Kapitel 7

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Vielleicht möchte er auch alleine gelassen werden. Scheinbar kam er hier her um seine Ruhe zu haben.
Zögernd setztest du dich einige Meter weiter, atmetest die kühle durchnässte Abendluft ein.
Dein Blick richtete sich gen Himmel hinauf.
Was solltest du nur machen? Du fühltest dich hilflos.
Du wolltest und konntest nicht nach Hause, denn dort fühltest du dich verloren ohne deinen Bruder. Es war nicht mehr dein Zufluchtsort. Es war jetzt nur noch eine Wohnung voller Erinnerungen an eine geliebte Person, die körperlich da war, aber war sie es auch mit dem Geiste? War noch dein Bruder in dieser menschlichen Hülle?
Du wusstest es nicht genau, aber du warst dir sicher tief in dem Körper steckte Keno.
Irgendwo.

Wieder tauchten die Bilder von ihm, wie er im Bett lag, auf. Schluchzend kauertest du an der Wand des Krankenhauses. Was war nur passiert? Wer hat ihm das angetan? Wer hat ihn gefunden? Du würdest ihn das so gerne selber fragen, doch er reagierte auf nichts.

Es kreisten so viele Fragen in deinem Kopf herum, auf die du keine Antworten fandest.
"Scheiße, Keno. Ich will nicht alleine bleiben", flüstertest du immer wieder.
Könntest du alles alleine schaffen? Du warst dir da nicht so sicher.
Du wischtest deine Tränen weg, atmetest tief ein und aus.

Ab jetzt musstest du stärker sein, als vorher. Du wolltest, nein du musstest, ihn beschützen. Keno sollte die Zeit bekommen, die er brauchte um wieder fit zu werden. Du warst dir sicher, dass dein Bruder das schaffen wird.
Irgendwann würde er wieder da sein. Mit dir an seiner Seite lachen und das Leben genießen.

Voller Zuversicht standest du auf, machtest dich auf den Weg zu ihm, setztest dich auf den Stuhl und streicheltest seine Hand.
"Keno, ich lass dich nicht im Stich. Egal, was die Ärzte sagen", sprachtest du und fuhrst die feinen Linien in seiner Hand nach.
"Du bist doch mein Ein und Alles. Ich werde immer für sich da sein", nuscheltest du und wieder kamen die Tränen, tropften auf die Hand und Decke.

Du legtest deinen Kopf aufs Bett. Wie solltest du nun weiter machen ohne ihn? Du kanntest doch nur ein Leben mit deinem Bruder.
"Tu mir das nicht an, Keno", murmeltest du.  Du warst so erschöpft. Müde von den Tränen, die so zahlreich über dein Gesicht flossen, schlossest du deine Augen.
Du weintest dich langsam in einen unruhigen Schlaf.

Immer wieder tauchten die absurdesten Bilder vor deinem Auge auf. Du fieltest immer tiefer in ein dunkles Loch. Ab und an erschien dein Bruder wie er in einer Seitengasse lag. Blutüberströmt, nach Hilfe schreiend. Doch niemand hörte ihn. Jeder ging am Körper vorbei, schenkte ihm keinerlei Beachtung. Du versuchtest ihm zu helfen, doch du konntest ihn nicht anfassen. Du fasstest durch ihn hindurch.
Deine Stimme versagte, als du nach Hilfe brülltest. Wieso kam kein Ton raus? Du wolltest ihm doch helfen. Doch du konntest nur tatenlos zu sehen.
Da tauchte eine schwarze Gestalt auf, half Keno.
Wer war das?  Du ranntest zu dieser, doch du erkanntest diese nicht. Sie verschwamm immer mehr. Du spürtest trotzdem eine kalte Hand an dir.

Ruckartig wachtest du auf. Was war das? Irritiert schautest du dich um. Neben dir stand dein Vater, berührte deine Schulter und sah auf dich herab.
Schlagartig warst du wach. Böse funkeltest du deinen Vater an.
"Ach, bist du auch schon da", kommentiertest du sein Verhalten.
"Dir auch einen schönen guten Morgen", sprach er seelenruhig. Wie du sein Verhalten hasstest. Er tat so, als wäre alles in Ordnung.
"Schön ist er nicht. Denn Keno liegt im Koma", sagtest du, standest auf und strecktest dich ausgiebig.
Es war keine gute Idee auf dem Stuhl zu schlafen.
"Ich weiß. Das ist wirklich schrecklich, was passiert ist", sprach er. Du sahst ihn wütend an. Das konnte nicht sein Ernst sein? Er sprach so monoton darüber, als wäre nichts schlimmes passiert.
Du wurdest wütender. "Bist du gar nicht geschockt, dass Keno vielleicht...", knurrtest du. Du wolltest es nicht aussprechen. Du wolltest es nicht wahrhaben.
"Das er nicht mehr aufwacht? Kleine, die Ärzte geben ihm wenig Hoffnung", sagte dein Vater seelenruhig.
Du balltest deine Hand. "Er ist noch da drin. Ich weiß es, Hayate", brülltest du ihn an. Wieso verstand er das nicht? So konnte er doch nicht mit deinem Bruder umgehen. Was fiel ihm ein?
Er hatte doch keine Ahnung. Dein Vater kümmert sich ja null um euch. Er war tagelang weg. Wäre Hayate regelmäßig zu Hause, dann müsstet Keno und du nicht so oft arbeiten.
Du sahst wie dein Vater den Kopf schüttelte.
"Seh es doch ein. Er wird nie wieder der Selbe sein", bemerkte er.
"Sieh du es ein, dass das alles deine Schuld ist. Wärst du mal daheim geblieben, müsste Keno nicht so lange arbeiten und das wäre niemals passiert", fauchtest du und wolltest gerade gehen.
Dich machte sein desinteressiertes Verhalten so sauer. Wieso war er so?
Doch da packte dich dein Vater am Handgelenk, zwang dich ihn anzusehen. In einem Moment rochest du etwas, was dir noch nie aufgefallen war. Dein Vater roch nach Alkohol. Hatte er wieder getrunken?
Du erkanntest ihn nicht, denn er schaute dich zornig an.
"Was fällt dir ein so mit mir zu reden? Ich arbeite für euch, Tag und Nacht und das ist der Dank?", schrie er dich an und verpasst dir eine Ohrfeige.

Du schautest ihn geschockt an. Warum? Du rissest dich von ihm los, stürmtest aus dem Zimmer raus. Du ranntest nach oben aufs Dach des Krankenhauses.
Zitternd atmetest du schnell ein und aus. Tränen rannten dir übers Gesicht. Warum hatte er dich geschlagen? Wieso passiert dir das gerade?
Du sacktest zusammen. Dir war alles zu viel.

Heulend saßt du auf den Boden. Du wusstest nicht weiter. Du warst alleine. Niemand ist mehr für dich da.
Du kauertest dich zusammen. Dir fehlte dein Bruder. Er würde dich beschützen und euren Vater zur Sau machen.
Du schafftest es nicht. Deine Wut gegen ihn schnürte alles bei dir zu.

"Hey, ist alles in Ordnung?", fragte dich jemand.
Du schautest hoch. Im ersten Moment dachtest du vor dir stände fein Bruder, doch im zweiten erkanntest du jemand anderes. Du blinzeltest paar Mal.
Dir gegenüber stand ein blonder Junge, der seine Haare nach hinten gekämmte hatte. Seine Augen, die keinerlei Emotionen zeigten, starrten dich an.
"Ja, alles gut", logst du, wischtest deine Tränen weg und versuchtest zu lächeln. Doch es klappte nicht so recht.

[Slave to your Mind] | Tokyo Revengers Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt