Kapitel Sechsundzwanzig: Ich bin

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,,Ich bin die Wahrheit."

Die Wahrheit, schoss es Sylvie durch den Kopf. Wessen Wahrheit.

Als würde sie ihre Gedanken lesen können, antwortete sie: ,,Deine Wahrheit."

Voller Unverständnis starrte sie die Frau vor sich an.

Lass Rache nicht dein Leben bestimmen. Geh! Geh und lebe endlich! Irgendwann wird es heißen die Rache oder er.

Die Worte ließen sie stumm bleiben. In ihrem Innersten tobte ein Sturm, den sie nicht zu bezwingen vermochte. Es lief immer auf dasselbe hinaus. Doch die Frau schien auch keine Antwort zu erwarten. Es gab auch keine, die einen Unterschied gemacht hätte. Tränen begannen in ihren Augen zu brennen, trotzdem hielt sie die Tränen zurück. Sie würde nicht weinen. Sie würde stark bleiben. All das, was die Wahrheit sagte, war nur dazu da sie weiter zu quälen. Sie weiter zu verwirren. Sylvie holte tief Luft in der Hoffnung, wieder einen klaren Kopf zu bekommen.

,,Du glaubst mir nicht", hauchte die Wahrheit.

Sylvie griff an ihre Schläfen. Sie wirkte, als könnte ihr jeden Moment der Schädel platzen. Sie wollte, dass dieses Wesen, was immer es auch war oder darstellte, aufhörte zu sprechen. In schierer Wut oder war es Panik sprang Sylvie auf die Füße. Es war an der Zeit zu verschwinden. Sie machte einen Schritt zum Ausgang der Höhle, doch hielt sie noch einmal inne.

,,Kann er... ", sie stockte, während die Frau sie ruhig ansah. ,,Kann ich glücklich werden?"

Die Mundwinkel der Frau hoben sich.

,,Du kannst alles werden, was du willst."

Die Worte prägten sich tief in ihr Herz ein. Der Wolf glitt von der Seite der Frau und folgte Sylvie wie ein Schatten, als wollte er sie beschützen. Abermals setzte sie sich in Bewegung.

,,Warte", sprach die Frau. ,,Loki bekam ein Angebot."

Ein Angebot ...

,,Auf Macht", kam leise über Sylvies Lippen.

Angst begann ihre Kehle zuzuschnürren. Was, wenn er sich dem Teufel verschrieben hatte? Was, wenn er nicht mehr derselbe war?

Unwillkürlich beschleunigte sie ihre Schritte. Sie musste ihn finden. Sie musste ihn auf den rechten Pfad führen. Er dürfte sich nicht wieder verlieren. Jetzt von Liebe zu sprechen, kam ihr gefährlich vor. Dadurch wurde es zu greifbar, zu leicht zu fassen und zu zerbrechen. Oder vielleicht hatte Sylvie auch Angst, dass die Götter aufmerksam wurden und ihr ihr Glück wieder raubten.

,,Die Götter werden nie vergessen, was du bereit bist für Loki zu tun."

Doch das würden sie, dachte Sylvie. Es hieß, wenn man Loki kannte, riskierte man eine gute Portion Ärger. Auf einmal sah sie sein breites Grinsen vor ihrem geistigen Auge. Und hört seine Worte in ihrem Kopf:

Leb gefährlich und versuche dein Glück.

Sylvie würde alle versteckten Ecken dieser Dimension durchstöbern, um ihn zu finden. Ihre Finger kribbelten. Ihr Magen zog sich zusammen, während sie ihre Beine antrieb. Ihre Gedanken schwirrten ziellos umher und ihre eigenen Worte schienen sie zu verspotten. Als Trickbetrügerin weiß man, dass alle Leute ihren Kopf voller Lügen haben. Durch ihre Gefühle war sie leichte Beute gewesen und zum Opfer ihres eigenen Spiels geworden.

,,Hallo Sylvie."

Mit einem Keuchen wirbelte sie zu der Stimme herum, doch durch den Nebel und die Dunkelheit konnte sie nichts erkennen. Er kam näher gerade so weit, dass sie ihn sehen konnte. Sein Gesicht und seine Stimme wirkten beänstigend leer und emotionslos. Der Wolf neben ihr knurrte, als wäre Loki eine potenzielle Gefahr.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 07, 2022 ⏰

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