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Als Linea gefolgt von Merine den sogenannten Versammlungsraum betritt, staunt sie nicht schlecht.
Er ist relativ groß, könnte bestimmt 100 Mann beherbergen und doch steht in ihm nichts aus ein großer, viereckiger Tisch. Vermutlich der größte, den sie jemals gesehen hat.
Auf ihm liegen unzählige Blätter, die zum Teil mit einander verbunden sind, um mehr Platz für die Kohlelinien zu bieten. Wenn Linea sie genauer betrachtet, weiß sie, dass es sich um die Karten handelt, die Merine anfertigt.
Straßen und Wege schlängeln sich durch Gebäude und Häuser hindurch.
Und jedes Gebäude scheint sein eigenes Symbol zu besitzen.

Sie sieht den Blitz, in dem sie mit dem Kapitän gewesen ist. Genau daneben befindet sich ein Symbol, dass an ein Laib Brot erinnert und mit ihrer Fantasie kann sie sich gut vorstellen, dass dort genau so etwas verkauft wird.
Ihr Blick schweift den Weg entlang zur linken Seite. Sie sieht den Spindel-Wald, der einfach nur durch viele kleine Striche dargestellt wird und dahinter... ihr Ziel.

Sie will gerade um den Tisch herum gehen und sich die Ecke der Karte genauer ansehen, als die Tür aufgestoßen wird.
"Es ist schade, dass ich nicht da war", ertönt es und Schritte erklingen, "Konnte es ja kaum glauben. War direkt das erste, von dem man mir erzählte."

Linea kann es auch nicht glauben. Sie kennt die Stimme, kennt sie ganz genau und als sie sich umdreht, zieht sie überrascht die Luft ein.
Ihre Augen werden groß, während sie erstarrt.

Merine, die zuvor einen anderen Teil der Karte studiert hat, blickt auf. Freude liegt in ihrem Blick, als sie mit einem Aufschrei alles stehen und liegen lässt, und um den Tisch herum eilt. Sie zieht den Neuankömmling in eine feste Umarmung.
"Endlich bist du zurück", entkommt es ihr und Linea kann förmlich die Sehnsucht aus ihrer Stimme heraushören.

Nun kann es Linea noch weniger glauben. Ihr entkommt kein Wort, nicht mal ein Ton schafft es über ihre Lippen.

Merine löst sich derweil von dem Mann und lächelt Linea breit an.
"Darf ich dir meinen Sohn vorstellen?", fragt sie und zeigt auf den jungen Mann, der sich gerade eine braune Haarsträhne aus der Stirn wischt und Linea belustigt ansieht.
"Das ist-"
"Aorian", unterbricht Linea sie und macht einen Schritt auf das Mutter-Sohn-Gespann zu.

Merine sieht verwirrt von einem zum anderen. "Ihr kennt euch?"
"Wir sind uns begegnet ab und an. Witzig, oder? Vielleicht war es doch Schicksal", spricht er an Linea gewandt.
Diese kann nur den Kopf schütteln.
"Dafür war es zu häufig", stellt sie fest.
"Naja, aber ich sagte dir ja, dass wir das gleiche Ziel hätten, daher sind Begegnungen doch verständlich."
"Aorian ist umher gereist. Er sollte kontrollieren wie weit sich der Einfluss der Crows ausgebreitet hat", mischt sich Merine ein. Auf ihrem Gesicht noch immer der Hauch von Verwirrung.

Linea schüttelt sich kurz, versucht ihre Starre loszuwerden. Ein Gedanke keimt in ihr heran.
"Also traf ich dich so häufig, weil du mich verfolgt hast? Weil du mich für eine Crow hieltest?"
Aorians Miene wird ernster. Er nickt einmal kurz und holt aus: "Als ich dich das erste Mal in Jukina sah, sah ich, dass du dort genauso fremd bist wie ich. Ich war lange alleine und ich weiß nicht, ich wollte dich ansprechen. Vielleicht war es der Wunsch nach Gesellschaft."

Merines Züge werden bei seinen Worten weich und sie täschelt ihm die Wange.
Linea hingegen versteht es nicht.

Wer hegt den Wunsch nach der Gesellschaft eines Fremden?

"Und dann?"
Er löst sich sanft von seiner Mutter, nicht ohne ihr einen liebevollen Blick zu schenken und geht langsam auf Linea zu.
Während er Schritt um Schritt näher kommt, erzählt er: "Und dann sah ich was du bist. Ich wurde von Firora losgeschickt mehr über die Crows zu erfahren und dann traf ich eine, die sich so anders verhielt, als die die ich kannte."

The Crows Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt