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Es knallt, doch nicht, weil Linea die Schöpfkelle eben aus der Hand gefallen ist, sondern weil die Tür so hart aufgestoßen wird, dass sie gegen die Wand kracht.

Zwei Männer betreten die Kombüse. In ihrer Mitte halten sie einen Älteren aufrecht, der augenscheinlich verletzt ist. Sein Gesicht ist zu einer Maske verzerrt, während seinem Mund stöhnende Geräusche entkommen.
Sofort lässt Linea alles Stehen und Liegen.

"Diese verdammte Insel. Eine Todesfalle. Sieh dir sein Bein an. Das verursachte eine Blume, eine Blume!", wettert einer der Männer fassungslos, als er dem Alten auf eine Bank hilft.
Linea kniet sich neben den wimmernden Mann und besieht sich sein Schienbein.
Es ist stark gerötet, während sich unzählige kleine Quaddeln gebildet haben. Linea berührt vorsichtig den äußersten Rand der Rötung, was den Alten Zischen lässt.
Die Haut fühlt sich heiß an, spannt sich unter ihren Fingern.

"Unnötig zu erwähnen, aber du sollst dich darum kümmern", sagt der zweite Mann, einer von dicker Gestalt mit Sommersprossen auf dem Nasenrücken. Man könnte sagen, sein Gesicht sieht freundlich aus, wäre da nicht der grimmige Blick, mit dem er das Schienbein betrachtet.
Schweiß steht auf seiner Stirn, welchen er mit einer flüchtigen Bewegung wegwischt.
Er nickt dem Alten zu, auch wenn dieser das gar nicht mitbekommt und verlässt die Kombüse.

"Was soll ich tun? Kann ich irgendetwas tun? Soll ich helfen?", speit der Erste seine Fragen aus. Hysterie lässt sein Tonfall in die Höhe schnellen.

Nichts, außer den Mund zu halten.

Das denkt sich Linea, sagen tut sie mit verstellter Stimme: "Bring mir ein getränktes Tuch. Kalt soll es sein."
Der Mann nickt, wirkt fast so, als sei er erleichtert endlich eine Aufgabe zu bekommen.
Linea umrundet die Theke und beugt sich neben dem Herd hinab. In einem Schränkchen liegt bereits das Gemüse, das Linea sich für den Abend zum Kochen ausgesucht hat. Möhren, Sellerie, Kartoffeln und Radieschen.
Daneben stehen kleine Glasgefäße, in denen sich verschiedene Pulver befinden.
Diese Kombüse war derart schlecht ausgestattet, doch sie findet etwas was sie nutzen kann, auch wenn es nicht optimal ist. Wäre sie im Wald hätte sie definitiv anderes Kraut gewählt als Minze.

Sie setzt einen kleinen Topf auf den Herd, füllt diesen mit Wasser, sodass der Boden gerade bedeckt ist und lässt die gemahlene Minze hineinrieseln.

Der Mann neben ihr scheint sich noch immer auf der Suche nach einem Tuch zu befinden. Linea sieht zu dem Stapel, der direkt neben dem Herd, offen auf der Theke, liegt. Sie wird nicht den Fehler begehen ihn darauf hinzuweisen. Am Ende steht er erneut wie ein aufgescheuchtes Huhn neben ihr. Soll er mal schön weiter suchen, das braucht er, das lenkt ihn ab.

Er zieht Schubladen auf und schließt sie wieder. Schranktüren werden geöffnet, es rappelte und klirrt, als er mit seinem Oberkörper in einem der Schränke verschwindet. Linea seufzt und beachtet ihn nicht weiter. Nachdenklich betrachtet sie das Gefäß in ihrer Hand, zuckt mit den Schultern und kippt noch mehr rein.

"Hier, hier ist es!" Der Mann wedelt plötzlich mit einem tropfenden Tuch vor ihrem Gesicht rum. Wo er das gefunden hat, ist ihr ein Rätsel, doch sie lässt sich nichts anmerken.
"Bind es ums Bein", fordert sie ihn mit tiefer Stimme auf.

Das Wasser im Topf beginnt in der Zeit zu brodeln, entzieht dem trockenen Kraut seine letzten Essenzen. Frisches wäre soviel besser.
Doch es ist nicht ihr Schiff, nicht ihre Crew, sie hat keine Verantwortung und dennoch ärgert sie es, dass so wenig Heilkräuter hier zu finden sind.

Warum empfinde ich so?

Sie schüttelt den Kopf, greift nach einem Tuch vom Stapel.
Sie taucht es mit der Mitte in den Topf, sodass es sich vollsaugt.
Mit von sich gestreckten Händen läuft sie auf die beiden Männer zu.

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