30. Teil: eine Deckenburg

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Meine Tränen liefen über Stunden hinweg über meine Wangen, hinterließen heiße Spuren und durchnässten das Zierkissen auf dem ich lag. Irgendwann schmerzte meine Augen so sehr, dass ich sie kaum noch öffnen konnte.

Seit meinem Telefonat mit Lukes waren mittlerweile drei Stunden vergangen. Drei Stunden, in denen ich nur weinend auf dem Sofa gelegen war. Drei Stunden, in denen sich Russell weder gemeldet hatte, noch nach Hause gekommen war.

Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Russell blieb weiterhin weg und ich fühlte mich miserabel. Ich hatte ihn von mir gestoßen und ihn sogar aus der Wohnung gejagt. Ich hatte ihn so weit weggejagt, dass er sogar wissentlich sein Handy zuhause gelassen hatte.

Schuldgefühle zerfraßen mich von innen heraus, während ich mich gleichzeitig schämte. Ich schämte mich so sehr.

Warum musste ich auch betteln? Warum musste ich mich wie ein verdammte Omega benehmen? Warum konnte ich nicht einmal über meinen Gefühlen stehen? Russell hätte sicherlich weitergemacht. In seinem Tempo, nach seinen Vorlieben, aber das konnte ich nicht erwarten und hatte stattdessen alles kaputt gemacht.

Ich war müde, mein Körper schmerzte, mein Kopf wummerte von meinen vielen Gedanken und ich wollte einfach nur noch schlafen. Gleichzeitig wollte ich mich jedoch nicht in unser Bett legen. Es fühlte sich falsch an dort zu liegen, weshalb ich mit einer viel zu dünnen Sofadecke auf der Couch lag und versuchte mich irgendwie warm zu halten. Mein Magen knurrte, aber allein der Gedanke etwas zu essen, löste ein ungutes Gefühl in mir aus. Meine Jungen zappelten überraschend agil in meinem Bauch, was mich einerseits erfreute, andererseits noch trauriger Stimme. Russell würde es schon wieder nicht miterleben.

Ich fühlte mich so schrecklich, dass ich sogar kurz überlegt hatte, einfach zurück in meine Wohnung zu gehen, aber die Angst, das Haus zu verlassen, war zu präsent, wodurch ich mich einfach auf dem Sofa zusammengekauert hatte. Irgendwie fühlte ich mich jedoch sogar dort unsicher, weshalb ich, wie damals mit meinem Bruder, anfing eine Höhle aus Kissen und Decken zu bauen und mich darin versteckte. Der Boden war unangenehm hart, aber die Decke, auf der ich lag, dämpfte es ein wenig ab. Außerdem erwärmte sich der enge Raum recht schnell, wodurch ich auch nicht mehr so fror.

Die Deckenburg erinnerte mich an die Kindheit mit meinem Bruder.
Ich hatte sogar einen Moment lang überlegt, meinen Bruder anzurufen, aber nach unserem Streit, brachte ich es nicht über mich. Ich war gerade nicht in der Verfassung noch mehr Negatives zu hören.

Morgen würde ich Russell fragen, ob er mich nach Hause brachte.

Ich wusste nicht, was ich fühlen sollte. Der Schmerz war viel zu präsent, als dass ich etwas anderes spüren könnte. Es war einfach nur verdammt schmerzhaft.

Dass ich irgendwann doch eingeschlafen war, wunderte mich tatsächlich. Es war ein unruhiger Schlaf, der durch das Zittern meiner Gliedmaßen nur noch weiter geschwächt wurde.

Schlussendlich waren es leise Stimmen, die mich aus meinem Schlaf rissen. Im Halbschlaf verfiel ich nicht einmal in Panik. Im Halbschlaf war mein Schmerz kaum spürbar, lediglich mein Schlafdefizit war bemerkbar und die Kälte, die mich weiter zittern ließ.

„Fuck, was hab ich nur getan." Es war der erste Satz, den mein verschlafenes Gehirn verstehen konnte. Ich zuckte verschreckt zusammen, als jemand über meine Stirn strich.

„Er ist ganz kalt", murmelte die Stimme weiter und im nächsten Moment spürte ich starke Arme, die mich hochhob. Mein Kopf fiel kraftlos gegen seine Schulter und als mir sein bekannter Duft in die Nase stieg, quollen neue Tränen heraus.

Russell. Russell war nach Hause gekommen.

„Bring ihn ins Bett und decke ihn gut zu. Nicht, dass er sich noch erkältet." War das Lukes? „Ich mache noch eine Wärmflasche."

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