19 | Das mit dem Vertrauen

109 11 18
                                    

Wie mache ich mich lächerlich in weniger als fünf Sekunden? Ich sah die Überschrift in einem von Großmutter Adelaides Klatschmagazinen bereits vor meinem inneren Auge. Gleich neben Prinz Harrys und Meghans strahlenden Gesichtern. Fünf Dinge, die sie in Anwesenheit ihres Schwarms nicht tun sollten. Wie versinke ich im Boden? Was ist zu beachten, wenn es bereits zu spät ist? Auf der nächsten Seite ging es direkt weiter: Goodbye, Arrivederci und Au revoir. Zehn Länder, in die es sich auszuwandern lohnt – Lassen Sie den Stress hinter sich.

Nun, für mich war es definitiv zu spät. Oh Gott, jemand musste mir sagen, was ich tun sollte, denn ich wusste es ganz sicher nicht. Großmutter Adelaide hatte sich (wie, war mir immer noch nicht klar, denn es war alles so schnell gegangen) in die Küche verzogen und ließ Aiden und mich im Wohnzimmer zurück. Durch die Stille hörte ich mein Blut in den Ohren rauschen. Ich hatte mich irgendwann doch dazu aufgerafft (oder besser gesagt: dazu gezwungen gefühlt) mich zu Großmutter Adelaide und Aiden zu setzen. Auch, wenn ich es nur dem Kuchen zuliebe tat (der übrigens himmlisch schmeckte und mich in den siebten Kuchenhimmel beförderte). Das war allerdings vor Großmutter Adelaides plötzlichem Verschwinden gewesen und bis zu diesem exakten Zeitpunkt hatte ich mich gut aus der Unterhaltung heraushalten können. Großmutter Adelaide liebte es schließlich zu reden, am liebsten von sich selbst. Dass sie die Konversation quasi im Alleingang aufrechterhalten hatte, wurde uns erst so richtig bewusst, als sie sich bereits verzogen hatte und ein peinliches Schweigen eintrat.

Es dauerte eine ganze Weile, bis einer von uns das Wort ergriff. Das war natürlich nicht ich.

„Ich wusste nicht, dass deine Großmutter hier bei euch wohnt.", sagte er.

„Tut sie auch nicht.", antwortete ich gepresst und es war mir egal, dass sie gerade wohlmöglich im Nebenzimmer stand und lauschte. Sie war von Grund auf neugierig, egal was oder wen es betraf, wodurch sie sich grundlegend von ihren drei Mitbewohnern unterschied. Paul waren die Klatsch- und Tratschgeschichten aus der Nachbarschaft vollkommen schnuppe. Mom hörte zwar immer zu, wenn ihr jemand etwas anvertraute, sagte allerdings auch, dass man als Unwissender immer besser dran war und auch wesentlich besser schlief. Und ich... ich wollte eigentlich nur aus allem herausgehalten werden. Großmutter Adelaide war da anders gestrickt. Sie musste nur die magischen Worte „Haben Sie schon gehört was Frau Schrägstrich Herr Schrägstrich Familie wer-auch-immer wiederfahren ist?" und schon war sie Feuer und Flamme. Sie kannte die Nachbarn, obwohl sie viele von ihnen nicht einmal gesehen hatte, besser als wir. Und das wurmte mich. Wahrscheinlich sogar mehr als es sollte. Deswegen sah ich es auch als meine Pflicht an, gegenüber Aiden zu verdeutlichen, dass diese Lebensverhältnisse nur von kurzer Dauer sein würden.

„Sie wohnt nur vorrübergehend hier. Bis sie eine eigene Wohnung gefunden hat.", erklärte ich und fragte mich im selben Moment, warum ich mich überhaupt versuchte vor ihm zu rechtfertigen. Es ging ihn nichts an. Ich presste die Lippen aufeinander und schwieg.

„Achso..."

Die Unterhaltung wollte nicht wirklich in Gang kommen. Vielleicht lag es auch daran, dass wir beide ganz genau wussten, dass Großmutter Adelaide in der Küche hockte und jedes Wort hörte, das wir sprachen. Ich sagte schon seit Jahren, dass dieses Haus einfach zu hellhörig war, aber bislang hatte mich dieser Zustand auch noch nie so gestört. Bis zu diesem Tag. Verstohlen schielte er zu der angelehnten Wohnzimmertür und schluckte. Er dachte wohl ähnlich.

„Es hat aufgehört zu regnen. Wollen wir vielleicht raus gehen?"

Ich wollte schon die Stirn in Falten legen, aber dann fiel der Groschen doch noch rechtzeitig. Dort würden wir allein sein und niemand könnte unserem Gespräch lauschen. Auch keine neugierigen Großmütter mit dem besten Hörgerät, das der Markt zu bieten hat.

Katara - Bound To Trust (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt