Kapitel 19

62 10 0
                                    

Remus wachte von sich nähernden Schritten auf. Er lag auf dem Rücken und spürte kalten Stein unter sich. Seine Hände waren an einer Halterung über ihm befestigt und Ketten schnitten ihm tief ins Fleisch. In seinen Knochen lag noch immer die tiefe Müdigkeit, die ihn die Nacht über gebändigt und zu einem harmlosen Wolf gemacht hatte. Doch er war wach und öffnete vorsichtig seine Augen. Er stöhnte leise, als ihn grelles Licht blendete und in die Augen stach. Blinzelnd richtete er sich auf und rappelte sich vorsichtig an der Wand hoch, an der seine Hände gefesselt waren. Er blieb mit dem Rücken dagegengepresst sitzen und sah sich langsam um. Er befand sich in einem mittelgroßen Raum mit kahlen Wänden und einem kleinen Fenster an der gegenüberliegenden Wand. Rechts befand sich eine offene Tür aus Holz. Er lehnte seinen dröhnenden Kopf gegen die Wand und widerstand dem Drang, seine Augen einfach wieder zu schließen. Er musste sich umschauen und nach einem möglichen Fluchttweg suchen.

Er schob sich an der Wand entlang und versuchte, durch die Tür zu schauen, aber er konnte bloß einen weiteren Raum mit ein paar Fenstern sehen. Eine weitere Tür war nicht in seinem Blickfeld. Er verrenkte den Kopf und kroch weiter, doch es war aussichtslos. Die Handfesseln zogen sich in einer gefährlichen Enge zusammen und er stöhnte vor Schmerz auf. Erfolglos kehrte er zurück und versuchte, die Ketten um seine Hände ein wenig zu lockern. Als es nichts brachte, erhob er sich langsam, den stärker werdenden Schmerz ignorierend. Als er schließlich auf einer geeigneten Höhe war, irgendwo zwischen stehen und hocken, blickte er nach vorne und erhaschte einen Blick auf Schnee und Bäume, die vor dem Fenster standen und den Blick auf den Himmel verwehrten.

Seufzend rutschte er wieder an der Wand hinab. Er hatte richtig gelegen. Er befand sich im Wald. Seltsamerweise fielen ihm wieder Bonbons Worte ein.

Im tiefsten Wald, am hellichten Tag...

Das ergab durchaus Sinn. Bonbon hatte geklungen, als würde er etwas vorhersehen. Offenbar hatte er genau dieses Ereignis prophezeit. Er befand sich im tiefsten Wald, den er kannte, und es war am hellichten Tag, denn obwohl die Bäume die Sonne mit ihren knorrigen Ästen verdeckten, strahlte sie hell und kraftvoll und wurde vom Schnee reflektiert, der die Landschaft zierte.

Hätte Bonbon gewusst, dass er Remus' Tod prophezeite, hätte er es ihm wahrscheinlich nicht gesagt.

Remus sah an sich herab, auf der Suche nach seinem Zauberstab, obwohl er wusste, dass seine geliebte Waffe nicht mehr da war. Die Todesser mussten sie ihm abgenommen haben.

Er seufzte erneut und ließ sich gegen die Wand sinken, während er nachdachte, wie er Tritacaccia entkommen könnte. Doch die Situation erschien ihm auswegslos. Er wunderte sich, warum er nicht schon längst tot war, aber vielleicht wollte der Todesser das Vergnügen haben, Remus als Mensch umzubringen und ihm währenddessen in die Augen schauen.

Kleiner Spaß, großes Vergnügen...

Alles schien zu passen. Das ganze Rätsel bedeutete am Ende nur, dass er, Remus, sterben würde. Plötzlich fiel ihm wieder die übertriebene Führsorge in Bonbons Brief ein.

Halte dich von Schwierigkeiten fern. Pass auf dich auf.

Er muss es gewusst haben, tief in ihm drin. Sein Instinkt hatte ihm geraten, Remus zu warnen, obwohl er nicht wusste, wovor. Remus stiegen beinahe die Tränen in die Augen, als er feststellte, dass Bonbon ihn schützen wollte, genau wie Tonks ihn schützen wollte.

Tonks.

Seine Gedanken blieben an ihr hängen und er dachte an die junge, tollpatschige Aurorin, die bei ihrem Abschied stumm geweint hatte. Hoffentlich ging es ihr gut. Sie war bestimmt direkt zum Grimauldplatz appariert, wo sie sicher war. Schließlich hatte seine ganze Aktion ihr gedient, um sie zu schützen.

Winter Mission (Adventskalender 2021)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt