Kapitel 15

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Du konntest die Tränen einfach nicht zurückhalten, zu sehr schmerzte all das Geschehene in dir. Dein Leben war ein einziger Scherbenhaufen, die sich in deinen Körper bohrten und tiefe Wunden hinterließen. Es tat so weh. Du fasstest dir an die Brust. Warum? Wieso passierte dir das alles? Was hattest du getan?
Du konntest nicht glauben, was alles in einer Woche passiert konnte und war. Es fühlte sich alles wie ein Albtraum, in dem du gefangen warst, an. In einer Woche wurde dein ganzes Leben auf Links gedreht, nichts war wie vorher.
Du fühltest dich verraten. Von deinem Vater, der dir einfach eine neue bessere Familie vorgesetzt hatte. Von deinem Bruder, der dich angelogen hatte und dadurch lebensgefährlich verletzt wurde.

Du warst doch im Grunde alleine, schon immer. Du hattest es erst jetzt bemerkt. Keno hatte sich schon lange von dir verabschiedet, leise und heimlich tat er dies. Er ließ dich doch im Stich oder? Du hättest es nicht verhindern können. Und dein Vater? Er ließ euch beide schon lange im Stich und jetzt weißt du auch den Grund. Es waren keine Geschäftsreisen gewesen, sondern er hatte sich jemand neues angelacht.

Du spürtest wie langsam die Wut in dir hoch kam. Du fuhrst dir durch die Haare. "Scheiße, verdammt", knurrtest du und schlugst gegen die gegenüberliegende Wand. Immer wieder hautest du die Fäuste dagegen.
Du warst verzweifelt, ließest einen Schrei los und betrachtest deine geschundenen Knöchel. Blut trat aus den offenen Stellen aus. Du sahst nur die Wunden, den Schmerz spürtest du nicht.
Was hattest du getan? Du fühltest dich so leer. Ein Zuhause, zu dem du zurückkehren konntest, gab es nicht mehr für dich.

Ein Klingeln riss dich aus deinem desorientierten Zustand. Benommen holtest du dein Handy raus, klapptest es auf und sahst den Namen deines Vaters. Augenblicklich legtest du auf. Du wolltest nie wieder was mit dem Arsch zu tun haben. Wieder rief er an. Erneut drücktest du ihn weg. Warum verstand er es nicht? War er so blöd? Du blockiertest seine Nummer. Wie wird es nun weiter gehen? Bestimmt wird dich dein Vater auf der Arbeit suchen, aber warum dachtest du das? Warum will er mit dir reden? Du hattest ihm doch alles gesagt, was du sagen wolltest. Mehr gab es nicht oder?

Wieder fuhrst du dir durch deine langen Haare, die ein Andenken an deine Mutter waren. Es war das einzige, was dir von ihr blieb.
Du wusstest nicht mehr weiter. Eigentlich hielt dich nichts mehr hier oder? Dich hatte man verstoßen wie ein verletztes Häschen. Warum solltest du dein Leben nicht einfach beenden? Das war es was dein Vater wollte oder? So konnte er seine neue Familie genießen, ohne eine verstörte Tochter.
Doch plötzlich schoßen dir die Bilder deines Bruders durch den Kopf. Du schütteltest den Kopf. Dein Leben beenden, konntest du nicht. Du musstest Keno beschützen. Aber vor was?
Du dachtest darüber nach. Wer war eigentlich der Feind? Dein Vater? Die Neue? Mikey oder Hanma? Oder du selbst?
Eigentlich war jeder gegen dich. Doch du konntest nicht alleine gegen alle kämpfen, also musstest du dich entscheiden.
Du nahmst dein Handy, das neben dir lag, und tipptest eine SMS an eine bestimmte Person.

"Das Häschen ist aus ihrem Bau abgehauen, wohnt jetzt unter freiem Himmel.
Trifft sich später mit dem Zwergspitz."

Solltest du das so abschicken? Du hattest dich entschieden, schon bevor du abgehauen warst. Du würdest Hanma folgen, um Mikey zu stürzen. Die Kurznachricht ließ dich ein wenig lächeln. Wie würde der Schwarzblonde drauf reagieren?

Du standest auf, nahmst deine Sachen und suchtest dir eine Apotheke, in der du dir Verbandsmaterial kauftest. Die hilfsbereite Angestellte versorgte dir die Wunden. Dankend verabschiedetest du dich und streuntest durch die Straßen. Du wusstest nicht wohin du gehen solltest, denn niemand sollte in deinen Probleme reingezogen werden.
Irgendwann mittags fandest du ein windgeschützten Platz, in dem du dich erstmal auszuruhtest. Du hattest nicht mehr viel Zeit bevor du verabredet warst.
Erschöpft ließest du dich auf den Boden sinken.
Der Tag nagte an dir und du sehntest dich nur nach einem warmen gemütlichen Bett, in dem du dich verkriechen könntest, doch leider war das nur eine Sehnsucht.

Du nahmst dein Handy raus und schautest auf die Uhr. Es war Zeit, dass du dich auf den Weg machtest.
Du schulterst deine Tasche und gingst zum Treffpunkt.
Solltest du Mikey erzählen was dir passiert war? Du schütteltest den Kopf. Niemand sollte darein gezogen werden. Es war deine Sache.
Egal wie verzweifelt du werden würdest, du musstest durchhalten. Für Keno. 
Mit neuem Mut folgtest du deinem Weg zum Schrein.
Nach einigen Minuten standest du unterhalb des Tempels. Die vielen Stufen beeindruckten dich. Du wusstest nicht wo genau du dich mit ihm triffst. War das jetzt hier oder oben?
Du zucktest mit den Schultern und setztest dich auf die erste Stufe.
Scheinbar warst du zu früh am Treffpunkt angekommen.
Dein Blick wanderte über den Parkplatz. Du  verlorst dich an einem Punkt, den du fixiert hattest. Geistesabwesend riebst du dir deine Hände.
Wieder kamen die negativen Gedanken hoch. Wie konntest du diese aus deinem Kopf verbannen? Du wolltest sie nicht dadrin haben. Du wolltest nicht über den Freitod, der für dich nicht infrage kam, nachdenken. Du wolltest diese blöden und sinnlosen Gedanken irgendwo vergraben, sodass sie niemals zum Vorschein kamen.

Plötzlich tippte dich jemand an. Erschrocken zucktest du zusammen und drehtest dich zur Seite. Neben dir stand Mikey, der dich anlächelte. "Oh bist du schon hier? Hab dich gar nicht bemerkt", gabst du verlegen zu.
"Ja, da bin ich", sprach er und beäugte dich. Er bemerkte das deine beiden Hände einbanderiert waren. Wie das zu stande kam?
Sollte er nachfragen? Vielleicht würdest du auch selber darüber reden.
Der Blonde sah dir auch an, dass dich etwas fertig machte, aber was war es? Es machte ihn schon neugierig. Sein Interesse war geweckt.
Seufzend kratztest du dir am Hinterkopf. "Ich glaub, dass mit dem Training wird nichts", sagtest du und hieltest ihm deine Hände entgegen. "Ich hab mich irgendwie verletzt", gabst du zu. "Wie hast du das denn geschafft?", fragte dein Gegenüber.
Du ließest den Kopf hängen. Irgendwie wusstest du das selber nicht. Die Erinnerung daran waren verschwommen und undurchsichtig.

[Slave to your Mind] | Tokyo Revengers Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt