4. Kapitel

928 43 5
                                    

Die Kammer des Schreckens lag verlassen vor mir. Wenn mein Herz noch schlagen würde, würde es vor Aufregung rasen. Mit langsamen Schritten ging ich weiter. Mein Blick glitt langsam durch den großen Raum, der die Höhe einer Kathedrale hatte. Aber sie war nicht das Haus des Gottes, sondern das des Teufels.
Zweifel regten sich in mir. Konnte Riddle mir wirklich helfen oder war das nur eine Falle?

"Du bist gekommen", eine kühle Stimme riss mich aus meinen Betrachtungen. Ich erschrack nicht, sondern war beinahe erleichtert, dass er aufgetaucht war.

"Ja", erwiderte ich knapp. Er musterte mich langsam. Seine Umrisse waren verschwommen. Obwohl ich so nahe bei ihm stand, waren wir getrennt. Die Sehnsucht zog mir das Herz zusammen. Ich wollte nicht nur leben, sondern auch die Liebe, die ich empfand, fühlen. Mein Blick blieb an seinen Lippen hängen.

"Ich wusste es, du bist mir schon lange verfallen", ein höhnisches Lächeln umspielte seine Lippen. Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Es widerte mich an, dass er mich für so selbstverständlich hielt. Ich hasste das Gefühl, dass ich nichts wert war.

Ein verächtliches Schnauben konnte ich nicht unterdrücken.
"Glaub nicht, dass deine Wirkung auf mich so groß ist. Vielleicht ist das ja Teil meines Planes", fauchte ich. Riddle hob nur spöttisch eine Augenbraue.

"Nein, dafür bist du zu naiv", antwortete er kalt. Ich konnte es nicht fassen. Die Abneigung in mir wuchs. Dieser kalte Zorn, der mich plötzlich erfüllte, kam mir so unbekannt vor, als hätte ich nicht davon gewusst, dass diese dunkle Seite in mir war. Statt einer Antwort presste ich die Zähne zusammen und beherrschte mich. Erst musste er mir aus diesem verdammten Leben helfen, dann konnte ich ihm immer noch das Gegenteil beweisen. Wenn er das überhaupt konnte und mich nicht ohne Grund hier her gelockt hatte.

"Jetzt komm mit oder willst du doch Dumbledores Schoßhündchen bleiben?", fuhr Riddle fort und der Spott war nicht ganz aus seiner Stimme verschwunden. Ich zwang mich zur Ruhe. Überstürtztes Handeln würde mir nicht weiterhelfen.

"Zeig mir, dass du nicht lügst", knurrte ich und Riddle gab mir ein Zeichen ihm zu folgen. Er führte mich tiefer in die Kammer. Aufmerksam sah ich mich um, aber konnte nichts entdecken, dass mir tatsächlich weiterhelfen konnte.
Als wir an einer der steinernen Statuen vorbeikamen, stoppte ich augenblicklich. Der Schreck fuhr mir durch die Glieder. Ein kleines Mädchen lag auf dem Boden, das fuchsrote, lange Haar war wie ein Fächer ausgebreitet und in der Hand hielt sie ein Tagebuch. Ginny Weasley.

"Was ist mit ihr? Ist sie tot?", hauchte ich und meine Stimme zitterte, als ich mich zu Riddle umdrehte, der die Ruhe selbst war. Aber eine gefährliche, kalte Ruhe.

"Nein, sie lebt und ihr wird vorerst auch nichts zustoßen. Ich brauche sie noch", erklärte Riddle. Ich schluckte schwer und wusste nicht, ob es gut oder schlecht war, dass er sie noch brauchte. Ich kniete mich neben Ginny und streckte meine transparente Hand nach ihr aus. Ich hätte sie so gerne kurz berührt nur um sicherzugehen, dass in ihr wirklich noch Leben war. Doch auch das konnte ich nicht mehr. Ich würde einfach durch den Körper hindurchgleiten und rein gar nichts spüren.

"Du bist zu weich. Dir kann egal sein, was mit der kleinen Blutsverräterin passiert", bemerkte Riddle verächtlich. Ich verspannte mich. Er wusste ganz genau, wie er mich provozieren konnte. Trotzdem zügelte ich meine Wut noch und erhob mich.

"Dann bring mich in die Vergangenheit", verlangte ich entschlossen, "Zeig mir, dass du mächtig genug bist." Riddles Blick glitt langsam über mein Gesicht, als möchte er herausfinden, ob ich mich über ihn lustig machen wollte oder nicht. Aber ich verzog keine Miene.

Er hob das Tagebuch auf und strich sanft über den ledernen Einband.
"Das ist der Schlüssel zur Vergangenheit", erklärte er leise und Zufriedenheit schwang in seiner Stimme mit, "Da du selbst ein Teil dieser Zeit bist, wird es kein Problem sein sich dort aufzuhalten." Er schlug das dünne Buch auf. Es strahlte ein helles unheimliches Licht aus. Unwillkürlich war ich zurückgewichen. Riddle bemerkte das natürlich, aber verkniff sich einen Kommentar.

"Folg mir", befahl er mir mit einer Stimme, die kein Widerwort zulies. Doch ich hatte auch nicht vor mich zu wehren. Der Wunsch in mir zu leben, brannte so heftig, dass ich alle Vorsicht vergaß. Ich wollte einfach nur weg.

Kaum berührte Riddle das gleisende Licht verschwand er. Ich zögerte nicht. Mit zwei schnellen Schritten erreichte ich den Lichtstrahl und streckte die Hand danach aus. Augenblicklich wurde alles schwarz und ich hatte das Gefühl zu fallen, ohne dass ich mich irgendwo festhalten konnte. Seltsamerweise hatte ich keine Angst. Es war eher das Gefühl nach Hause zu kommen.

Auf einmal spürte ich wieder den Boden unter meinen Füßen. Langsam öffnete ich die Augen und sah mich um. Ich befand mich immer noch in der Kammer des Schreckens. Auf dem ersten Blick sah alles gleich aus, aber etwas war anders. Im nächsten Moment wurde mir bewusst, was anders war. Ich hatte zu kalt. Das erste mal seit Jahrzehten fühlte ich Kälte.

Kurz konnte ich es einfach nicht glauben. Wie konnte das möglich sein?

Tränen traten in meine Augen, als ich an mir herab sah. Mein Körper hatte wieder Gestalt angenommen. Ich war nicht mehr ein grauer Schatten, sondern erstrahlte in neuen Leben. Das graue Kleid, das ich immer trug, erblühte wieder in einem hellen Blau. Der Stoff schmiegte sich sanft an meine Haut und die Kälte der verborgenen Kammer drang durch den dünnen Stoff. Ich schluchzte leise auf. Wie lange hatte ich darauf gewartet? Wie lange hatte ich darauf gehofft erneut zu leben? Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so befreit gefühlt. Es fühlte sich an, als wäre ich neu geboren. Ich fühlte mich leicht und hatte die Ketten endlich abgelegt.

"Willkommen zurück", Riddles kühle Stimme holte mich aus meinen Gedanken. Ich drehte mich zu ihm um. Ich war ihm dankbar, aber die Worte von vorhin spukten noch durch meinem Kopf. Er hatte meinen Stolz verletzt, indem er mich, als naiv bezeichnet hatte.

Kurz musterte ich ihn nur. Mein Blick blieb an seinen weichen, leicht geschwungenen Lippen hängen und ein Kribbeln machte sich in mir breit. Wie gerne würde ich ihn küssen. Doch damit würde ich ihm nur Recht geben, dass ich ohne ihn nicht konnte.

"Nenn mich nie wieder naiv", stellte ich deshalb klar und bevor ich mich zurückhalten konnte, holte ich mit der Hand aus und verpasste ihm eine Ohrfeige.

Mein Zorn verrauchte. Ein gefährliches Glitzern trat in Riddles Augen, das mehr sagte, als Worte. Er machte einen Schritt auf mich zu. Mir wurde bewusst, dass ich zu weit gegangen war. Doch ich bereute meine Aktion nicht. Riddle sollte verstehen, dass er mit mir nicht umgehen konnte, wie er wollte.

Loving you has no time (Tom Riddle FF)Where stories live. Discover now