32. /gewagter Schritt/

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›ᴡᴀɢᴛ ᴇꜱ. ᴢɪᴇʜᴛ ᴇꜱ ᴇɴᴅʟɪᴄʜ ᴅᴜʀᴄʜ. ꜰɪɴᴅᴇᴛ ᴅᴇɴ ʟᴇᴛᴢᴛᴇɴ ᴍᴜᴛ ᴜɴᴅ ᴛᴜᴛ ᴇꜱ ꜰÜʀ ᴅɪᴇ ᴢᴜᴋᴜɴꜰᴛ, ꜰÜʀ ɪʜɴ.‹

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Sachte schwenkt der Körper des Jungen vorwärts durch das Gebäude. Steuert nach einem langen Vormittag den wohlbekannten Ruhepol seinerseits an.

Es ist Samstag. Als er aufwachte, war Hongjoong noch immer nicht da. Auch sah er diesen nicht beim Frühstück oder einen seiner anderen Freunde, bei denen er sich ein Ansprechen mal zutrauen könnte. Wobei er nicht zu Mittag gegessen hat und von daher genauso wenig, von einer Anwesenheit zu zuletzt frischer Zeit berichten könnte.

Er hatte keinen Hunger. Verspürte auch kein Loch in seinem Magen, welches repräsentativ offenbaren könnte, dass er in den letzten Tagen zu wenig gegessen hatte. Dabei braucht er nicht mal einen Vortrag seines Inneren. Er weiß, dass seine Ernährung den Mängeln eines viel zu geringen Spektrums entspringen. Ändert dennoch nichts.

Spürt auf sich eine Last. Diese drückt auf ihn ein. Ihn nieder. Quetschend und quälend langsam auf den Boden herab.
Seine Gedanken sind bei Hongjoong. Wie er nicht weiß, was mit diesem ist, ob es ihm gut geht. Ist dies jenes Ziel, welches San verfolgte? Als er anstrebend Distanz zwischen den Freunden forderte.

Verlust einer geliebten Person. Ein Verlust, welcher vom Schicksal getragen kam, jedoch keine Pflicht des Laufes der Zeit nachkommt. Durch fremde Einwirkung entstand. Mittlerweile sein ganzes Leben umgeschmissen hat.

Er hat seinem besten Freund auch keine Nachricht geschrieben. Sich dazu entschieden, nachzuhaken. Wenn dieser sich nicht meldet und keine Nähe zu ihm aufsucht, so will er dies möglicherweise so haben. Diese Funkstille.
Selbst wenn es nicht so sein sollte, kann er es momentan nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. Sieht da immer diese Option, dass der Ältere all dem Druck nicht mehr standhalten konnte.

Will niemanden mit seiner Existenz bedrängen, wenn dieser sich klar abkapselt. Und dies ist mehr als nur klar. Sonst waren tägliche Gespräche ein Muss. Lebensnotwendig. Einfach nur der Bestandteil Nummer Eins, ihres im Internat aufgebauten Alltages. Sie verbrachten soviel Zeit miteinander.

Brauchten nur sich, um glücklich zu sein. Aus Frust, gerettet zu werden. Pure Freude zu empfinden. Konnten einfach sie selbst sein. Empfanden nie auch nur ein geringfügiges Gefühl an Einsamkeit. Waren aufgehoben, einfach nur verstanden. Von Gefühlen getragen, die sie bei sonst niemanden empfunden hatten. Konnten.

Hongjoong wurde zu Wooyoungs Hauptbestandteil, schwebte hinüber zu dem einzigen Sinn und den so notwendigen Schimmer an Hoffnung. Welcher sich vor ihn stellte. Schutz gebot, wenn er es brauchte. Selbst nichts ändern oder einfach nur standhalten konnte.

Und jetzt. Kein Wortwechsel. Seit zwei Tagen. Dabei lag doch gestern noch der besorgte Blick des Älteren auf ihn. Er hatte auf jeden Fall damit gerechnet, Hongjoong gestern wieder in seine Arme schließen zu können. Jedoch kam es nicht dazu.

Wooyoung wirkt auch nicht dagegen an. Redet sich vieles ein. Hat keinen Bezug mehr zur Realität. Ist in sich gekehrt. Weiß nicht mehr weiter. Schon so lange.

Schleicht durch die Schule. In Bereiche, welche kein von Hormonen gesteuerter Teenie am Wochenende betritt. Also so lang diese nicht zur Entspannung des Lesens gelangen wollen.
Angekommen sieht er am Eingang keine Bibliothekarin. Dann huscht die Frau selbst gerade wohl durch diese Gemächer, der für ihn einfach nur unglaublichen Schönheit.

Erleichtert atmet der Junge auf. Kann in diesem Anblick nur vergehen und sich wohlfühlen. Vergisst dennoch nichts. Hofft einfach nur Ablenkung zu finden, wobei er nicht mal weiß, weswegen er nach dieser sucht. Wenn er doch keine Boje mehr hat, kann er doch auch einfach ohne Bedenken untergehen. In den Tiefen verschwinden, von Gefühlen mitgerissen, einfach weggeschwemmt und ertrunken.

Sich vom Anblick lösend biegt er wie fast immer rechts ab. Will sich heute an keinen der Tische setzen, erhofft sich diesmal irgendwie Konzentration zu erlangen. Sich der Welt eines fremden Gedankengutes komplett hingeben zu können. Muss plötzlich jedoch ein Zögern von seinem Körper bewältigen. Ist nicht so einsam wie gedacht oder eher, fast schon erhofft.

Gedenkt umzukehren. Eine Flucht vor menschlicher Gesellschaft anzugehen. Mit ihm weiß er gerade fast schon am wenigsten etwas anzufangen. San.

Wie Hongjoong hat dieser ihn gestern besorgt angesehen. Sich letztendlich jedoch nicht wirklich um sein Wohl gekümmert. Nach ihm gesehen. Nachgefragt. Versucht, die Überforderung des Jüngeren abzugewinnen. Wobei er dies von seinem Peiniger tatsächlich eh nicht erwartet hätte.

Noch unbemerkt, will er sich tatsächlich umdrehen. Wird jedoch von einer Stimme unterbrochen. Muss sich eine Sache merken; nur weil der Augenschein nicht auf dich einfiel, heißt es nicht, dass die Person deine Anwesenheit nicht gespürt und wahrgenommen hat. So auch jetzt. San weiß, dass er hier ist.
„Setz dich doch."
Er rutscht zur Seite. Macht tatsächlich Platz. Benimmt sich wie immer. Unverändert.

So wie es jedes, auch andere, Mal verlief, wenn die beiden zusammen bis allein, ihre Zeit mit dem Lesen totschlugen. Ihrer einzigen Gemeinsamkeit. Welche sie fragwürdiger Weise komplett auskosten.

Stumm nickt er. Ist sich diesmal tatsächlich unsicher, ob der Ältere dies bemerkt hat. Eine Präsenz bemerken ist etwas anderes, als das Erkennen einer Handlung. Das eine kann man verspüren, während man für das andere tatsächlich seine Augen gebraucht. Jene, welche San nicht von seinem Buch abhebt.

Dem Buch. Er weiß, dass dies auch wieder ein Liebesdrama ist. Ist sich dabei so sicher.

Weiß auch, dass er den Älteren darauf ansprechen muss. Wenn noch nicht alles verloren ist, sollte er den Plan von seinem besten Freund und ihm verfolgen. In diesen all seine Hoffnung stecken. Und offenbarend gleichzeitig nicht zu viel Zuversicht hereinstecken, während die Erwartungshaltung so sehr danach fleht, dass es wieder so werden kann wie vorher. Alles war ihm recht. Scheint mittlerweile so unbedeutend, harmlos und friedlich. Alles. Nur diesen Verlust von seinem besten Freund kann er nicht mehr bewältigen. Muss gegen den Auslöser ankämpfen.

Den Ursprung knebeln. Zum Schweigen bringen und dazu bringen, nicht mehr in der Lage zu sein, etwas auszuwirken. Dies wird er wohl kaum mit dem Geheimnis hinter diesem Genre für San erreichen, jedoch könnte er diesem Ziel, endlich einen Schritt näherkommen.

Das Gefühl der letzten Tage bekämpfen. Sein Schweigen durchbrechen, endlich wieder in Redeflüssen mit Hongjoong ankommen.

Sich setzend ist er wie so oft parallel verlaufend genau vor San. Mustert seinen zart fokussierten Ausdruck. Wie die Augen leicht zusammengefallen sind und ausschließlich die Öffnung beinhalten, welche zum Lesen notwendig ist. Sich nicht weiter anstrengen. All die körperliche Kraft ins Hirn und der aufnehmenden Fantasie stecken.

Dafür, dass diese Bücher oftmals nichts für schwache Nerven sind und ein pures Gefühlschaos beinhalten, ist Sans Ausdruck komplett gelassen. Kühl. Behandelt er ihn deswegen so? Dabei ist Wooyoung sich sicher, dass dieser Empathie empfinden kann. Immerhin kümmert er sich mehr als nur deutlich und erkenntlich um seine Freunde, sorgt sich.

Also was hat Wooyoung getan, dass er mit dem kompletten Gegenteil besetzt, zu einer von Gefühlen gesteuerten Zielscheibe wurde? Womit hat er es verdient?

Er steckt alles in diese Frage. Malt sich aus, was diese alles verändern könnte. Erhofft es sich so sehr. Will einfach nur erfahren, was diese mit sich bringt. Letztendlich für Kraft hat und bedeutet.

Jedoch. Sträubt er sich dennoch. Hinterfragt die Stabilität in sich. Ob sie für die Reaktion von San bereit und gewappnet ist. Will sich zurückziehen, es verkneifen. Doch nicht wagen. Denkt an die letzten Tage. Kratzt alles zusammen. Verspürt, wie Gefühle ablaufen. Das Kribbeln in seinem Körper, wenn er nur daran denkt. Will sein Leid endlich beenden. Redet es sich letztendlich ein und spricht sich somit den notwendigen Mut zu.
Er tut es für Hongjoong.

„San?", der Ältere hebt seinen Blick. Sieht ihn kalt an. Scheint nicht gerade begeistert von der Unterbrechung mitgerissen. Stark schluckend will Wooyoung einen Rücktritt wagen. Erinnert sich an Hongjoong, dessen Worte und seine Gedanken, welche es ermöglichen.
„Warum liest du Liebesdramen?"

Folgender Ausdruck lässt sein Herz dann aus seiner Brust entspringen, er ist komplett verlassen. Von Menschlichkeit und im Hauch einer gewiss auftretenden Wut gefangen?

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bad words. | woosan  ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt