ihres Verstandes. Er war das Wagnis wert. Loki hatte das Selbe für sie getan. Sie war es ihm schuldig es wenigstens zu versuchen. Der Griff um die Dolche wurde noch ein wenig fester.

Er war es wert... er war es wert.

In Gedanken begann Sylvie ihre nächsten Schritte zu planen. Etwas an ihrer Körperhaltung veränderte sich, sie verlagerte das Gewicht ein wenig. Alle Muskeln spannten sich an, als sie sich in Bewegung setzte, um auf Hela zuzurennen. Ihr Ziel genau vor Augen. Der erste Hieb verlief im Nichts, doch der zweite, der von unten kam, traf Hela an der Schulter. Mit einem Fluch auf den Lippen wich sie ein paar Schritte zurück. Die Augen hatte sie zu Schlitzen verengt, während die Frauen begannen sich zu umkreisen. Es sah beinah so aus, als würden sie tanzen. Hela versuchte mit ihren langen Fingern nach ihr zu greifen, aber Sylvie sah das kommen. Rasch duckte sie sich, um abermals mit dem Dolch auszuholen. Geschickt wich Hela aus, was diesmal Sylvie fluchen ließ. Das Hin und Her war ermüdend. Keine von beiden vermochte einen Vorteil aus dem Kampf zu ziehen. Sylvie war darauf bedacht Hela auf Abstand zu halten, während Hela versuchte sie zu fassen zu bekommen.

Eine Sache begann Sylvie aufzufallen, die sie mehr und mehr zu beunruhigen schien. Allmählich wurden ihre eigenen Bewegungen langsamer, während das bei ihrer Gegnerin nicht der Fall war. Ein Treffer, eine Unachtsamkeit und es wäre vorbei. Der Gedanke ließ Sylvie schwer schlucken. Ihr Blick huschte kurz zu ihrer Motivation. Loki lag nach wie vor auf dem Erdboden, ohne dass er das Bewusstsein wiederelangt hätte. Er musste schnellstmöglich von diesem Ort fort, damit sich um seine seelischen und körperlichen Wunden gekümmert werden konnte. Es gab da eine Möglichkeit, doch diese wäre mit einem riskanten Opfer verbunden. Mit jeder Sekunde, die verstrich gingen Sylvie die Optionen aus. Sie fühlte förmlich, dass sie sich entscheiden musste. Loki war das, was Hela wollte und um ihn zu bekommen würde sie über Leichen gehen. Unwillkürlich begannen ihre Finger um den einen Dolch zu zittern.

Lady LokiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt