Ich nahm die Tasche zu meiner rechten und wollte gerade aus der Cafeteria laufen, als ein kleines, blondes Mädchen mir ihren fettarmen Naturjoghurt auf meinen grauen Pulli schmierte."Das hast du verdient du Psycho!"
Erschrocken schaute ich sie an, doch eben diese Erschrockenheit wich der unbändigen Wut.Mein Wunsch ihr eine Schelle zu geben wurde so groß, dass ich meine Hand hob und aushole, doch bevor meine Hand auf der Wange des unfreundlichen Mädchens landete, wurde sie von Adrian aufgehalten.
Erbost sah ich ihn an. Wie kann er es wagen sie nach dieser Aktion in Schutz zu nehmen? Was soll ich denn jetzt machen? Ich kann wohl kaum mit einem riesen Fleck auf meinem grauen Strickpullover herumlaufen. Verzweifelt schaute ich mich um, alle Blicke lagen auf mir. Ich gebe ein wütendes schnauben von mir, bevor ich aus der Cafeteria stürmte.
Mir kam eine Idee, die ich zwar grauenhaft fand, aber eine bessere Möglichkeit ist, als weiter mit dem Fleck, der die Größe einer Honigmelone hat, herum zulaufen.
Ich machte mich schnell auf den Weg zu meinem Spind und zog letztlich ein Batman T-shirt hervor, welches ich vor langer Zeit, zur Sicherheit, in Metallschrank gelegt hatte.Ich konnte mich nicht entsinnen, es damals so groß gekauft zu haben, denn jetzt hing das T-shirt wie ein nasser Sack an mir herunter. Kurz kamen mir Zweifel, ob ich überhaupt so rumlaufen konnte. Meine Narben an den Armen waren überdeutlich zu sehen und auch die frischen 'Kratzer' waren kaum zu übersehen.
Meine Gedanken verflogen, als sich die Tür der Mädchentoilette öffnete und Elli zum Vorschein kam.
Erst betrachtete sie skeptisch mein T-shirt und gerade, als ich schon befürchtete, dass sie mich für viel zu Dick hielt, blieb ihr Blick an meinen Armen hängen.
Erschrocken schnappte sie nach Luft.
Zum einen war es mir egal, dass gerade sie es sah, zum anderen jedoch, fühlte ich mich so entblößt, so absolut widerlich, so wütend auf mich selbst.Ja, ich hasste mich regelrecht in diesem Moment dafür und dennoch wusste ich es würde sich nie was ändern. Nicht, bevor ich es nicht beendete.
So schnell es ging drehte ich mich um und zog meine Arme an meinen Oberkörper, damit sie nicht erneut einen Blick darauf werfen konnte. Leise flüsterte sie meinen Namen, doch ich reagierte nicht.
"Wie lange schon?"
Betreten zuckte ich mit den Schultern, denn ich weiß schon lange nicht mehr, wann ich damit angefangen hatte.Ich hatte aufgehört zu zählen, daran zu denken. Das einzige was wirklich zählte war das Moment für mich. Einen Moment völliger Stille, wenn selbst meine Gedanken Ruhe geben. Es war mein Ventil. All die Wut und die Frustration, war mit einem mal wie weggeblasen.
Elli verstand es, ohne, dass ich Worte verwenden musste. Verstand mich, nur durch einen einzigen Blick und das schätzte ich so unglaublich an ihr.
Wortlos reichte sie mir ihre schwarze Strickjacke, die ich mir mit einem dankbaren Lächeln über meine vernarbten, hässlichen Arme streifte."Bitte erzähle keinem davon", flehte ich sie an. Sie quittierte meine Bitte lediglich mit einem resignierten Nicken.
Elli schnappte sich meine Hand und zog mich in eine herzliche Umarmung. Mein ganzer Körper stand unter Strom und ich wußte nicht, wie ich reagieren soll.
Viel zu überfordert war ich mit der Situation, dass mich eine praktisch wildfremde so in ihr Herz schloss.Seufzend schloss ich das zierliche Mädchen in meine Arme und ohne es zu merken, hatte ich sie schon längst in mein Herz geschlossen.
"Danke"
Als die Stille dann doch etwas bedrückend wurde, lösten wir uns von einander und liefen gemeinsam in den Unterricht.Sobald wir das Klassenzimmer betraten, lagen alle Blicke auf Elli und mir. Die Nervosität machte sich in mir breit und ich wurde langsam panisch. Von außen ließ ich mir so gut es geht nichts anmerken, doch Elli ist die einzige die es dennoch zu bemerken schien.
Sie nahm meine Hand, drückte sie kurz und ließ sie dann wieder los. Mit dieser stärkenden Geste liefen wir erhobenen Hauptes in die letzte Reihe zu unseren Plätzen bei Adrian und Yannik.
Beide Männer schauen uns entgeistert an, zogen fast zeitgleich ihren Pullover aus und hielten uns diese hin.
Ich vernahm noch ein "Viel zu kalt", ehe ich mir Adrians Pulli nahm, da der andere schon vergeben war.
Yannick strahlte über das ganze Gesicht, als Elli seinen Pullover entgegen nahm und ihre Finger sich berührten. Adrian musste leicht schmunzeln, als ich den Seinen nahm.
Ich wollte mir den warmen dunkelblauen Pullover anziehen und hob meine Arme, doch bevor ich wirklich reagieren konnte, hob sich das T-shirt so weit, dass es ein Stück meines verwundeten Rückens entblößte.
Im selben Moment schrie die Blondine aus der Cafeteria: "Wußte ich es doch, dass du ein suizidales Miststück bist. Will man sich etwa umbringen, weil Papa einen nicht mehr lieb hat?"
Ihre Stimme triefte nur vor Sarkasmus und Bosheit.Jetzt ist es endgültig um mich geschehen und ich rannte auf das kleine Miststück zu.
"Was hast du gesagt? Wiederhole es!", brüllte ich so laut, dass sie zusammen zuckte und ehe ich's mich versah, donnerte meine Faust in ihr zartes, stark geschminktes Gesicht.
Mir war egal, ob sie litt, sie ging eindeutig zu weit.
Wie eine wild gewordene Furie riss ich an ihren Haaren und bemerke erst nachdem ich von ihr weggezogen wurde, dass ich ihr ein Teil des Haares ausgerissen habe. Nur mühsam erkannte ich, dass diese unecht sind.Im Ring wäre ich schon lange disqualifiziert worden und wer weiß, ob man mich überhaupt je wieder zugelassen hätte, aber dies ist nicht der Ring und genau deshalb pfeiffe ich darauf.
Ich wollte mich wieder auf sie stürzen, als ich merkte, dass ich von Yannik festgehalten wurde. Adrian schob sich zwischen das Miststück und mich und hielt mein Gesicht fest. Er zwang mich praktisch dazu ihn an zu sehen.
Kurzzeitig sah ich etwas, was ich mir wirklich wünschte zu sehen. Spät, jedoch, realisierte ich wer hier vor mir steht und ich starrte ihn wieder erbost an, bevor er mich losließ.
Dem vor mir knieenden Mädchen zischte ich zu, dass wenn auch nur eine einzige Lehrkraft davon erfährt, sie eine tote Frau ist.
Nachdem sie hektisch nickte und vor Angst kein Wort mehr heraus bekam, kehrte ich auf meinen üblichen Platz zurück. Ich tat so, als wäre nie etwas geschehen und auch in der Klasse beruhigte sich alles langsam wieder.
Meine Gedanken flogen in einem wilden Wirrwarr umher, während ich den beruhigenden Duft Adrians in mich aufnahm.
Letzendlich bleibe ich an einer Frage hängen.Warum habe ich mir gewünscht, dass auch nur ein Funken liebevollen Ausdrucks in seinen wunderschönen, grünen Augen liegt?
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Honey Badger
Teen Fiction"Du hast mich verlassen", seine Stimme brach und war kaum mehr ein flüstern. "Du bist gegangen, hast mich allein gelassen. Weisst du wie ich mich gefühlt hatte? Wohl kaum. Es ist nicht immer so wie alles aussieht, Charlie." "Ich weiss sehr wohl, das...