1 | Das mit dem Problem

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Ich hatte genau drei Probleme, die mir zu schaffen machten. Erstens klingelte mein Wecker nun schon seit geschlagenen fünf Minuten und ich konnte mich weder dazu aufraffen endlich aufzustehen, noch hörte er auf wundersame Weise einfach auf zu rappeln. Das nervtötende Piepsen sollte eigentlich auch die restlichen Bewohner dieses Hauses aus ihren Betten scheuchen, doch außer mir war niemand zuhause. Ich war auf mich allein gestellt.

Das führte mich zu Problem Nummer Zwei. Fünf volle Tage hatte ich nun ohne Unterbrechung zuhause verbracht und langsam gingen mir die Lebensmittel aus. Zwangsläufig musste ich also aufstehen, mich duschen und anziehen und auf den Weg zum nächsten Supermarkt machen. Gesetzt den Fall, ich wollte heute irgendetwas essen, was nicht aus der Tiefkühltruhe kam. Von Tiefkühlpizza hatte ich die nächsten zwei Monate die Nase voll und auch Lasagne konnte ich nicht mehr sehen. Ich musste endlich aufstehen und etwas Gesundes zu mir nehmen, sonst würde ich noch zu einem Trauerkloß verkümmern, der sich nicht einmal mehr von der Stelle wegbewegen konnte.

Dabei war ich leider genau das. Ein Trauerkloß, der am liebsten den ganzen Tag im Bett verbrachte, Schokoladeneis in sich hineinstopfte und sich selbst bemitleidete.

Und damit kamen wir auch schon zum dritten Problem – dem größten von allen – Aiden. Der Junge, den ich nicht mehr aus dem Kopf bekam, auch wenn ich es noch so sehr versuchte. Zugegeben, das war das einzige Problem, das mir die letzten Wochen wirklich zu denken gab. Die ganze Geschichte und ihre Einzelheiten zu erzählen, würde zu lange dauern, doch hier die Kurzversion meiner misslichen Lage.

Aiden und ich gingen seit der fünften Klasse in dieselbe Schule. Während er mit jedem vergangenen Jahr beliebter wurde, war ich das perfekte Beispiel einer grauen Maus. Ich las lieber als den Jungs beim Fußballspielen zuzuschauen und verbrachte meine Freizeit nicht mit Partys im Vollrausch. Ich war das schüchterne Mädchen, das konsequent übersehen wurde. Und ich liebte es.

Doch mit einem Schlag hatte sich das alles geändert. Eine Wette, von der ich jedoch erst wesentlich später erfuhr, führte dazu, dass mich Aiden aus heiterem Himmel ansprach und allem Anschein nach mit mir befreundet sein wollte. Warum war mir damals schleierhaft gewesen, doch mittlerweile wusste ich es besser. Das alles geschah nur, weil einer seiner Freunde ihm Geld geboten hatte, wenn er mich um den kleinen Finger wickeln konnte. Ich hatte es ihm nicht besonders schwer gemacht. Ganz im Gegenteil. Seit der siebten Klasse hegte ich eine Schwärmerei für diesen Jungen und war natürlich mehr als begeistert, als er dieses Gefühl irgendwie zu erwidern schien. Für einen kurzen Augenblick war alles perfekt. Ich hätte nicht glücklicher sein können. Doch dann hatte mein Bruder einen Autounfall. Er war derjenige gewesen, der mir das Video gezeigt hatte, das Aiden und seine Teamkollegen besoffen in irgendeiner Bar zeigte, wie sie sich die Wette ausdachten.

Das war vor drei Wochen. Mittlerweile war die letzte Woche der Herbstferien fast wieder vorbei. Paul war vor einer Woche aus dem Krankenhaus entlassen und zur Reha in einer vier Stunden entfernten Klinik aufgenommen worden. Mom hatte ihn dorthin begleitet, damit er sich eingewöhnen konnte. In ein paar Stunden würde sie jedoch wiederkommen. Nur aus diesem Grund hatte ich mir überhaupt erst den Wecker gestellt. Ich musste dringend aufräumen und einkaufen. Ich musste den Müll rausbringen und die letzten Spuren vernichten, die darauf schlossen, dass ich mich die letzten Tage beinahe ausschließlich von Fast Food ernährt und mich im Haus verbarrikadiert hatte. Und ich musste duschen.

Die Voraussetzung, dass ich die letzte Woche allein zuhause bleiben konnte, war, dass ich mich um alles kümmerte. Ich sollte etwas Anständiges essen, nicht vergessen die Mülltonnen am Tag der Leerung nach draußen zu stellen und die Post aus dem Briefkasten holen. Bis auf die Mülltonnen hatte ich meine Pflichten so ziemlich ignoriert. Der Briefkasten quoll über vor Werbung und die Telefonnummer des Pizzalieferanten kannte ich auswendig. Mom würde alles andere als begeistert sein.

Katara - Bound To Trust (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt