8. /das Starren/

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›ꜱᴇɪɴᴇ ʙʟɪᴄᴋᴇ, ꜱᴇᴛᴢᴇɴ ꜱɪᴄʜ ꜰᴇꜱᴛ. ᴠᴇʀʀᴀᴛᴇɴ ᴍɪʀ ꜱᴇɪɴᴇ ʙᴇɢɪᴇʀᴅᴇ.‹

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Stumm und festgewachsen, erstarrt und regungslos. Gedanken schwirren umher, finden keinen Hang, fegen den Kopf leer, rasen quer. Bleiben niemals stehen, beinhalten die verschiedensten Themen.
Bleiben an der Vergangenheit hängen, greifen Erinnerungen und Schmerzen auf, während die Zukunft ausschließlich mit Wünschen erbaut werden kann. Jedoch nie der Wahrheit und Möglichkeit entsprechen muss.

Fantasie und Hoffnung, spinnen Dinge der Unmöglichkeit, welche gleichzeitig alles sind, was man im Leben erreichen möchte.

Unmöglich. Unmöglich. Es kann nicht erreicht werden.

Sein Kopf. Er ist auf seiner Hand abgestützt. Erscheint unglaublich schwer, denn abgeknickt drückt der Ellenbogen mit starkem Druck auf die Tischplatte. Er ist schlaff. Seine Muskeln nicht angespannt. Einfach nur in aufgesetzter Entspannung gehüllt. Gleichzeitig jedoch stets auf der Hut.

Vor dem Unterricht war er wie jeden Morgen essen. Nahm sich einen Apfel, biss nur grob ab und warf einen noch viel zu besetztes Gehäuse weg. Beim Verlassen der Cafeteria, bei der Mülltonne am Ausgang, während er in sein Gesicht starrte.

Schon die ganze Zeit konnte er den Blick des anderen auf sich vermerken. Hat dies zur Kenntnis genommen, sofort, jedoch hat er sich nie umgedreht. Das Starren erwidert, erkenntlich infrage gestellt, innerlich hat er dies jedoch die ganze Zeit. Als Hongjoong dann fertig mit seiner ausführlichen Mahlzeit eines Königs war, erhoben die Freunde sich von ihrem Platz. Noch hatte er den Apfel an seinen Lippen angelegt, war bereit für einen weiteren Bissen.

Als sein Blick jedoch leicht zur Seite schlich, blickte er in dieses Gesicht. Sah in die kühlen Augen, welche ihn in ihrem vollsten Visier hatten. Das Gesicht war verlassen, monoton und mit dieser erschreckenden Mimik auf ihn gerichtet. Sofort umfuhr ihn eine Gänsehaut, welche so eklig um seinen Körper zog, dass er sie bis jetzt noch zu verspüren mag.

Er wollte. Konnte seine Augen aber nicht aus denen des anderen entfernend davon abwenden. Dies trotz Furcht. Was denkt er? Ist es ein Plan? Eine Aufforderung?

Dies hat er sich gefragt. Hat seinen Arm fallengelassen, den Apfel mehr locker als ganz in seiner Hand gehalten und dann am Ausgang, eine minimale Hebung durchführend, den Abfall zur Entsorgung genutzt. Sein Hunger hat ihn verlassen, war gleichzeitig noch nie existent gewesen. Dennoch konnte er den Blick von sich aus kein einziges Mal abwenden.

Die Augen waren zwar so kühl und fürchterlich, gleichzeitig jedoch so faszinierend. Wie er ihn ansah. Mit dem noch immer Schmerz prophezeienden Funkeln, dem zarten Lächeln und als er durch die Tür schritt und aufgrund des Rahmens den Augenkontakt verlor, erinnert er sich an eine Hebung. Die Sehwerkzeuge glänzten stärker und das zarte, fast schon süßliche Lächeln, wurde zu einem Grinsen, welches ihm Angst und Bange überreichte.

Dieses Gefühl hat ihn noch immer nicht verlassen. Wie denn auch? Er ist zwar im Unterricht, aber diesen Blick spürt er noch immer auf sich. Ununterbrochen. Auch im Flur, auf dem Weg zum Raum hat er diese Präsenz verspürt. Sich wendend umgedreht und um eine Ecke herum, glatt in seine Augen geblickt. Er beobachtet ihn. Die ganze Zeit.

Was hat er vor? Was will er von ihm?

Sachte hebt er seinen Kopf von der Position herauf, zwinkert des Öfteren rasant, bis er dann nach hinten späht. Langsam dreht er seinen Hals, wendet seine Augen zurück und zuckt leicht zusammen.

Sofort fällt sein Blick zurück. Nach vorne. An die Tafel. Welche leer ist. Der Lehrer redet lieber, als zu notieren. Jedoch. Erneut. Kaum fällt sein Augenschein in Sans Richtung, so legt er sich sofort in den Augen des anderen nieder.

Er sieht ihn also tatsächlich, wie als Tatsache aufgestellt schon erkannt, ständig an. Ununterbrochen. Kein Scham. Kein Zögern.

Immerhin ist er auch nicht der mit den zitternden Händen auf dem Tisch, welche Wooyoung ineinander gelegen versucht von ihrer Bewegung abzuhalten. Somit vor den Augen der Sorge und den spöttischen Haltungen des Hänselns zu verstecken.

Genau dies ist San nicht. Er kann voller Selbstbewusstsein und Stärke zu den anderen blicken, denn falls ihre Blicke sich kreuzen, kann er dominierend seine Überlegenheit präsentieren. Ihm grinsend die Furcht der Zukunft ins Fleisch brennen, denn er weiß es. Wooyoung wehrt sich nicht. Glaubt an das Gute der Welt. Welch ein miserabler Fehler. Vom Gott verlassen, hat er noch nie Segen abbekommen. Grundlos schikaniert, seit dem ersten Tag, an dem er eines der Betten des Internats bezog.

Es ist so falsch. Er weiß es, kann seine Einstellung jedoch nicht ändern. Muss immer wieder aufs Neue realisieren, wie die Täter der Schande dies zu ihren ekelhaften Gunsten anerkennen.

Aber was könnte San wollen?

Mit ihm reden.

Ihn wie gestern abfangen. Allein. Wieder spielen. Lektionen erteilen. Spaß ausleben. Einseitige Freude und das Lachen auf das Leid anderer herab. Beherbergt Sans Blick dies? Ist dies der Wunsch des Älteren? Will er also erneut seinen klar unterlegenen Mitschüler opfern?

Sachte schielt Wooyoung zu seinem besten Freund hinüber. Was könnte passieren, wenn er nicht allein ist? Werden sie auf Hongjoong losgehen? Nein. Das haben sie bis jetzt noch nie getan.

Aber über Jahre hinweg haben sie ihn auch nie körperlich angegriffen. Stets nur Worte als Qual gesunder Psyche ausgenutzt. Den Geist geschwächt, soweit bis es körperlich anfing, einfach überging.

Er darf es nicht riskieren. Nichts darf geschehen, was seinem besten Freund zu nah treten könnte.
Seine Augen wieder nach vorne richtend, lässt er seinen Kopf zurück auf die noch immer positionierte Hand fallen.
„Kannst du heute vorgehen? Ich will noch in die Bibliothek."

Kurzzeitig bleibt es stumm und ruhig, eh er dann eine Regung von der Seite wahrnimmt. Der Ältere hebt seinen auf den Tisch abgelegten Kopf an. „Du weißt, dass ich jederzeit mitkommen kann, wenn du dir schnell etwas ausleihen willst."

„Nein schon gut. Ich weiß doch wie hungrig du immer bist. Ich mach schnell und komm dann sofort in die Cafeteria."

„Ohne Umweg?"
„Genau."
„Gut. Falls du zu lang braucht, komm ich dich suchen."
Zart lächelnd, erwidert Wooyoung den leicht neckischen Blick des anderen. Stets mit dem Wissen, dass dieser die pure Sorge der Realität beinhaltet. Erneut durchfährt ihn bei dem Gedanken zu der Zeit nach dem Unterricht ein Zucken. Die Aussage war keineswegs spaßig gemeint. Der Ältere trägt Sorge in sich. Hat auch Angst. Angst um das Wohl seines besten Freundes.

Spürt er seine Angst oder gar diese Blicke?

Noch immer lächelnd verdrängt er diese Gedanken. Fällt mit seinem Blick in eine andere Richtung, dreht seinen Kopf zart nach hinten und erkennt es im Augenwinkel:

Das zufriedene Lächeln seines Peinigers, während dieser ihn noch immer anstarrt. Die andern beiden der dreier Gruppe, spielen anbei irgendwas auf einem Blatt. Scheinen nicht so interessiert.

Sofort wendet er seinen Blick dann wieder ab und das Lächeln fällt komplett nieder. Er will nicht wissen, worauf dies hinauslaufen wird, jedoch schreitet die Zeit voran und er wird es erfahren..

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bad words. | woosan  ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt