•zehn•

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Erschöpft wollte ich zu Bett gehen. Die ganze Hausarbeit hatte sich ins unermessliche gezogen. Aber daran ins Bett zu gehen, konnte ich nicht weiter denken, als ich den Mustang in unserer Einfahrt hörte. Der Schlüssel, den sie ins Schloss steckte ließ mich schon Böses erahnen. Mein Bauchgefühl verriet mir, dass es kein schöner Abend werden würde.

Mutter betrat den Flur und musterte mich argwöhnisch. Ihr Schuhe kickte sie achtlos von sich und ich bemühte mich, sie ordentlich wieder aufzustellen. Auch die Tasche, die sie achtlos liegen ließ, hob ich auf und verräumte sie. Als ich mich umdrehte, war sie schon verschwunden, jedoch brauchte ich nicht lange zu suchen, da sie mich ins Badezimmer rief.

"Was ist das?", polterte sie sogleich los. Ich sah mich um, Spiegel geputzt in dem gesamten Haus. Der Wasserhahn blitzte, Zahnbürsten und Paste wahren verräumt, die Handtücher ordentlich aufgehängt. Verwirrt sah ich sie an.

Angewidert deutet sie auf meine Haarbürste in der sich ein kleines Büschel Haare befand. Ich wusste irgendwas findet sie.

Wer suchet, der findet.

Wütend beäugte sie mich aber verließ wortlos das Zimmer. Ich machte mich gleich daran die Haare zu entsorgen, bevor sie mich erneut zu sich rief. Diesmal rannte ich ins Wohnzimmer.

"Die Schränke, die Bilderrahmen, die hast du nicht entstaubt. Muss ich denn alles immer selber machen? Und einen Kuchen, kannst du deiner Mutter nicht mal etwas Gutes tun und ihr etwas backen? Ich sorge doch für dich, kannst du dich dafür nicht bedanken, mit einer kleinen Geste? Für deine Freunde kannst du schließlich auch immer etwas machen."

Ich schnaubte verächtlich, welche Freu-

Ich hielt meine glühend heisse Wange. Mit großen Augen starrte ich sie an.

"Komm mir noch einmal so und es bleibt nicht das einzige Mal, dass ich dir Respekt beibringe."

Ich schaute nur auf den Boden und nickte leicht, während ich mit den Tränen kämpfte und mir die Wange hielt.

Es war, als würde sich ein Schalter umlegen, ich schaltete ab.

Die Leere nimmt mich ein, keine Gedanken, keine Gefühle. Licht an, niemand da.

Es ist ein schwer zu beschreibendes Gefühl, doch das einzige, was für mich zählte, ist, ich fühlte nichts.

Ich ließ ihre Worte nicht an mich ran. Ihre Taten ließen mich kalt.

Ich beschützte mich selbst, jetzt, wo es keiner mehr tat.

Ich hörte ihr Geschrei, ihre Wut, ihren Hass. In der Küche polterte es, die Gläser zerbrachen. Ich folgte ihr in die Küche und beobachtete sie dabei, wie sie zum einen Gläser in die Spülmaschine, und zum anderen Töpfe in die Spüle schmiss.

"Kannst du nicht einmal die Spülmaschine einräumen und die Töpfe abwaschen? Was suchen die Töpfe in der Spülmaschine? Was machst du denn den ganzen Tag?
Ach ja, Nichts.
Du machst nichts und du kannst nichts."

Ich kniete mich hin, um die Scherben auf zu sammeln. Vorsichtig hob ich sie auf, als mich Mutter mit ihrem Fuß zu Boden stieß. Aus Reflex fing ich mich mit den Händen auf, wobei sich die Glassplitter tief in meine Handflächen bohrten.

Hörbar zog ich die Luft ein und versuchte mir vereinzelt Splitter aus der Hand zu ziehen. Fassungslos schaute ich sie an.

"Sieh mich nicht so an. Ich war's nicht. Wenn du selbst zu dumm bist, in die Hocke zu gehen und zu Fett um das Gleichgewicht zu halten, kann ich nichts dafür."

Bei der härte ihrer Worte zuckte ich zusammen. Diese Ehrlichkeit hatte mich getroffen.

Zu den Glassplittern in meinen Händen kamen die Splitter meines Herzens. Sie hatte Recht, wie denn auch nicht. Sie ist meine Mutter, Mütter sind ehrlich zu ihren Kindern.

Sie ist ehrlich mehr nicht und das wusste ich. Tief in mir wusste ich, wie recht sie hatte. Ich bin Fett und ich bin ein Nichtsnutz und ich werde nie mehr als das sein.

Mit grausamen Kopfschmerzen wachte ich auf. Ich hatte die Nacht über kaum geschlafen, da ich über alles nachgedacht hatte.

Im Bad entledigte ich mich meiner Klamotten und versuchte, durch eine Dusche, einen klaren Kopf zu kriegen, doch meine Gedanken wollten nicht aufhören, umher zu kreisen. Ich betrachtete meine Handinnenflächen. Gestern Abend durfte ich noch sämtliche kleinen Splitter herausziehen, und die Schnitte desinfizieren. Anschließend verband ich beide Hände noch so gut es ging, doch anders als beim Boxen, wurde ich nicht sofort von Adrenalin durchflutet.

Fertig gemacht stand ich wenig später vor meiner Tür und wartete auf Elli. Dass sie kurz darauf aus dem Nachbarhaus trat, realisierte ich zunächst gar nicht. Erst als Elli vor mir stand, machte sich so etwas wie Neid in mir breit.

"Du und Adrian scheint gut miteinander zu sein. Was läuft da zwischen euch?"
Ein glockenhelles Lachen klingelte mir in den Ohren.

"Manchmal könnte ich ihn echt schlagen, aber er ist dennoch ein guter Bruder. Er ist für mich da, wenn ich ihn brauche, auch wenn ich ihn gestern fast umgebracht hätte",

Elli lacht nervös auf, "aber keine Sorge er gehört dir ganz allein. Allein der Gedanke an ihn, lässt mich schon kotzen."

Verwirrt schaute ich Elli an, als es mir wie Schuppen von den Augen fällt. Geschwister, sie sind Geschwister. Nicht mehr nicht weniger, doch warum wusste ich nie von einer Schwester? Sogleich machte ich meinen Mund auf, um meine Frage zu stellen, aber Elli kam mir zuvor.

"Ich weiß von Adrian und deiner gemeinsamen Vergangenheit, in der ich keine Rolle spielte. Ihr konntet mich gar nicht kennen. Als Adrians Mutter nicht mehr für ihn sorgen konnte, kam er zu uns. Das war eine riesen Tortur kann ich dir sagen, Adi wollte anfangs gar nicht zu Papa, aber er konnte nirgendwo hin. Er hatte niemanden. Aber jetzt kann ich mir unsere Familie gar nicht mehr ohne ihn vorstellen."

Ich schaute Elli mit zusammengezogen Augenbrauen an. "Aber Elisabe- ich meine Adrians Mutter ging es doch gut, als ich fort ging. Wieso konnte sie nicht mehr für ihn sorgen? Wurde sie stationär aufgenommen? Wo ist sie?", ich stand vollkommen auf dem Schlauch.

Betroffen sah sie mich an.
"Du weißt es noch gar nicht oder?"

"Was weiß ich nicht, Elli?"

"Sie ist tot. Adrians Mutter ist, kurz nachdem du gegangen bist, verstorben. Deswegen kam Papa zurück und deswegen ist er bei uns in der Familie. Er hatte niemanden mehr zu dem er konnte, also kam er zu uns-"

Ich hörte ihr schon gar nicht mehr zu, denn ich blieb nur bei einem hängen.

"Sie ist tot."

In diesem Moment kam Adrian aus der Tür und schaute mir in die Augen. Augen, die so viel Leid erleben mussten und an dessen Leid ich nie herankommen werde.

Ich hatte ihn allein gelassen. Etwas, dass ich mir nie verzeihen konnte. Ich hatte ihn in der dunkelsten Stunde seines Lebens allein gelassen.

Und diesmal, dieses eine verdammte Mal, verstand ich seinen Hass.

Honey BadgerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt