8 | Das mit dem Wunderland

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Der gemietete Bus, der uns zum Freizeitpark bringen sollte, stand seit einer Viertelstunde vor der Schule und wartete. Der Busfahrer, ein mürrisch dreinblickender Mann, der mit seinen weißen langen Haaren Gandalf aus Der Herr der Ringe ernsthafte Konkurrenz machte, stand auf der anderen Straßenseite und rauchte. Frau Lammer stierte ständig auf ihre Armbanduhr und zählte alle paar Minuten nach ob noch jemand fehlte.

Ich hüpfte von einem Bein aufs andere und zog den Reißverschluss bis zum Anschlag hoch. Es war saumäßig kalt und meine Nase war trotz dickem Schal ein einziger Eisklumpen. Auch Eva neben mir klapperte mit den Zähnen. Es roch nach verbranntem Holz aus den Kaminen der benachbarten Wohnhäuser. Emma war noch nicht aufgetaucht. Etwas weiter entfernt stand Aiden bei seinen Freunden und tippte ohne Unterlass auf sein Handy. Die Kälte schien ihm nichts auszumachen. Ich schnaubte leise in meinen Schal.

Ich spürte die Hitze in mir aufsteigen. Wenn ich daran dachte, wie ich ihm unfreiwillig meine Gefühle gestanden hatte und es danach nicht geschafft hatte, mich aus der Affäre zu ziehen, durchlief mich ein Schauer. Es blieb nur zu hoffen, dass er es nicht brühwarm weitererzählt hatte. So schätzte ich ihn zwar selbst nach allem, was passiert war, nicht ein, doch ich fühlte mich trotzdem unwohl in meiner Haut, wenn ich darüber nachgrübelte, was er mit dieser neu gewonnenen Information anfangen würde. In den letzten Tagen war ich ihm konsequent erfolgreich aus dem Weg gegangen.

„Wir sind noch nicht vollständig. Ich habe euch doch extra im Info-Zettel geschrieben, dass wir um Punkt acht Uhr losfahren wollen, damit wir früh genug ankommen. Es fehlen noch zwei Schüler. Weiß einer von euch wo Malte und Sebastian stecken? Wir fahren sonst ohne sie los."

„Emma fehlt auch noch.", warf ich ärgerlich dazwischen. Doch zu meiner und auch Evas Überraschung schüttelte Frau Lammer den Kopf.

„Emma hat sich heute Morgen bei mir krankgemeldet."

Eva und ich wechselten einen ratlosen Blick.

„Die arme. Gerade heute... Dabei hat sie sich so auf den Park gefreut.", sagte Eva bedrückt. Ich zückte mein Handy und schrieb Emma eine schnelle Nachricht, in der ich ihr gute Besserung wünschte. Dass sie gerade am Wandertag krank war, tat mir leid. Sie hatte diesem Ausflug mindestens genauso entgegengefiebert wie Eva, die seit Tagen von nichts anderem mehr sprach. Die Einzige, die nicht begeistert gewesen war, war ich. Doch auch bei mir stellte sich langsam, aber sicher eine gewisse Vorfreude ein. Dass lag aber vielleicht auch einfach daran, dass es sich, obwohl wir so früh hatten aufstehen müssen und immer noch vor der Schule standen und uns die Gliedmaßen abfroren, wie ein verfrühtes Wochenende anfühlte. Außerdem war am Sonntag bereits der erste Advent und die Weihnachtsvorfreude war deswegen (jedenfalls bei mir) sehr hoch. In den Straßen leuchteten uns die Sternschnuppen entgegen und gelegentlich sah man das ein oder andere Kind mit roten Zipfelmützen durch die Gegend laufen.

„Das hat keinen Zweck. Stellt euch bitte alle in einer Reihe auf und steigt in den Bus ein. Ich zähle jetzt durch. Wir warten nicht mehr länger." Der Busfahrer machte die Türen auf und startete den Motor. Mit lautem Brummen erwachte das Ungetüm zum Leben und schnurrte gleich darauf wie ein zufriedenes Kätzchen.

„Eins, zwei, drei..." Frau Lammer zählte jede Person, die in den Bus stieg, ab. Zwischenzeitlich stießen auch Malte und Sebastian in ruhigem Tempo zu unserer kleinen Gruppe. Sie reihten sich brav in die Reihe ein und Frau Lammer warf ihnen einen verärgerten Blick zu.

„Das ist ja gerade noch gut gegangen. Ihr seid zu spät."

„Sorry, hab verschlafen."

„Besser spät als nie, wie mein Großvater immer so schön sagt.", meinte Malte frech und unsere Stammkursleiterin scheuchte ihn mit einer raschen Kopfbewegung in den Bus.

Katara - Bound To Trust (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt