Noch einmal: Du sollst den Tag nicht vor dem Abend loben. Ich merkte bereits beim Betreten unseres Hauses, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Die Musik, welche sonst durch das gesamte Haus schallte, war ausgeschaltet, dabei stand Moms Leihwagen wie gewohnt in der Einfahrt. Es roch auch nicht nach Zitronen (der Duft des Putzmittels, das meine Mutter sonst immer benutzte). Stattdessen roch es so stark nach Blumen, Grünpflanzen und feuchter Erde, als befände ich mich nicht in unserem Haus, sondern in einem Blumenladen. Besonders der Duft nach Rosen stach hervor.
„Hallo?", rief ich zögernd in den Flur hinein und gleich darauf streckte Mom ihren Kopf aus der Küche.
„Katara.", sagte sie erleichtert und ich zog fragend eine Augenbraue in die Höhe. Sie sagte zwar nicht, wer da zu Besuch gekommen war, aber ihr Gesichtsausdruck sprach Bände. Egal, wer da hinter der Küchentür zum Vorschein kommen würde, er oder sie war auf jeden Fall ungebeten. In ihren Augen las ich förmlich, wie froh sie über meinen Schulschluss war. Und ich wünschte mir mit einem Mal, einfach wieder verschwinden zu können. ‚Sorry, Mom. Ich muss noch extrem viele Hausaufgaben machen.' hätte ich sagen sollen oder ‚Ich muss gleich wieder weg. Ich hab etwas Wichtiges in der Schule vergessen.'. Und dann wäre ich erst in frühestens einer Stunde wiedergekommen, damit Paul mir über SMS mitteilen konnte, was überhaupt vor sich ging. Denn eines war klar: den folgenden Familienrat wollte ich definitiv nicht miterleben. Mein Gehirn schaltete leider nicht so schnell, wie ich es mir erträumt hätte.
Stattdessen kam nur ein „Äh... hallo?" heraus.
„Komm herein. Wir haben auf dich gewartet." Die Worte meiner Mutter waren plötzlich sehr gewählt und steif. Ein Grund mehr misstrauisch zu werden. Sie ließ keinen Einblick in das, was sie dachte und das war vielleicht auch gut so. Gut möglich, dass in ihrem Inneren der Vulkan bereits mächtig brodelte und nur darauf wartete auszubrechen. Ihr Tonfall ließ leider keine Widerrede zu.
Wortlos nickte ich zur Küche und formte „Wer ist da." mit dem Mund. Sie presste die Lippen zu einer schmalen Linie und machte mir damit deutlich, dass ich keine Fragen stellen sollte. Sie verschwand in der Küche und erwartete offenbar, dass ich ihr folgen würde. Als wären meine Sinne in den letzten Sekunden geschärft worden, nahm ich plötzlich alles um mich herum genau wahr.
Der Duft nach Rosen hing penetrant in der Luft und waberte um mich herum wie Nebel. Ich konnte ihn förmlich mit der Hand greifen. Selbst, wenn ich das Haus wieder verließ, würde der Geruch an meiner Kleidung kleben wie Kaugummi in den Haaren, dessen war ich mir sicher. Am Kleiderständer hing ein feiner hellblauer Mantel, den ich nicht kannte und gegen die Tür der Abstellkammer lehnte ein Regenschirm, der mir ebenfalls unbekannt vorkam. Wer war da in der Küche, der Mom so aus der Fassung brachte? Ich würde jedenfalls nicht dahinterkommen, wenn ich nur im Flur herumstand und darauf wartete, dass sich der Besuch bei mir vorstellte. Wenn ich darauf warten würde, würde ich noch bis Neujahr hier stehen und das würde mir dann doch zu lange dauern.
Also schlüpfte ich aus meinen Schuhen, stellte sie ordentlich an die Seite und hängte sogar meine Jacke auf einen Kleiderbügel. Mom steckte schon wieder den Kopf aus der Küche.
„Katara, bitte komm."
Okay. Es war also ernst. Mehr als ernst. Mit einem stummen Stoßgebet gen Himmel folgte ich ihr. Der Rosenduft verstärkte sich und kitzelte mir unangenehm in der Nase.
Der ungebetene Gast hatte es sich auf Moms Platz gemütlich gemacht. Mom selbst stand mit finsterer Miene an der Anrichte und hatte unserem Gast den Rücken zugekehrt. Der Wasserkocher dampfte.
Ich sah sie erst nur von hinten. Sie hatte eine weiße Dauerwelle, die zusammen mit der royalblauen Blusen und dem dazu passenden Rock der Queen ernsthafte Konkurrenz in punkto Eleganz machte. Ihr Rücken war so gerade, als hätte sie einen Besen verschluckt. Paul saß ihr mit versteinerter Miene gegenüber. Auch er schien glücklich darüber zu sein, dass ich da war, was mir zusätzlich Angst machte.
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Katara - Bound To Trust (2)
Teen FictionTräume können wahr werden, wenn man nur fest genug an sie glaubt. Das ist eine Lüge, denkt Katara. Nach dem Verrat an ihr und ihrem Bruder glaubt sie nicht im Entferntesten daran, dass sie Aiden jemals wieder verzeihen kann. Das Vertrauen ist gebroc...