12. /Schwäche/

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›ꜱᴄʜʟᴇᴄʜᴛᴇ ɪᴅᴇᴇ ᴜɴᴅ ꜱᴄʜʟᴀɢᴇɴᴅᴇ ꜰᴏʟɢᴇɴ? ʀᴇᴜᴇ ᴜɴᴅ ᴢᴡᴇɪꜰᴇʟ?‹

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Schlaff hängt er an Hongjoongs Arm. Empfindet keine Kraft zum Weitergehen, bleibt dennoch nicht still. Der Schlaf war nicht ausreichend. Bei Weitem zu gering.

Unsicher fällt sein Blick die Wände des Flurs entlang. Sie haben die ersten Stunden getrennt. Dies nur einmal wöchentlich, dennoch ausgerechnet an jenem Tag, an dem er seine Mobber provozieren musste.

Er bereut seine Handlung dennoch nicht. Ihn durchzieht bisher kein Schmerz, hätte er den Deal eingehalten, hätte dies anders sein müssen.
Er fühlt sich ausschließlich von der Müdigkeit mitgerissen. Keine weiteren Probleme. Alles ist gut.

Vor einer Tür stoppt der Gang des Älteren und orientierend sieht Wooyoung nun zu ihm. Nicht mehr an vor langer Zeit gestrichene Wände, bei welchen Risse und Abblätterung des baldigen Falles erkennbar sind.
„Ich hol dich nach dem Unterricht ab, wie immer."
Knapp und auch nur gerade so überwindend, kann er dem Älteren ein Nicken zukommen lassen. Ihm versichern, dass er es gehört hat.

Langsam löst der Ältere seine Arme von ihm, behutsam und zögernd. Sichert ab, dass Wooyoung alleine steht, nicht fallen wird und ausreichend Bewusstsein offenbart.
Erneut nickt der Jüngere. Zeigt somit nicht nur, dass er komplett anwesend ist, sondern lässt Hongjoong auch ein schnelleres Lösen vollziehen. Schnell winkend, blickt er nochmal zu seinem besten Freund, welcher noch eine Etage höher muss. Hoffentlich schafft er es noch rechtzeitig. Er will nicht der Grund gewesen sein, dass er zu spät kommt. Sich nicht an Zeiten hält, obwohl er rechtzeitig aufgestanden ist, wie immer fertig war und ausschließlich auf seinen besten Freund Acht geben musste.

Das ist kein Spiel, welches er mit seinem Gewissen vereinbaren könnte.

Sachte dreht er sich zur Tür. Zögert weitere Augenblicke und spielt mit dem Gedanken umher, umzudrehen. Jedoch hat Hongjoong ihn genau deswegen bis zur Tür gebracht und holt ihn aus diesem Grund auch ab.

Das wäre wohl zu viel. Zu offensichtlich. Ein weiterer Vertrauensbruch. Er spürt ein leichtes Ziehen in seinem Bauch. Er muss bald mit ihm reden, über gestern und seinen allgemeinen Plan. Dessen Fäden der Zukunft dennoch nicht Wooyoung selbst in den Händen hält.

Seine Beine voreinander setzend vereinbart er mit sich selbst, dass dies am sinnvollsten ist.
Es ist sogar einzig schlau.

Die Tür und deren Durchreiten offenbart ihm nichts, interessantes. Nur ein Schwall an Licht, welcher es nicht in den Flur geschafft hat. Die Sonne geht auf.

Zögernd fällt sein Blick durch den wenig erhellten Raum. Er ist wie auf eine Bühne gelegen und dem Scheinwerfer der Natur ausgesetzt. Und passend dazu, sind Augenscheine auf seine unbeliebte Persönlichkeit gefallen. Drei. Sie mustern ihn.
Erscheinen nach weiteren Augenblicken der Betrachtung alles, außer begeistert.

Seinen Blick senkend und somit jeglicher Möglichkeit einer Erwiderung der Kontakte entweichend, trottet Wooyoung zu seinem Platz. Weit genug von der Freundesgruppe entfernt, um dessen Stimmen zu hören. Dennoch nicht weit genug. Immerhin sind sie noch in einem Raum. Es macht ihm Angst. Sans Blick verheißt, wie erahnt, nichts Gutes. Dennoch hat er es getan. Diese Zukunft herausfordernd heran geschworen.

Wird schon.

Die ersten neunzig Minuten vergehen in einer unglaublichen Langsamkeit, dass er es noch immer hinterfragt. Weswegen ist er seinen Interessen gefolgt und hat was anderes als Hongjoong gewählt? Etwa weil er dachte diese Doppelstunde einmal in der Woche sei nicht die Welt? Ja genau. Deswegen hat er es gewagt.

Leider konnte er heute nicht lauschen. Dem Thema seiner Interessen Gehör schenken. Der Herzschlag war dafür zu unerhört und schnell. Wollte herausspringen. Entkommen. Dem Raum entfliehen. Wieder zurück ins Bett. Schlafen. Ruhe finden. Die Augenringe bekämpfen. Genau-

-Ding Dong.

Schon um? Sachte hebt Wooyoung seinen Blick an. Seine Mitschüler packen ihre Sachen zusammen, schnappen sich alles und verlassen den Raum. Tatsächlich. Es war keine Einbildung.

Aufspringend, will auch all seine Besitze ergreifen. Dann den Raum verlassen und im Flur, unter Menschen, auf seinen besten Freund warten. Es klappt nicht.

Wieder auf den Stuhl gedrückt, weiten sich Wooyoungs Augen in eine weitreichende Sperre hinaus. Sein Blick bleibt jedoch starr, nach vorne gerichtet. Weiß schon, wer es ist. Muss es keiner Überprüfung überlassen, um es zu erfahren.
Das Pochen in seiner Brust erhöht sich, geht zu einem unnatürlich krankhaften Rhythmus über. Ist der Flucht tatsächlich so unglaublich nah.
Will es endlich vollziehen.

Jedoch drücken ihn zwei Hände kräftig auf die Sitzfläche, fixieren ihn in der sitzenden Position. Ermöglichen keinen weiteren Zug einer Bewegung.

Das Starren nimmt er nur schwach wahr, wie der Lehrer seinen Schlüssel ergreift und sich nickend von den Jungen verabschiedet.
„Bis nächste Woche Herr Lee."
Eine kribbelnde Gänsehaut überzieht seinen Körper, als die Worte vibrierend genau neben seinem Ohr auftauchen. So nah. Kurzzeitig mit der Klangfarbe ihrer Stimme, auch noch so höflich und sinnlich lieb klingend.

„Na du kleine Memme?"
„Uns kannst du nicht verarschen."
Es sind Yeosangs und Yunhos Worte, die als Nächstes fallen. Jenes Gespräch starten, welches ihm erwartend jeglichen Schlaf raubte.

„Geht doch beide vor die Tür und passt auf, dass niemand reinkommt. Ich klär das."
In seinem Augenschein nimmt er das Nicken der Freunde wahr, während diese auch schon, sich gegenseitig anrempelnd darüber streiten, wer nun zuerst den Raum verlässt. Wie können ihre Gedanken so losgelöst und freudig sein, wenn sie doch wissen, was San ihm gleich antun wird?

So herzlos? Es ist normal. Niemanden stört oder schert es auch nur im Geringsten. Außer Hongjoong, hat daran keiner etwas auszusetzen oder erhebt seine Stimme.

„So, jetzt, wo wir alleine sind. Verrat mir doch bitte mal, wo deine Wunden sind?"
Schluckend tritt Wooyoungs Kehlkopf wohl deutlich hervor, er spürt es. Sein Körper kribbelt, das Zittern bringt selbst seine Stimme ins Beben. Gegenüber dem Älteren hätte er eh kein Vortragen an Stärke erwartet.
„Ich hab keine."

Er hört, wie San ein verwundertes Geräusch von sich gibt. Dann schweigt. Spürt jedoch auch die Bewegung, welche den Kopf des Älteren in seinen Augenwinkel schiebt. Langsam dreht er seinen Kopf in gleiche Richtung. Sieht ihm genau in die Augen. Kann bei diesem Blick seine Furcht vollends nicht mehr zurückhalten. Er durchstrahlt ihn. Sucht alles ab. Versucht es zu erkennen. Den Grund für Widerstand. San hat wohl kaum damit gerechnet, dass Wooyoung nach seinem klaren Vorspiel an Stärke noch Kraft der Weigerung innehält.
„Hab ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt?"

Der Kopf zieht sich wieder zurück und wie einprogrammiert, dreht sich auch Wooyoungs Kopf wieder nach vorne. Ist festgesetzt, keiner Bewegung mehr mächtig.
Folgende Worte kosten ihm nicht nur Überwindung, sondern sind wohl auch der entscheidende Knopf, für das Einsetzen seiner Schmerzen. Sie werden kommen. Er spürt seine Haut jetzt schon rauf und rab kribbeln.

„Doch. Jedoch werde ich mich nicht selbst verletzen."

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(1/5)

bad words. | woosan  ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt