•vierzehn•

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Aus der Puste kam er im Krankenhaus an, möglicherweise war es doch nicht so nah, wie er zunächst angenommen hatte. Seine Füße trugen ihn dennoch weiter in Richtung seines Engels, bis er schnaufend an der Rezeption stand.

Er brauchte seine Zeit, um vernünftig Luft zu bekommen und damit auch einen verständlichen Satz über die Lippen zu bringen.

"Eleonora Herzig. Wo kann ich sie finden?"

Die rundliche Frau schaute ihn skeptisch unter den dicken Gläsern ihrer Brille an. Ihre Augen schienen überdimensional groß, doch das störte ihn geraden kein bisschen, denn alles was zählte war Elli.

Ohne auch nur weiter ein Wort zu verlieren, tippte sie etwas in ihren alten Computer ein. Das schmatzen, während sie ihren Kaugummi kaute, machte Adrian schier wahnsinnig. Sie war ein totales Klischee und passte perfekt in das Bild, dieses veralteten Krankenhauses.

"Tut mir leid, Wir haben hier keine Patientin namens Eleonora Herzig, da muss ich Sie enttäuschen."

Er wurde ungeduldig und schlug auf den Tisch, doch die Rezeptionistin störte es kein bißchen. Unberührt schaute Sie ihn an.

"Ich muss Sie jetzt bitten-"

"Eleonora, Elli, sie ist gerade bei Ihnen umgekippt. Klein, braunhaarig, dunkle Augen-", unterbrach er sie.

"Ich wiederhole mich, Wir haben hier keine 'Elli' Herzig und wenn Sie nicht freiwillig dieses Krankenhaus verlassen, muss ich Ihnen nachhelfen lassen."

Die Dame wurde ebenfalls ungeduldig und nun auch unfreundlich zu ihm.

Gerade als Adrian ansetzen wollte zu protestieren, kam ein gehetzter Yannik auf ihn zu gerannt.

"Hier!", brüllte er wild mit den Armen fuchtelnd, "er gehört zu mir."

Die Frau verdrehte nur die Augen, nickte aber, um Adrian das Okay zu geben, dass er mit durfte.

"Danke.", bedankte sich Adrian bei Yannik, "wo ist sie? Wie geht's ihr?"

"Kein Ding, sie ist bei Lilly, ihr geht's soweit wieder ganz gut. Wir haben uns Alle schreckliche Sorgen gemacht, aber sie meint es geht wieder.", fing er sogleich an Adrians Frage zu beantworten, welcher bei dem kleinen Wörtchen 'Wir' aufhorchte.

"Wir?"
Adrian wußte, dass sein Vater nicht da war, denn er hätte es nie und nimmer in so einer kurzen Zeit zum Krankenhaus geschafft.

"Charlie ist auch hier. Ich war einfach so verzweifelt und wußte nicht was ich machen soll und du warst so wütend, also hab ich sie angerufen."

Zum einen konnte Adrian verstehen, dass sich Yannik möglicherweise ratlos gefühlt hatte, aber ausgerechnet Charlie? Schließlich hat sie Eleonora verletzt, sie wollte einfach nicht aufhören zu weinen, bis Adrian sie zu Lilly in den Krankenwagen gesetzt hat.

Er wollte lediglich, dass sie sich ein wenig ablenkt und er sich ebenfalls beim Boxen abreagieren konnte, aber das ging wohl nach hinten los.

Adrian machte sich auf das Schlimmste bereit, seine Schwester nervlich am Ende zu sehen. Lilly komplett zerschlagen auf dem Bett sitzend und eine kaltherzige, emotionslose Charlie teilnahmslos daneben. Allein die Vorstellung für ihn war schon grausam.

Er öffnete die Tür und blieb bei dem Anblick wie angewurzelt stehen. Ein helles, weiches Lachen klang ihm in den Ohren. Er kannte es bereits uns er hätte nie gedacht, es jemals wieder zu hören.

Adrian beobachte Charlie und Elli, wie sie sich gemeinsam in den Armen lagen und gar nicht mehr aufhören konnten zu lachen. Lilly lachte ebenfalls, aber man merkte deutlich, wie weh ihr das tat.

"Elli", flüsterte Adrian, die Erleichterung war ihm ins Gesicht geschrieben.
Das lachen verstummte mit einem Mal und Elli sah ihn mit großen Augen an.

"Adi", rief sie überglücklich und warf sich in die Arme ihres großen Bruders. Er war ihr wichtiger als all ihre Besitztümer und als all ihre Freunde. Er hat sie zu derjenigen gemacht, die sie heute ist. Und ihr war es vollkommen egal, für wie kindisch sie jeder hielt. Sie musste nur genug Lebensfreude für sich und ihren Bruder aufbringen.

Adrian schloss seine Arme fest um sie und wollte sie nie wieder los lassen. Sie war für ihn da als es kein anderer war und genauso wird er immer für sie da sein.

Ich beobachte das Geschwisterpaar, wie sie sich gemeinsam in die Arme fielen, die Erleichterung der beiden war greifbar, doch Yannik und ich standen nur unschlüssig daneben.

Man merkte ihm an wie unangenehm es für ihn war, doch ich lächelte nur bei diesem Anblick. So etwas hatte ich nie. Und werde ich wahrscheinlich auch nie haben.

Ich werde keinen haben, der mich so liebt, wie sich die beiden lieben.
Ich werde nie jemanden haben, der mich so unterstützt, wie die beiden.
Ich werde nie jemanden haben, der mich in den Arm nimmt, sodass all meine Sorgen vergehen.

Dieser Gedanke machte mich so unfassbar traurig aber auch unglaublich glücklich für die Beiden. Sie hatten sich, sie brauchen niemand anderen. Sie waren sich genug.

'Ich werde nie jemandem genug sein.'

Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, es ist Sehnsucht, die mir das Leben so unendlich schwer machte.

Ich lasse meinen Blick weiter zur Uhr wandern und als ich realisiere wie spät es ist, springe ich wie von einer Tarantel gestochen auf.

"Verdammt, ich muss nach Hause.", man erkannte die Panik, die in meiner Stimme mit schwang.

"Was ist los?", rief ein beunruhigter Yannik zu mir rüber und dennoch schien er froh darüber, dass die für ihn unangenehme Stille ein Ende hatte.

"Meine Mutter-, ich muss-", fing ich an zu stottern, aber Adrians lachen unterbrach mich so gleich.

"Du bist fast achtzehn, Charlie, was sollte deine Mutter schon großartig machen."
Es war mehr eine Aussage, als eine Frage, doch als ich ansetzen wollte, ihm etwas entgegen zu bringen, kam mir Yannik zuvor.

"Ich bin mit dem Auto hier, ich kann dich nach Hause fahren."

Die Angst vor meiner Mutter war größer, als, dass ich mir Sorgen machte, ob ich ihm nicht zu große Umstände bereitete. Zaghaft nickte ich und bedankte mich für das Angebot. Adrian warf Yannik einen bösen Blick zu, aber dem schenkte ich nicht weiter Beachtung. Ich drehte mich wieder zu Lilly und strich ihr behutsam eine Strähne hinters Ohr.

"Es tut mir so leid, Lilly. So etwas hättest du nie erfahren dürfen, ich hätte früher einschreiten sollen. Es ist alles meine Schuld. Ich hätte einfach mehr da für sich sein müssen. Ich verspreche dir, dass es nie wieder vorkommt, dass ich dich nie wieder im Stich lasse. Es tut mir so leid."

Sanft grinst mich das kleine Mädchen an.
"Du brauchst dich nicht zu entschuldigen Charlie, bitte. Es ist nicht so wild, es verheilt wieder."

Langsam nickte ich, aber glaubte ihr nicht wirklich. So etwas verheilt nicht Kleines glaub mir. Du magst es vielleicht äußerlich irgendwann nicht mehr sehen, aber es werden immer Narben auf deiner Seele bleiben.

Und die wirst du immer mit dir tragen.




Honey BadgerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt