Tag 1

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Meine Augenlider waren schwer, so unglaublich schwer. Ich wollte sie nicht öffnen, wollte nicht sehen was hinter ihnen lag. Wollte den Tag nicht sehen, nicht schon wieder.
Ich weiß nicht mehr ab wann, aber ab irgendeinem Zeitpunkt schlief ich nur noch ein um darauf zu hoffen am nächsten Tag nicht aufzuwachen.
Gegen meinen Willen öffneten sich meine Augen.
Meine Umgebung war verschwommen. Voll von unscharfen Flecken und Farben die ich nicht zuordnen konnte.
Das war was ich jeden Morgen sah, nichts und doch alles zugleich.

Ich blinzelte.
Einmal.
Zweimal.

Jetzt sah ich wieder klar.
Die Tränen die sich in meinen Augen gesammelt hatten rollten nun über meine Wangen.
Wie jeden Morgen.

Kurz schloss ich wieder meine Augen, unterdrückte ein Schluchzen, ich wollte nicht mehr. Ich wollte verdammt nochmal einfach nicht mehr. Wollte. Und konnte.

Wieder öffneten sich meine Augen. Wieder gegen meinen Willen. Es war als würde irgendetwas in mir mich am Leben halten. Was es auch war, ich hasste es. Ich hasste es so sehr das ich es am liebsten aus meinem Körper gerissen und an die Wand geworfen hätte.

Langsam setzte ich mich auf. Am liebsten würde ich liegen bleiben, wieder einschlafen und für immer Schlafen. Immer.
Doch ich wusste das es nicht funktionierte, ich hatte es schon ausprobiert und war jedes mal daran gescheitert.
Zuerst nahm ich die Umgebung um mich herum nicht war. Ich schwang meine Füße aus dem Bett, schaute auf den Boden und seufzte.
Erst als ich aufstand und meine Füße den kalten, nackten Boden unter mir berührten zuckte ich zusammen und blieb wie versteinert stehen.

Wenn wir alles um uns ignorieren und nur auf unser Inneres hören, sind wir dann egoistisch oder reflektiv ?

Die Welt um mich herum brach ab dem Moment zusammen als ich die Wirklichkeit verlor.
Wo war ich ? Wo zur Hölle war ich und wie war ich hier her gekommen?
Die Erkenntnis das ich nicht in meiner gewohnten Umgebung war machte mir Angst. So viel Angst das ich zurück auf das Bett sprang und zitternd meine Beine umschlang.

Meine Augen waren zu. Ganz fest so das ich nichts von der Welt sehen konnte. Nur Schwärze, sonst nichts. Mein Atem ging unkontrolliert schnell.
Ein Aus
Ein Aus Ein
Aus Ein Aus Ein Aus
Ein Aus
Ich konzentrierte mich. Wollte mich beruhigen. Ganz langsam
Ein
Aus
Ein
Aus
Es funktionierte.
Ich traute mich nicht meine Augen schon wieder zu öffnen. Traute mich nicht zu sehen wo ich war. Traute mich nicht.

Zur Seite gedreht saß ich nun da. Meine Augen immer noch fest geschlossen. Das zittern meines Körpers hatte nachgelassen und trotzdem hatte ich nicht den Mut meine Beine wieder los zulassen.

Eine gefühlten Ewigkeit saß ich so jetzt schon da. Bis sich meine Angst in Wut umgewandelt hatte.
Ich war wütend. Auf wen? Keine Ahnung. Aber ich war wütend darauf das ich nicht wusste auf wen. Ich war wütend darauf das ich nicht wusste was hier überhaupt los war. Und ich war wütend darauf das ich wütend war auf nichts und doch alles.

Es war also die Wut die mich dazu Zwang meine Augen langsam zu öffnen. Erst nur einen winzigen Spalt.
Weiß
Mehr sah ich nicht.
Noch ein kleines Stück weiter.
Noch mehr weiß, diesmal zusammengeknülltes Weiß.
Eine Bettdecke?
Noch ein Stück.
Eine weiße Bettdecke.
Ich öffnete meine Augen.

Zuerst sah ich nur weiß. Dann formten sich aus dem Weiß einzelne Gegenstände und Sachen.
Eine Weiße Bettdecke.
Ein weißes Kopfkissen.
Eine weiße Wand.
Und noch vor der Wand Weißes Metall.
Das Metall war gebogen. Weiße Schnörkel gingen von einer Seite der Wand bis zur anderen.
Die Wand war nicht besonders groß, vielleicht 2 Meter. Nicht länger.
Das Bett.
Ich saß im Bett. In einem weißen verschnörkeltem Bett vor einer weißen Wand.

Ich atmete aus. Langsam und kontrolliert drehte ich mich ein kleines Stück um. Noch eine Wand. Eine weiße Wand.
Ich drehte mich noch ein Stück um. Noch eine Wand. Weiß. Und eine Tür an der Wand. Weiß.
Schließlich drehte ich mich zu der letzten Wand um. Nicht weiß. Nicht weiß?!
Kurz zuckte ich zusammen.
Grün
Die Wand war grün. Ein dunkles sattes Moosgrün. Wunderschön und irgendwie beruhigend.

Meine Augen wanderten weiter an der Wand entlang.
Grün
Grün
Grün
Weiß
An der Wand hing ein weißes Rechteck. Glänzend und irgendwie silbrig schimmernd.
Ein Spiegel.
Ein Spiegel.
Und in dem Spiegel eine Person die mich an starrte.
Die Person hatte lange Haare. Weiß. Blond. Weißblond. Lange Weißblonde Haare.
Augen. Große Augen. Grüne Augen.
Die Haut der Person war blass. Nicht weiß aber blass. Fast weiß, nicht weiß. Also blass.
Als ich den Arm hob um ihr zu zu winken, hob auch sie den Arm.
Das war ich.
Ich im Spiegel.
Ich an der Wand.
Ich in diesem Zimmer.

Und so starrte ich mich an.
Ich im Spiegel.
Ich an der Wand.
Ich in diesem Zimmer.
Weiß, grün, blass, nackt.
Solange bis meine Augen müde wurden und die Farben und nicht Farben um mich herum verschwanden und Schwärze wichen.
Schwärze von der ich dieses Mal hoffte, das sie verschwand und mich nicht aufaß.

24 Tage bis MorgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt