Schon meine Mutter hatte früher immer gesagt, du sollst den Tag nicht vor dem Abend loben. Das war einer dieser Sprüche, die man als Kind und wahrscheinlich auch weit über die Kindheit hinaus, immer wieder zu hören bekam. Du sollst den Tag nicht vor dem Abend loben. Iss auf, damit morgen die Sonne scheint. Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen. Kurz, knackig und einfach.
Diese Sprüche hatte ich schon oft gehört und hielt mich doch nie an sie.
„Heute wird ein guter Tag. Ich spüre das.", hatte ich Eva (Emma war immer noch krank, was sehr ungewöhnlich war, denn normalerweise verpasste sie nie auch nur einen Schultag) am Morgen kurz vor der ersten Stunde verträumt vorgeschwärmt und auf den strahlend blauen Himmel geblickt. Das Wetter gab wirklich allen Grund zur Hoffnung, wo es doch in den letzten Tagen immer bewölkt, grau und trist gewesen war. Das Blau des Himmels endlich durch die Wolkendecke durchbrechen zu sehen, war auf gewisse Art und Weise beflügelnd. Heute, so dachte ich, würde alles funktionieren, was ich mir vornahm.
An diesen Moment dachte ich auch zurück, als Frau Lammer erneut einen ihrer grandiosen Einfälle hatte, die, wie man ja bereits wusste, immer auf mein Konto gingen.
„Weil es letztes Mal so gut funktioniert hat, habe ich mir gedacht, dass wir noch eine Hausarbeit in das Halbjahr einbauen. Dadurch können auch diejenigen, die sich eher weniger melden, zusätzlich punkten. Was haltet ihr davon?"
Natürlich waren meine Mitschüler von der Idee begeistert. Bei der letzten Hausarbeit waren die Deutschstunden passenderweise ausgefallen. In der Zeit hätten wir, laut unserer Lehrerin, für die Arbeit recherchieren sollen, was natürlich niemand getan hatte. Es hieß schließlich nicht ohne Grund Hausarbeit.
Bis dahin war ich ebenfalls noch mit Frau Lammers Einfall einverstanden. So weit, so gut. Ich schmiedete bereits Pläne, wann Eva, die schließlich meine neue Sitznachbarin war, und ich uns treffen könnten, um besagte Hausarbeit zusammen zu schreiben. Alles hätte gut sein können, wenn sich das Schicksal nicht dazu entschieden hätte, sich erneut gegen mich zu wenden. Und zwar mit Pauken und Trompeten.
„Ich denke, wir belassen die Gruppen einfach wie bei der ersten Hausarbeit. Ihr seid bestimmt alle schon eingespielte Teams." Jubel brach aus. Nicht bei mir wohlgemerkt. Ich schloss die Augen geschlagen. Noch eine Hausarbeit mit Aiden. Die neidischen Blicke ignorierend, starrte ich stur geradeaus. Es war kein Geheimnis, dass Aiden nicht nur gut aussah, sondern auch unglaublich schlau und charmant war. Hinter der hübschen Fassade versteckte sich auch ein denkendes Gehirn, was man leider nicht von all meinen Mitschülern und Mitschülerinnen sagen konnte. Jeder zweite hätte meinen Platz liebend gerne übernommen und ich war wahrscheinlich die einzige in der Klasse, die bei einer Gruppenarbeit mit Aiden keine Freudentänze veranstaltete. Es bedeutete, dass ich erneut in den Fokus meiner Mitmenschen geriet, und das wollte ich im Moment, so gut es ging, vermeiden. Ebenso wie auf die erneute Konfrontation mit Aiden. Ich war schlecht im Improvisieren und hatte mir immer noch keine Gedanken darüber gemacht, was ich Aiden am besten entgegnete, wenn er auf sein Geständnis zu sprechen kam.
Am besten wäre es gewesen, er hätte mir einen dieser Zettelchen geschickt, die man sich in der Grundschule immer auffällig kichernd zugesteckt hatte. Willst du mit mir gehen? Ja, nein, vielleicht. Bitte ankreuzen. PS: Niemandem zeigen. In diesem Fall hätte ich ein ganz unverbindliches ‚Vielleicht' (mit leichter Tendenz zum Ja-Kästchen) ankreuzen können. Dummerweise war die Grundschulzeit längst vorbei und Liebesbriefe schreiben out – sehr zu meinem Leidwesen, denn wer träumte nicht davon, einen romantischen Liebesbrief zugesendet zu bekommen? Ich war eine hoffnungslose Romantikerin.
Neben mir meldete sich Eva zögernd. Frau Lammer sah ihre erhobene Hand und nickte wissend.
„Ja, richtig. Du hast noch keinen Partner. Ich würde sagen, du schließt dich einfach Aiden und Katara an. Eine Dreiergruppe sollte in Ordnung sein."
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Katara - Bound To Trust (2)
Teen FictionTräume können wahr werden, wenn man nur fest genug an sie glaubt. Das ist eine Lüge, denkt Katara. Nach dem Verrat an ihr und ihrem Bruder glaubt sie nicht im Entferntesten daran, dass sie Aiden jemals wieder verzeihen kann. Das Vertrauen ist gebroc...