Gemeinsam gingen Elli, Yannik und ich zum Unterricht, von Adrian, jedoch, fehlte jede Spur.Der Deutschunterricht ging quälend lang vorbei und, dass meine Gedanken bei Adrian hingen machte es nicht besser.
Er war gestern so anders, so gelöst, ich hatte ihn kaum wieder erkannt und jetzt war er das gewohnte distanzierte Arschloch. Ich hatte mich so gut, wie lange nicht gefühlt. Hatte endlich ein kleines bisschen Freiheit, doch zu welchem Preis?
Auch die letzten Stunden gingen schließlich zu Ende, meine Nerven lagen blank und ich hatte noch einen langen Nachmittag vor mir.
Ich ging raus, um mich unter meinen Baum zu setzen und ein wenig Luft zu holen. Erstaunt stellte ich fest, dass da schon jemand anderes saß und bei genauerem herantreten erkannte ich die Person sogar.
Adrian saß inmitten eines bunten Blätterhaufens, ihm egal, ob er dabei dreckig wird. Ich rieche den unangenehmen Rauch, den aus stößt, sehe die Zigarette in seiner Hand, seinen abwesenden Blick. Er ist viel zu sehr in Gedanken versunken, um mich zu bemerken.
Langsam setzte ich mich zu ihm und schaute in die völlig andere Richtung. Wir beide sagten kein Wort, die Luft war zum Zerreißen gespannt.
"Was willst du hier?"
"Warum bist du mir sauer?", stellte ich die Gegenfrage. Ich erwartete keine Antwort und dennoch bekam ich eine.
"Du isst nichts", ich wollte schon etwas einwenden, aber er kam mir zuvor, "und komm mir nicht mit du hast keinen Hunger. Verdammt Charlie, es kann einfach nicht sein, dass du dich runter hungerst. Siehst du es überhaupt?"
Ruhig beobachtete ich ihn und ließ in weiter reden.
"Man Charlie, ich bin doch nicht auf den Kopf gefallen. Du brauchst Hilfe, das ist doch schon beinahe krankhaft."
"Erzähl mir was neues Adrian, ich arbeite doch schon daran. Elli und-", wandte ich nun ein, aber Adrian unterbrach mich sofort.
"Elli?! Bitte sag mir nicht, dass du sie da auch noch rein gezogen hast. Sie geht daran kaputt, Charlie. So etwas macht einen Menschen kaputt!"
Verletzt schaute ich ihn an. Mit Schwung sprang ich auf und lief davon. Ich wollte weg von ihm, einfach so viel Abstand wie möglich zwischen uns bringen und ihn am Besten nie wieder sehen.
"Warte Charlie, ich hab's nicht so gemeint", rief er mir hinterher.
Ich ignorierte ihn und lief weiter davon. Meine Schritte führten mich wieder zurück auf den langen Schulflur. Ich versuchte mich kurz zu sortieren und meinen nächsten Schritt zu überdenken. Ich wollte mich nicht kratzen, ich hatte nicht einmal die Gedanken dazu. Hilfesuchend sah ich mich um, ich war verloren, fühlte mich einsam in dem Meer voll Fische. Ich war kein Fisch, höchstens eine Seegurke, gehörte irgendwie dazu, aber dennoch zählte mich keiner zur Gesellschaft. Ich existierte, aber keiner nahm Notiz davon. Ich würde nie etwas hinterlassen, an das man sich erinnern würde, an mich erinnern.
Ich wusste nicht einmal, ob sich die Leute an mich erinnern wollen würden. Ich starrte weiter Löcher in die Luft, als ich von hinten umarmt wurde.
"Es tut mir so leid Charlie, ich wollte das nicht, wirklich nicht. Ich habe nur so Angst um dich. Verdammt, ich weiß doch auch nicht, ich kann mir nicht erklären, warum du mir so wichtig bist", stammelte er vor sich hin. Seine Worte bildeten ein einziges Chaos, welches dem Wirrwarr in meinem Kopf nur zu genau ähnelte.
Betroffen sah ich ihn an. Er wusste also nicht, was er an mir fand. Wieso sollte ich auch etwas an mir haben, weshalb mich Leute mögen würden. Meine Augen füllten sich mit Tränen und ich bemitleidete mich selbst, bemitleidete mein Leben, meine Einsamkeit, mein Wesen. Adrian schien meinen Blick deuten zu können und ruderte sogleich zurück.
"Man Charlie, was hab ich jetzt schon wieder gesagt? Du darfst Worte nicht immer so persönlich nehmen!"
Aber so war ich nun mal, ich nahm Worte ernster als andere. Ich lag stundenlang wach und drehte jedes ihrer Worte, überlegte, warum die Person genau dieses Wort betont hatte und nicht ein anderes. Ich beschäftigte mich damit, warum Personen gerade dieses Wort benutzten und nicht ein anderes anstelle dessen. Ich legte so viel Wert und Macht in Worte und verkopfte mich viel zu sehr, nur um letzten Endes daran zu zerbrechen.
Ich frage mich, was die Person wirklich mit diesen Worten meinte, denn für mich ergab es einfach keinen Sinn, dass eine Person nicht genau über ihre Worte nachdachte. Für mich sind Worte sorgfältig gewählt und immer bedacht, deshalb kann ich nicht verstehen, wie eine Person sagen kann, das sei nur ein Spaß.
Wir beleidigen einander und sagen, das wäre nur ein Spaß, dass dabei aber Leute zu schaden kommen, die diesen 'Spaß' als solchen nicht verstehen, daran denkt keiner. Wir sind gemein zueinander, nur um im nachhinein zu sagen, das sei nicht so gemeint.
Stimmt das? Meintest du es wirklich nicht so, oder willst du nur etwas in mir retten, was schon im selben Moment zerbrochen ist? Wie kannst du dir das Recht nehmen und jemanden beleidigen, aber dein Gewissen beruhigen, indem du sagst, es wäre nicht so.
Wenn es nicht so ist, warum sagst du mir das dann?
Ich verstehe nicht, wie Menschen so etwas zu anderen sagen konnten, und doch war ich eine von ihnen, bin kein Stück besser, verletze die Menschen um mich herum guten Gewissens und das ist Falsch.
ich schaute nur weiter in Adrians Gesicht, der sich vor mich gestellt hatte, so als würde er mich beschützen. Beschützen vor meiner Selbst.
"Jetzt schau mich doch nicht an, wie ein begossener Pudel." Verwirrt schaute ich den blonden Jungen an. Adrian brach in Gelächter aus. Verängstigt schaute ich ihn an. Hatte ich etwas falsch gemacht?
"Aber jetzt wirklich Charlie, du musst lernen, nicht immer alles so ernst zu nehmen. Ich würde dir nie etwas böses wollen, keine Sorge."
Langsam nickte ich, ich verstand. Ich griff einfach nur alles, was man mir sagte und antat falsch auf, die Welt war gar nicht so böse, wie ich dachte und Mutter war vielleicht auch gar nicht so schlimm. Vielleicht war es einfach normal und ich dachte von Anfang an vollkommen falsch.
'Mutter war also doch nicht das Monster, für das ich sie immer hielt, ich war der Fehler.'
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Honey Badger
Teen Fiction"Du hast mich verlassen", seine Stimme brach und war kaum mehr ein flüstern. "Du bist gegangen, hast mich allein gelassen. Weisst du wie ich mich gefühlt hatte? Wohl kaum. Es ist nicht immer so wie alles aussieht, Charlie." "Ich weiss sehr wohl, das...