Kapitel 2 ~ Die Reise beginnt

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Langsam geht Linea in ihrer neuen Erscheinung über die Koppel

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Langsam geht Linea in ihrer neuen Erscheinung über die Koppel. Die Kapuze hängt ihren Rücken hinunter, sodass das Mondlicht ihre schwarzen Haare bläulich schimmern lässt.
Kein Mensch wird es wagen ihr nun näher zu kommen.
Sie haben Angst vor den Crows, auch wenn sie sich für ihre Zwecke missbrauchen lassen.
Alles nur, weil sie sich lieber mit ihren Peinigern verbünden, anstatt weiterhin in Angst vor ihnen leben zu müssen. Ein Tausch, der die Seele gleich miteintauscht.

Für sie sind es nur ein paar Kupfertaler, die sie jedes Jahr an die Crows zahlen. Eine lächerlich geringe Summe, mit der die Menschen ihren Frieden erkaufen und die verraten, die ihr Leben für sie riskiert haben.
Nicht die Summe schützt sie, sondern ihre Bereitschaft sich den Crows unterzuordnen, sich von ihnen nutzen zu lassen. Auch wenn es den Menschen nicht bewusst ist, so werden sie früher oder später erfahren, dass ihr Frieden vergänglich ist. Sobald die Doves von der Erde verschwunden sind.

"Doch dazu wird es nie kommen", murmelt Linea, auch wenn sie findet, dass die Menschen ein böses Erwachen verdienen.

Sie geht an den Pferden vorbei, die unruhig ihre Blicke auf sie richten, so als würde ihre Erscheinung auch ihre Ausstrahlung verändern. Dabei war sie noch immer eine Dove, hat noch immer die gleichen Fähigkeiten und ihre Magie ist nach wie vor weiß. Sie ist nur getarnt und wenn selbst die Pferde ihre Tarnung anerkennen, muss es eine gute sein.
Sie lächelt und läuft auf ein schwarzes Pferd zu, das ein wenig abseits von den anderen steht.

Als sie näher heran geht, hebt es seinen Kopf und sieht sie ruhig an.
Vorsichtig nähert sie sich ihm, hebt die Hände.
"Ich werde dir nichts tun", flüstert sie und geht weiter. Schritt um Schritt bis sie an seiner Seite steht und ihre Hand an seinen Hals legt.
Sie spürt unter ihrer Hand wie er ausatmet.
Er dreht den Kopf, betrachtet sie eingehend. Es fühlt sich so an, als würde das Tier sie mustern. Als entscheide es, ob sie ihm freundlich gesinnt ist oder ob sie ihm schaden will.
"Ich tue dir nichts", flüstert sie erneut und lässt ihre Hand seine Seite hinabwandern.
Er dreht sich ein Stück, bleibt stehen und sieht er sie erneut an.

Sie hat noch nie ein Pferd geritten, geschweige denn, dass sie je mit einem etwas zutun hatte, aber irgendwie vertraut sie darauf, dass er sie nicht abwerfen wird, sobald sie auf ihm Platz nehmen wird.
Vorsichtig legt sie ihre Hände auf seinen Rücken und drückt sich hoch. Ein wenig ungelenk schafft sie es, auch wenn ihrem Aufsteigen sämtliche Eleganz fehlt, so sitzt sie.
Linea beugt sich zu ihm herunter und flüstert: "Hilfst du mir, helfe ich dir. Bring mich zum Hafen von Larua und ich schenke dir die Freiheit. Nie wieder umgeben von Zäunen. Jeden wirst du überspringen, denn du wirst nie wieder ein Gefangener sein."
Sie malt einen Kreis in die Luft und durchzieht ihn mit dem Symbol eines Blitzes.
Das Zeichen beginnt zu leuchten, als sie es auf das Hinterteil des Pferdes legt. Es brennt sich in sein Fell, ohne ihm Schmerzen zu verursachen.

Er beginnt zu tänzeln.
"Du spürst es, nicht? Die Kraft, die nun in deinen Adern fließt. Das ist mein Geschenk an dich."
Er wiehert und rennt los.
"Ja, so ist es richtig. Lauf, lauf!", ruft sie freudig und hält sich an seinem starken Hals fest.
Der Zaun kommt näher und näher.
"Du schaffst es!", ruft sie, als er beginnt langsamer zu werden, als habe die gewohnte Unsicherheit von ihm Besitz ergriffen. Sie treibt ihn an, feuert ihn an und so nimmt er wieder Geschwindigkeit auf. Er fliegt praktisch über den Zaun, der nun hinter ihnen im Mondlicht immer kleiner wird.

Hochgewachsene Tannen rauschen an ihnen vorbei, während er den Kopf hochreißt und ein Ton ausstößt, den man fast als freudiges Ausrufen interpretieren könnte. Linea ist sich sicher, dass er die Freiheit mit jeder Zelle seines Körpers spürt. Anstatt dem Weg zu folgen, läuft er Querfeld ein, denn Freiheit hat keine Wege, sondern nur Möglichkeiten.
Und sie hat ihm mit ihrem kleinen Zauber nicht zusätzliche Kraft geschenkt, sondern nur den Mut die Eigene zu nutzen.

~•~

Der Morgen ist schneller gekommen, als Erani gelaufen ist.
Den Namen hat sie ihm gegeben, als die Beiden durch die Nacht geritten sind und Astria hinter sich gelassen haben.

Mittlerweile steht die Sonne am höchsten Punkt und wirft ihr warmes Licht gen Erde hinab. Es ist zu warm, um nach ihrem Ritt noch weiter zu reiten. Erani braucht eine Pause, sein Fell ist mittlerweile vom Schweiß getränkt. Also rasten die Beiden im Wald, versteckt von meterhohen Bäumen und hüfthohen Büschen.

Während er gemütlich Gras frisst, sitzt sie im Schneidersitz und holt aus ihrem Beutel den Laib Brot und das Stück Käse, das sie bei Harbaet mitgehen ließ.
Sie beißt von beidem ab und isst gemäßigt. Anders als am gestrigen Abend, als sie stumpf ihren Bauch füllte.

Sie legt den Mantel ab, breitet ihn aus und legt ihren Beutel ans obere Ende.
Das Band um ihre Schulter lösend, blickt sie auf.
"Du hast sicherlich Durst", stellt sie fest und blickt auf den Trinkbeutel in ihren Händen.
Sie hat ihn am Fluss vor Harbaets Hof gut gefüllt.

"Erani", sagt sie seinen Namen und bringt ihn zum Aufblicken, "Komm her."
Einen Moment harrt er aus, ehe er auf sie zutrottet.
Vor ihr bleibt er stehen und verdeckt mit seinem riesigen Kopf die Sonne.
Sie winkt ihn mit der Hand zu sich.
"Komm", fordert sie ihn sanft auf.
Er neigt ihr seinen Kopf entgegen, sodass sie ihre linke Hand schalenförmig vor sein Maul halten kann. Mit den Zähnen zieht sie den Korken aus dem Beutel und gießt klares Wasser in ihre Hand.
Sofort beginnt Erani gierig zu trinken. Linea muss ihre Hand immer neu auffüllen.

Nachdem Erani genug getrunken hat, wendet er sich ab und geht seiner letzten Beschäftigung nach.
Sie hingegen legt sich auf ihren ausgebreiteten Mantel und beobachtet ihn beim Kauen.

Jedes Tier hat eine Seele, Linea. Missachte sie nicht, weil du glaubst, du stündest über ihr. Sprich die Seele des Tieres an und es wird dir aus freiem Willen folgen.

Das hat ihre Mutter gesagt und Linea weiß nun, dass sie Recht gehabt hat. Dass Tiere und Doves schon immer eine besondere Beziehung zu einander hatten. Sie hat es damals nicht geglaubt. Hat es für Märchen gehalten, doch nun sieht sie es an Erani. Sie redet mit ihm über Worte, doch eigentlich kommunizieren ihre Seelen miteinander.

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