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Das Dröhnen verklingt in der stillen Weite. Linea dreht sich einmal um sich selbst und wieder zurück. Blickt nach links und nach rechts. Wie ein Messer durchschneidet ihre helle Gestalt die Dunkelheit.

"Hallo?", ruft sie zögerlich und das Echo ihrer Stimme hallt nach. Erst laut, doch dann immer leiser werdend bis es sich endgültig verliert.
Vorsichtig macht sie einen Schritt, blickt hinab.
Sie hat festen Boden unter den Füßen, zumindest fühlt sich die Ebene für sie so an.

"So muss sich jemand fühlen, der kein Augenlicht besitzt", murmelt sie und auch wenn diese Worte leise ihre Lippen verlassen, so hallen sie laut nach.
Irritiert horcht Linea auf den Klang ihrer eigenen Stimme.

Was für ein merkwürdiger Traum, denkt sie sich.

Sie geht einige Schritte und aus einigen werden viele.
Sie wird ja wohl irgendwo ankommen. Doch auch nach vielen Schritten, gehend und am Ende sogar rennend, findet sie nichts außer diese gähnende Leere.

Ihr rinnt der Schweiß von der Stirn. Der Atem entkommt ihr schwer.
Keuchend beugt sie sich vorn über, sodass ihre Haare ihr vors Gesicht fallen. Zu einem schwarzen Vorhang in einer schwarzen Kulisse werden.

Dabei betrachtet sie ihre nackten Füße. Ruckartig richtet sie sich auf, blickt nachdenklich auf ihre Hände und kommt zu einer Einsicht.

Es ist wahrlich ein Traum. Wäre ich wach, würde mich die Dunkelheit verschlucken. Ich könnte nichts von mir sehen.

Sie nickt, wie um sich selbst zu bestätigen und setzt sich auf den Boden oder auf das, was sie für den Boden hält. Linea muss nur warten, irgendwann wird sie aufwachen.

Doch anderes geschieht. Anstatt zu erwachen, löst sich plötzlich der Boden auf und sie befindet sich im freien Fall. Ein gellender Schrei tönt aus ihrer Kehle. Das Gewicht ihres Körpers zieht sie hinab. Mit weitaufgerissenen Augen sieht sie nach oben, unten, zur Seite, während sie versucht in eine Lage zu kommen. Sie wirbelt umher wie ein Fähnchen im Wind.

Schwindel ergreift von ihr Besitz und sie verschluckt sich fast an ihrer eigenen Spucke.
Der Wunsch nach einem Ende wird derart groß, dass er wie eine Sehnsucht von ihrem Geist Besitz ergreift.

Halt! Halt! Aufhören! Bitte!, fleht sie in ihren Gedanken und plötzlich, als hätte sie diese laut ausgesprochen, hört sie auf zu fallen. Ihre Glieder von sich gestreckt, schwebt sie inmitten der Leere.
Erleichtert stößt Linea den Atem aus und versucht ihr Herz zu beruhigen. Ihre Finger zittern, ihre Füße kribbeln.

"Dein Wunsch sei dir gewährt", dröhnt es in der Leere.
Linea dreht sich einmal um die eigene Achse. In ihrem Gesicht der Ausdruck von Überraschung. Da ist sie wieder diese Stimme.

Warum träume ich sowas?, fragt sie sich und spürt Zweifel in ihr aufkeimen, Ist es wirklich ein Traum?"

"Ein Traum, das ist es. Aber hier können wir ungestört reden", antwortet die Stimme, dieses Mal ohne Dröhnen.
Linea fasst sich an den Kopf, "Hörst du etwa meine Gedanken?"

"Ich höre alles, sehe alles, spüre alles", kommt es uneindeutig zurück.
"Wer bist du? Bist du mein Unterbewusstsein?", fragt sie zögerlich, sich dessen bewusst, dass sie definitiv  träumen muss. Wer kann sich schon mit seinem Unterbewusstsein unterhalten?

"Ich bin alles", antwortet ihr die Stimme dunkel, als wüsste sie mehr, als Linea es jemals tun könnte.
Dennoch ist es keine Antwort auf ihre Frage. Sie versucht es anders.
"Rede ich gerade mit mir?"
"Wenn ich alles bin, bin ich auch du."

Linea seufzt. Das führt zu nichts.
"Wo bin ich?"
"In Allem und Nichts."
Sie massiert sich den Nasenrücken.
Ihr Unterbewusstsein ist so rätselhaft, dass es ihr genervt den Atem aus der Lunge treibt.

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