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"Mela shinu", beginnt Elanko zart zu singen, "E akarta." Seine Stimme wird lauter, eine unruhige Melodie schleicht sich in seine Worte: "Mela shinu, e akarta. Tenos daos akarta."

Die Worte hören sich sehr bekannt in Lineas Ohren an. Sie stellt ihre Befreiungsversuche ein, nicht, weil sie nicht weiterhin entkommen will, sondern weil ihre Muskeln zittern. Ihr Magen fühlt sich an, als lägen unzählige Steine in ihm. Würde sie stehen, würde er sie mit Sicherheit hinabziehen.

Die Anspannung und die Angst vor dem Kommenden machen sie völlig bewegungsunfähig. Lassen sie zu einer Statur werden.

Bernia beobachtet wie Elanko die alten Worte rezitiert, die er auch einst sprach als er Heliastus zum ersten Mal beschwor. Damals unabsichtlich, aber die nachfolgende Jahrhunderte völlig bewusst. Seine Stimme ist über die Zeit immer sicherer geworden. Ist sie anfangs zittrig gewesen, so ist sie nun klar und sicher. Man merkt ihm an, er hat Routine.

Aufrecht steht er da, die Arme zu Beiden Seiten ausgebreitet, das Gesicht entspannt, die Augen geschlossen. Nur seine Lippen bewegen sich unaufhörlich.

Bernia wartet gespannt. Unzählige Male hat sie dieses Bild bereits gesehen. Die Kinder auf dem Tisch variieren und Elanko sieht durch den Körper des Jünglings auch nicht so erhaben aus wie er es eigentlich ist, doch das sind nur zwei Variablen in ein und dem gleichen Bild.
Die Atmosphäre, die die Luft schwängert, ist aufgeladen. Als würde eine Energie die Teilchen zum Zittern bringen.

Sie weiß ganz genau von wem diese Energie stammt. Hat sie viele Male gespürt. Einst in Angst, mittlerweile in hoffnungsvoller Erwartung.

Linea spürt wie die Luft sich aufheizt. Spürt ein Kribbeln, das ihre Glieder entlangwandert und auf ihrer Brust zusammenkommt. Ihr Herz zieht sich schmerzhaft zusammen.
Je lauter Elanko singt desto stärker wird der Griff um ihr Herz.
Sie keucht, hat das Gefühl keine Luft zu bekommen, als würde ihr Brustkorb zusammen gepresst werden.

In ihre mühseligen Atemversuche mischt sich ein schrilles Fiepen. Ihre Angst teilt sich nun auch hörbar mit.
Lineas Augen werden groß, als sie eine Hand spürt, die ihren Fußknöchel berrührt. Rau und kalt streicht sie ihr Bein empor, gleitet über ihr Knie.
Sie neigt das Kinn bis es ihre Brust berrührt, erwartet schon jemanden am Fußende stehen zu sehen, doch da ist nichts. Nur Luft blickt ihr entgegen.

Linea verzieht qualvoll das Gesicht. Lässt ihren Kopf zurückfallen und kneift die Augen zusammen.
Die Hand ist mittlerweile an ihrer Taille angekommen und sie scheint nicht Halt machen zu wollen.
Unaufhörlich schiebt sie sich weiter empor.

Elankos Singen wird zu einem Summen, das dennoch gewaltig klingt. Es füllt den gesamten Raum aus, bringt die Atmosphäre zum knistern und hört sich in Lineas Ohren viel zu laut an. In ihrem Kopf dröhnt es.
Die Hand hat mittlerweile ihre Rippen erreicht und erkundet von dort jeden Zentimeter ihrer Haut.
Es ist ein unangenehmes Gefühl, eines das nicht nur einen Schauder ihren Rücken hinablaufen lässt, sondern in ihr auch Ekel auslöst.
Die Berrührung wandert ihre Schultern empor, verweilt kurz an einer Stelle und ein prickelndes Gefühl entsteht an ihrem Hals.
Es fühlt sich so an, als würde jemand die empfindliche Stelle hinter ihrem Ohr streicheln.
Linea kneift die Augen zusammen.
Sie will nicht berrührt werden. Von niemanden und schon gar nicht von unsichtbaren Händen.
Kurz fragt sie sich, ob sie es sich einbildet.

Vielleicht ist es der Stress, das Wissen, das alles was ich glaubte zu wissen, eine Lüge ist.

Es würde erklären, warum ihre Sinne ihr Streiche spielen. Doch das Streicheln fühlt sich zu echt an, als dass es eine Illusion sein könnte. Sie spürt nicht nur die Gänsehaut, die an den Stellen entsteht, sondern auch eine Handfläche und jeden einzelnen Finger. Die Berrührung ist nun an ihrem Kopf angekommen. Sie hält inne, bewegt sich weder in die eine noch in die andere Richtung. Sie ist still. Nun könnte man glauben, sie sei gar nicht da. Doch der sanfte Druck lässt auch diese Illusion erlöschen.

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