21. Kapitel

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Erzähler:

Nervös stand der blonde Mann im Wohnzimmer. Sein Blick war auf dem grünen Vorhang gerichtet, der die Dunkelheit der Nacht aus dem Raum sperrte. Die Kerzen, welche auf dem Fensterbrett standen waren gedimmt.

Während Abraxas unruhig auf und ab wanderte, floss eine tiefe Unruhe durch seine Adern und schien, ihn immer tiefer in einen Abgrund zu ziehen. Er hatte Angst, dass der Mann seine Anspannung bemerken würde und er sich verraten würde. Er konnte nicht zulassen, dass Amanda oder ihrem Kind etwas passierte, das würde er sich nie verzeihen.

Ein leises Klopfen an der Tür ließ ihn zusammenzucken. Ein letztes Mal holte er tief Luft, bevor er die Tür öffnete und leise in die kalte Nacht schlüpfte. Es war kalt und der kühle Wind zerrte an der dünnen, schwarzen Anzugsjacke, die er sich hastig übergezogen hatte. Er sah sich um. Als seine Augen sich langsam an die Dunkelheit gewöhnten, entdeckte er den Mann, der nur einige Meter entfernt stand. Sein langer, schwarzer Umhang ließ seine Gestalt beinahe völlig mit der Nacht verschmelzen und er sah aus, als käme er aus einem Alptraum. Nur sein blasses, hübsches Gesicht passte nicht zu seiner sonstigen Erscheinung.

"Malfoy, ich bin froh dich zu sehen", Riddles Stimme klang nicht wirklich nach Wiedersehensfreude und er schaffte es sogar diesen guten Worte eine bedrohliche Stimmung zu verpassen.

"Die Freude ist ganz meinerseits", erwiderte Abraxas und er schaffte es seiner Stimme einen neutralen Ton zu geben.

"Lüg mich nicht an", knurrte Riddle und Abraxas musste seine ganze Kraft zusammennehmen, um seinen unbewegten Gesichtsausdruck beizubehalten. Er selbst hatte nicht Angst vor Riddle, aber er hatte Angst, dass Amanda etwas passieren könnte.

"Amanda, ist mir entwischt. Sie und Rachel sind abgehauen und ich bin mir sicher, dass sie mir etwas verschweigt", Abraxas nahm Riddles Worte kaum wahr. Stattdessen war sein Blick gebannt auf den Zauberstab gerichtet, den Riddle langsam aus der Tasche seines Umhangs zog. Seine bleichen Finger strichen über das dunkle Holz und er ließ Abraxas nicht aus den Augen, während er scheinbar gelangweilt mit dem Stab spielte.

"Ihr seid euch während euerer Schulzeit immer sehr nahe gestanden. Ich bin mir sicher, Amanda wird irgendwann zu dir kommen und sich dir anvertrauen", fuhr Riddle langsam fort. Endlich schaffte Abraxas es den Blick von dem Zauberstab zu lösen und stattdessen in Riddles kalte, grüne Augen zu sehen.

"Oder ist sie bereits bei dir aufgetaucht, Malfoy?", Riddles Stimme war kaum lauter als ein lauerndes Wispern, das Abraxas einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Dieser Mann war nur schwer durchschaubar. Seine List und seine Kälte machten ihn beinahe unbesiegbar. Aber Abraxas wollte es versuchen, sich nicht einschüchtern zu lassen.

"Nein, noch nicht. Ich befürchte, dass sie mir nicht mehr traut, seit wir befreundet sind", Abraxas reckte ein wenig das Kinn und bemühte sich fest in Riddles kalte Augen zu starren. Befreundet. Beinahe musste Abraxas freudlos auflachen. Riddle hatte keine Freunde. Er hatte Untergegebene.

"Benachrichtige mich, wenn sie bei dir auftaucht", meinte Riddle knapp, bevor er sich umdrehte und in Richtung der Gartentür schlenderte. Abraxas stieß erleichtert die angehaltene Luft aus. Kurz bevor er sie erreichte, wandte er sich ein letztes Mal zu Abraxas um, der sich erneut anspannte.

"Lass dir nur so viel gesagt sein. Mich möchte man nicht als Feind haben."

Amanda:

Meine Finger fuhren durch sein dunkles Haar und ich konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Seine Augen waren stattdessen starr auf den See vor uns gerichtet, der in der untergehenden Sonne blitzte und funkelte, wie Diamanten. Aber ich würdigte dem Naturschauspiel keines Blickes, sondern behielt meinen Blick fest auf Tom Riddle gerichtet. Meine Finger strichen langsam über seine Wange, tiefer, seinem markanten Kiefer entlang.

Endlich wandte er sich mir zu. Meine Fingerspitzen berührten sein Lippen, bevor ich mich vorbeugte, um ihn zu küssen.
"Ich liebe dich", wisperte ich und es fühlte sich so unglaublich gut an, diese Worte endlich auszusprechen. Etwas veränderte sich in Riddles Blick. Langsam erschien wieder diese Kälte in seinen Augen, die ich nur zu gut kannte. Aber ich wollte die Gefahr nicht sehen und legte stattdessen endlich meine Lippen auf seine.

Erschrocken keuchte ich auf, als er mich von sich stieß.
"Du liebst mich nicht! Sonst würdest du nicht von mir davon laufen!", knurrte er und langsam veränderte sich das Bild. Dunkle Wolken zogen auf und bauten sich bedrohlich vor mir auf. Die Sonne war verschwunden, als hätte sie nie existiert. Stattdessen breitete sich eine tiefe Dunkelheit um mir aus. Ich sah nichts mehr. Es war als hätte mir jemand eine schwarze Decke über das Gesicht gestülpt. Ich sah nichts, hörte nichts, roch nichts. Panik machte sich in mir breit und schnürte mir die Luft ab.

"Amanda", jemand schüttelte mich. Eine Hand griff nach meinem Arm. Ich klammerte mich an diese Berührung, wie eine Ertrinkende. Es war das Einzige, das ich in dieser endlosen Schwärze verspürte.

"Amanda! Bitte wach auf!", die Berührung wurde drängender. Jemand schüttelte mich sanft. Endlich schlug ich die Augen auf. Ein mir vertrautes Gesicht erschien vor mir und ich wusste nicht, ob dieses Gefühl in mir Enttäuschung oder Erleichterung war, dass dieser Mann vor mir nicht Riddle war.

"Was ist los, Abraxas?", meine Stimme war noch heiser und ich richtete mich mit Schwierigkeiten auf. Das Kind in mir war herangewachsen. Wie bitter war der Gedanke, dass Familien sich jetzt normalerweise nicht mehr halten konnten vor Vorfreude und gespannt auf die Tritte des Babys im Bauch der Schwangeren warteten. Aber ich hatte keine Mann mit dem ich diese Erfahrung teilen konnte und hatte nur höllische Angst vor weiteren Schmerzen und der Zukunft. Was sollte aus meinem Kind werden, wenn ich mich vielleicht schon bald wieder in einer anderen Zeit befinden würde?

"Amanda, du musst hier weg! Riddle hat den Verdacht, dass du hier herkommen wirst. Ich habe mit ihm gesprochen", augenblicklich war ich hellwach. Erschrocken richtete ich ganz auf. Rachel stand bereits in meiner Zimmertür. Sie war bleich und kaute nervös auf ihrer Unterlippe. Wohin sollten wir gehen?

"Ich will nicht riskieren, dass du dein Kind hier gebärst und keine Möglichkeit zur Flucht mehr hast", fuhr Abraxas fort und Sorge spiegelte sich in seinen Augen. Ich hinterfragte Abraxas Informationsquellen nicht. Er war ein Anhänger von Riddle, aber ich wusste, dass ich ihm vertrauen konnte. Abraxas war es schon immer wichtiger gewesen Leben zu retten, als es auszuliefern. Ich wusste nicht, woher dieses blinde Vertrauen überhaupt kam. Hatte ich in meinem letzten Leben auch schon so blind vertraut?

"Du musst ins Sankt Mungo Hospital. Keiner von uns hat eine Ahnung, wie eine Geburt funktioniert", meinte Abraxas und raufte sich verzweifelt das sonst so glatte Haar, "Außerdem wird Riddle dich nicht in der Öffentlichkeit erwarten. Glaub mir, dort bist du sicherer als in meinen Händen."

Aber ich fühlte mich nicht sicherer in fremden Händen. Abraxas war alles an Familie, was ich hatte. Auf ihm war immer Verlass und ich wollte ihn nicht in einer solchen Situation zurücklassen.

"Er hat Recht, Amanda", Rachels vorsichtiger Einwurf veranlasste mich dazu, aufzublicken. So schwer es mir auch fiel, die Argumente klangen einleuchtend. Ich nickte und erhob mich vorsichtig. Wie auch immer dies alles enden würde, ich schwor mir, dass ich wenigstens mein Kind in Sicherheit bringen und nicht Riddles manipulierenden Händen überlassen würde.

Aber dann kamen mir Riddles Worte aus meinem Traum wieder in den Sinn. Du liebst mich nicht. Sonst würdest du nicht von mir davonlaufen. Stimmte das? War es falsch Riddle nicht wenigstens die Wahrheit zu sagen?

Ich schob die Gedanken zur Seite und packte meine wenigen Sachen zusammen.

Loving you has no time (Tom Riddle FF)Where stories live. Discover now