Der Montag war aus gutem Grund der Tag der Woche, den ich am wenigsten leiden konnte. Zunächst das Offensichtliche: Montag hieß, dass das Wochenende nun endgültig vorbei war und das nächste Wochenende noch viereinhalb Schultage entfernt war. Der Wecker klingelte uns unbarmherzig um sechs Uhr aus den Betten. Jedenfalls Mom und mich. Paul war immer noch krankgeschrieben und Großmutter Adelaide konnte nichts und niemand aus der Ruhe bringen. Sie schlief wie ein Stein. Eine Abrissbirne hätte ein riesiges Loch in die Wand reißen können und sie hätte es wahrscheinlich nicht einmal bemerkt.
Dazu kam die Sorge um Emma. Würde sie heute wieder in die Schule kommen? Wie würde sie reagieren und wie konnte ich ihr möglichst unauffällig (falls Eva in der Nähe war) klar machen, dass ich für sie da war? Oder würde sie überhaupt mit mir reden wollen? Das war die größte meiner Sorgen. Emma würde in die Schule kommen, sich aber von Eva und mir abkapseln. Das konnte und wollte ich nicht zulassen. Diese Befürchtung machte den Montag zu einer einzigen Achterbahnfahrt an Gefühlen.
In meinem Fall gab es noch eine weitere Sache, die den Montag so unerträglich machte. Der Deutschunterricht in den ersten beiden Stunden. Ich saß zwar jetzt neben Eva in der letzten Reihe, starrte aber trotzdem alle paar Sekunden auf seinen Rücken. Natürlich war das bei weitem besser als sein nervöses Fußtippen oder den wippenden Stuhl aus dem Augenwinkel sehen zu müssen, doch mein Herz stolperte dennoch unbeholfen, wie ein Kind, das seine ersten Schritte tat, obwohl ich es versuchte zu verhindern. Wie ich diese verstrubbelten Haare und das perfekt sitzende schwarze Shirt hasste und doch nicht hassen. So sehr ich mich auch bemühte.
Ich war mir sicher, dass Frau Lammer meine mangelnde Konzentration und meine fehlende Mitarbeit nicht mehr lange akzeptieren würde. Dann würde sie mich erneut nach vorne holen. Mir graute vor dem Tag. Sehr gut also, dass ihr dieser Gedanke noch nicht gekommen war. Aber der Gedanke an die wiederhergestellte Sitzordnung in naher Zukunft war an diesem Montag auch mein kleinstes Problem. Warum nur wurde ich das Gefühl nicht los, dass mein Leben zurzeit nur aus Problemen bestand? Anstatt mit einer Doppelstunde Deutsch, begann der Tag mit einer Versammlung der Abschlussklassen in der Mensa. Eigentlich hätte ich mich darüber freuen müssen, doch Emma war nicht erschienen. Ich hatte Bauchschmerzen.
„Sie hat sich für heute krankgemeldet.", sagte Frau Lammer, als ich sie darauf ansprach, doch an ihrem Tonfall merkte ich, dass auch sie sich Sorgen machte.
„Chrm, chrm." Herr Kowalski, unser Schulleiter, hatte einen Rücken so breit wie der eines Stiers. Wenn er wütend war, sah er sogar fast so aus wie einer. Wie die Cartoonversion, der immer Qualm aus den Nüstern stieg, wohlgemerkt. Jetzt schien er allerdings ungewohnt bester Laune zu sein. Er hatte sich autoritär vor uns aufgebaut und wartete, dass wir alles unsere Plätze eingenommen hatten und die Gespräche ein Ende fanden. Fragend zog ich eine Augenbraue in die Höhe. Eva zuckte genauso ratlos mit den Schultern. Der Platz neben mir blieb frei. Mein rechter, rechter Platz ist frei... Mein Herz zog sich krampfhaft zusammen.
„Liebe Schüler und Schülerinnen der Abschlussklassen.", begann Herr Kowalski mit tiefer Bassstimme, die nicht wenige Schüler automatisch abschalten ließ. So wie sie es aus seinem Biologieunterricht gewohnt waren.
„Ihr könnt euch wahrscheinlich schon denken, warum ihr heute in die Mensa gerufen worden seid. Und ich verspreche euch, es wird auch nicht lange dauern. Dann könnt ihr wieder in den Unterricht zurückkehren."
Missmutige Seufzer erfüllten die Mensa. Ich wusste, was die Parallelklasse dachte. Sie hatten Mathe bei Herr Ratschek, einem finster dreinblickendem Kerl, der sich zu jeder Tageszeit in seinem Klassenzimmer verschanzte. Er konnte jedem Angst einjagen, wenn er wollte, selbst dem Lehrkörper, deswegen ließ man ihn erst auf die Oberstufe los. Bis zur zehnten Klasse hatte ich nicht einmal gewusst, dass er existierte. Auf dem Rückweg würde sich seine Klasse so viel Zeit lassen, wie es nur ging, so viel stand fest. Herr Kowalski fuhr ungerührt fort.
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Katara - Bound To Trust (2)
Teen FictionTräume können wahr werden, wenn man nur fest genug an sie glaubt. Das ist eine Lüge, denkt Katara. Nach dem Verrat an ihr und ihrem Bruder glaubt sie nicht im Entferntesten daran, dass sie Aiden jemals wieder verzeihen kann. Das Vertrauen ist gebroc...