Kapitel 9 - one night stand

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Es ist Freitagabend und ich liege in meinem Bett. Auf meinem Schreibtischstuhl sitzt mal wieder Benny und schaut mich an. In der letzten Woche bin ich wirklich zu seiner Therapeutin geworden, aber heute geht es ihm hinsichtlich Vincent ganz gut. Er langweilt sich nur und hat mich daher belagert, dass ich ihm von der Therapie und danach erzähle. Es ist ganz angenehm, doch jemanden zu haben mit dem man darüber reden kann, deshalb habe ich ihm es dann tatsächlich erzählt. Die Reaktionen von Benny waren vorhersehbar und wenig überraschend.

„Ihr habt euch also geküsst?", fragt er gefühlt zum hundertsten Mal nun und klingt noch immer fassungslos.

„Naja, ja schon", sage ich, „Aber richtig zählen tut es eh nicht. Ich meine, er hat noch nicht mal eine Sekunde gedauert! Praktisch haben sich unsere Lippen nur berührt und nicht geküsst."

„Okay, naja, aber komm", meint er und legt den Kopf schief. Er schaut mich an, als wüsste ich doch, dass ich bescheuert bin und mich selbst hier irgendwie belüge.

„Naja, wie, aber komm", sage ich verwirrt und richte mich etwas auf, „Das war gar nichts. Guck, wir hatten halt bisschen zu viel getrunken und dann kommt man eben auf verrückte Ideen. Ich zähle das gar nicht als Kuss. Selbst 3. Klässler können das besser."

„Okay, wow", meint er nur fassungslos und schaut mich dann eindringlich an, „Es mag kein Kuss gewesen sein, verstanden, aber Fakt ist doch, dass ihr euch küssen wollt! Und zwar beide! Und diesmal nicht, weil ihr tun musstet, als seid ihr ein Paar."

„Ach, ich weiß nicht", versuche ich es abzustreiten, was nicht leicht ist, wenn ich dabei auch noch den Pulli von Minho im Schoß habe mit dem ich auf eine Weise wohl kuschele. Dass das hier aber der Pulli von ihm ist, das hat Benny glaube ich eh nicht kapiert.

„Adi!", ruft er nun laut, „Du willst ihn! Und er dich auch."

„Ich mag ihn, ja."

„Und?"

„Nichts mit und. Ich mag ihn. Ende. Wir verstehen uns eben, er ist nett, naja, auf seine Weise. Da ist nichts", rede ich mich dann endlich raus.

„Sicher?"

„Mehr als das", meine ich zwar, aber meine es doch nicht so. Nicht zu 100%, aber das sage ich ihm doch nicht. Das werde ich niemanden sagen.

„Naja, dann lass uns in einen Club gehen", schlägt er vor und ich möchte schon aufstöhnen, aber dazu gibt er mir nicht die Chance, „Du magst Minho ja eh nicht, also nicht für eine Romanze oder immerhin Sex. Dann kannst du dir ja gemeinsam mit uns einen anderen anlachen, nicht wahr?"

„Klar, heute wird ganz Berlin aufgerissen", erwidere ich, aber klinge natürlich wenig euphorisch. Ich hatte noch nie einen One-Night-Stand, denn vor meiner Beziehung mit Felix war ich schon noch ein wenig jung und danach ist es mir zu schwergefallen. Ehrlich gesagt, habe ich auch keine Lust darauf es heute auszuprobieren. Sex klingt zwar gut, aber mit einem Wildfremden? Dafür habe ich nicht die Kraft, also jemanden aufzureißen. Aber jemand, den ich bereits kenne, steht ja auch nicht wirklich zur Verfügung. Ach, Tanzen und Trinken mit den Jungs wird bestimmt auch ganz lustig.

„Gut, dann in 10 Minuten draußen aufm Flur", meint Benny und beginnt aufzustehen.

„Ich brauche 30", meine ich und Benny schaut mich entgleist an, „Ey, ich muss mich schminken und unbedingt etwas mit meinen Haaren machen, also."

„Okay, dann wohl in 5 Stunden", erwidert er nur genervt und augenrollend, aber grinst, als er aus meinem Zimmer geht. Sofort bin ich auf den Beinen und beginne mich fertig zu machen.

Ich brauche tatsächlich nur eine halbe Stunde bis ich vor meinem Spiegel stehe und mich betrachte. Ich trage ein kurzes Kleid, das wirklich so kurz ist, dass es gerade mal die Hälfte meiner Oberschenkel erreicht. Außerdem ist es recht eng und schmiegt sich an meine Rundungen, was mich leicht verunsichert, aber ich rede mir einfach ein, dass es schon gut aussehen wird. Außerdem wird es im Club eh dunkel sein. Dennoch ist das Kleid auffällig. Nicht nur weil es so knapp ist, sondern auch weil es so glitzert. Auf dem dunkelblauen Untergrund finden sich tausende Pailletten, die im kleinsten Licht wild funkeln. Die Aufmerksamkeit wird, ich fürchte es, auf mir liegen, aber es lässt mich besser fühlen und mich selbstbewusster werden, was definitiv Grund ist, dass ich das Kleid anbehalte. Außerdem ist mein Make-Up auf das Kleid abgestimmt und damit ist die Diskussion auch beendet. Mit meinem Haaren konnte ich leider nicht mehr viel anfangen, da die einmal ziemlich fettig sind und den ganzen Tag in einem Zopf waren. Würde ich sie offen tragen, dann würde man diese komische Linie von meinem Haargummi sehen, sowie das Fett an den Haarwurzeln. Nicht sexy, also habe ich sie einfach in einen Dutt gepackt, der ein wenig gewollt unordentlich ist. Jetzt nicke ich mir zufrieden zu, schnappe meine kleine Tasche und trete dann auf den Gang. Natürlich sind die Jungs dort nicht zu finden, weil sie vermutlich nicht erwartet haben, dass ich tatsächlich nur eine halbe Stunde brauche. Aber ich höre Gelächter aus der Küche und gehe daher dorthin. Ich stelle mich in den Türrahmen und beobachte die Jungs, wie sie am Tisch sitzen und schon ein Bier kippen.  Plötzlich richtet sich das blaue Augenpaar von Benny auf mich, was auch Vincent dazu bewegt mich aus seinen grünen Augen anzublicken. Ich selbst mustere die Jungs, während sie mich mustern. Okay, da die beiden nur Jeans und legeres Hemd tragen, bin ich definitiv zu overdressed, aber das ist mir egal.

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