Kapitel 1

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Ich bin wieder da. Zurück an dem Ort, den ich vor drei Jahren freiwillig verlassen habe, um meine Ausbildung zur Soldatin zu absolvieren. Auf der einen Seite waren diese drei Jahre lang und hart für mich. Auf der anderen Seite war ich endlich Weg von alledem hier. Ich war frei, musste nur die Regeln meines Generals befolgen und konnte eine Art normales Leben in Laronn verbringen. Laronn ist für mich nicht nur einer der zwei Stützpunkte von Calidoss, irgendwie ist es auch ein zweites Zuhause für mich geworden. Ich atme kurz durch. Mein Leben wird sich komplett verändern. Bin ich dafür bereit? Nein. Das bin ich nicht. Aber war der Namenlose Magier bereit als er sich dazu entschied die Drachen weg zusperren? Nein, ich denke nicht. Man ist nie ganz und gar bereit. Du schaffst das. Rede ich mir ein.

Meine Füße setzen sich in Bewegung bevor ich es ihnen verbieten kann. Unter mir spüre ich die Flastersteine der Straße. Mein Blick hebt sich und vor mir erstreckt sich das mir bekannte Schloss. Ich schaue hoch zum Eingang. Ein blonder Mann blickt auf mich herab. Mein Bruder. Selbst nach drei Jahren erkenne ich sein schiefes Grinsen aus zwanzig Metern Entfernung.

Erst jetzt bemerke ich, dass links und rechts zur Treppe, die zum Eingang des Schlosses führt, mindestens 20 Leute stehen. Nicht nur irgendwelche Leute. Adlige des ersten Ranges. Mir wird schlagartig bewusst, dass sie hier sind, um mich zu empfangen. Ihre selbstgefälligen Gesichtsausdrücke verraten mir, dass sie nur so darauf warten, dass mir beim Hochsteigen der Treppe ein Fehler passiert und ich stolpere. Mit hocherhobenem Kopf gehe ich die Treppe hinauf und würdige keiner dieser Kreaturen eines Blickes.

"Lady Quinn! Wie schön Sie hier wieder zu sehen. Wie geht es Ihnen?" sagt mein Bruder.
"Jonas! Endlich sehe ich dich wieder. Was soll diese Förmlichkeit? Die hören uns sowieso nicht." sage ich lachend.
"Ich wollte dich nur aufziehen. Komm wir gehen rein. Mutter erwartet dich schon." gibt er zurück. Ach ja, meine Mutter. Die habe ich tatsächlich nicht vermisst. Naja auch da muss ich durch. Während alle Blicke, egal von Adligen oder Dienstboten, auf uns liegen, durchqueren wir die Empfangshalle. Sie kommt mir viel kleiner als noch vor drei Jahren vor. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich gute zehn Zentimeter gewachsen bin.

Ich blicke auf eine riesige Flügeltür, die links und rechts von einer Wache flankiert wird. Sie besteht aus purem Diamant. Trotzdem kann man nicht hindurch schauen. Dort hinter erwartet mich der Schrecken, den ich meine Mutter nenne.
"Das wird schon." flüstert Jonas mir zu. Erst jetzt bemerke ich, wie sehr ich seine Anwesenheit vermisst habe. Wie sehr ich ihn vermisst habe. Meinen großen Bruder. Er war schon immer jemand der eine beruhigende Wirkung auf mich hat. Einschließlich jetzt.

Ich gebe der Wache auf der rechten Seite der Tür ein Zeichen sie zu öffnen. Ich trete in den Kuppelsaal ein und werde von Sonnenstrahlen, die durch die Kuppel hindurch scheinen, begrüßt. Der Saal hat eine runde Form und läuft nach oben zu einer orangen Kuppel zusammen. An sich ist dieser Saal wunderschön, wäre da nicht meine Mutter, die das Zusammenspiel aus Frühlings- und Erdtönen mit ihrem robusten Metallthron zerstören würde. Von Einrichtung hat diese Frau meiner Meinung nach keinen Geschmack.

Aber ich bin nicht hier, um mich über den Einrichtungsgeschmack meiner Mutter zu beschweren. Ich bin hier um den Thron zu besteigen und dieses, mein Land in eine bessere Zukunft zu führen. Mir fällt auf, dass die Königin nicht mehr so jung wie noch vor drei Jahren aussieht. Was ist mit ihr passiert? Ihre Wangen fangen an in sich zusammen zu fallen, ihre Augen leuchten nicht mehr, wobei sie aber immer noch etwas Böses in sich tragen, ihre Lippen sind nur noch zwei Striche und ich sehe graue Strähnen in ihren sonst schwarzen Haaren. Meine Mutter wirkt zehn Jahre älter, obwohl nur drei Jahre vergangen sind.

Ich senke den Kopf und mache einen Knicks.
"Quinn. Da bist du ja. Wir haben schon alle sehnsüchtig auf dich gewartet." sagt meine Mutter mit einem aufgesetzten Lächeln.
"Ich freue mich ebenfalls Euch endlich wieder zu sehen, Mutter. Tags dachte ich an Euch und Nachts betete ich für Euch." Wir beide wissen, dass meine Worte gelogen sind und trotzdem verlieren wir nicht unser Lächeln.
"Das gleiche tat ich für dich, mein Kind." antwortet meine Mutter. Noch eine Lüge. Egal. Einfach weiter Lächeln solange Wachen an den Wänden und links und rechts von meiner Mutter die wichtigsten Generäle stehen. Sage ich zu mir.
"Wie war deine Reise?" fragt meine Mutter.
"Wirklich sehr angenehm. Danke der Nachfrage." antworte ich.

"Morgen werden wichtige Gäste eintreffen, deshalb möchte ich, dass du dich heute ausruhst, um morgen einen guten Eindruck machen zu können. Jasper Walker wird auch anreisen." sagt sie und macht dabei eine kurze Pause, um sich an meinen Bruder zu wenden.

"Jonas."
"Ja Mutter, ich werde darauf achten, dass alles nach Plan läuft und wir in einem guten Licht stehen." gibt er schnell zurück.
"Das weiß ich doch, mein Sohn. Ich habe aber noch eine Bitte. Ich möchte, dass du dafür sorgst, dass sich unsere jüngeren Gäste amüsieren. Vor allem
Prinz Jasper und König Cayden. Wir suchen Verbündete. Keiner von ihnen darf sich auf die Seite der Hitschu schlagen. Wenn sich einer der beiden mit ihnen verbündet, dann werden sie über unser Reich herfallen und uns alle vernichten. Die Hitschu sind Barbaren und warten nur darauf uns unser Reich zu nehmen. Noch können wir etwas dagegen unternehmen. Also, kriegst du das hin, Jonas?"

"Natürlich Mutter." antwortet mein Bruder und senkt wieder seinen Kopf. Er hatte schon immer viel Respekt vor unserer Mutter, aber jetzt irgendwie mehr. Seltsam.

"Quinn ich hoffe dir wurde nun bewusst wie wichtig eine Heirat, besonders wegen der Bedrohung durch die Hitschu, wäre." Als Antwort gebe ich nur ein Nicken von mir. Es wäre vorteilhaft, da gebe ich ihr Recht. Aber ich will doch keine Ehe eingehen ohne die Person wirklich zu lieben. Das kommt für mich nicht in Frage. Wäre ich doch nur schon 18, dann könnte ich den Thron besteigen, meine Mutter könnte nicht mehr über mich und meinen zukünftigen Ehemann entscheiden und ich könnte versuchen den Bauern und dem Rest der Bevölkerung ein besseres Leben zu bescheren.

Nur ist das leider Wunschdenken. Den Thron darf ich erst mit 18 besteigen. Außer die Königin stirbt. Wirklich mögen tue ich meine Mutter nicht, aber umbringen könnte ich sie oder irgendjemand anderen niemals. Das ist keine Option. Aussichtslos würde ich meine jetzige Lage bezeichnen.

"Und jetzt geh erst mal ein Bad nehmen. Du siehst ja aus wie eine Wilde." sagt Mutter lachend.
"Vielleicht war, wie eine Wilde auszusehen, ja meine Absicht." antworte ich.
"Red kein Blödsinn Kind. Nichtmal 15 Minuten bist du hier und schon kriege ich wieder Migräne."
Mutter fest sich an den Kopf, verzieht ihr Gesicht als hätte sie schmerzen, erhebt sich von ihrem Thron, mustert mich noch einmal und verschwindet dann nach links hinter einer Tür in Richtung ihres Salons.

Dass sagt sie immer, wenn sie keine Lust mehr hat sich mit mir abzugeben: "Du machst mir Migräne Kind, verschwinde." " Schon wieder kriege ich Migräne wegen dir." "Wieso tust du deiner armen Mutter diese schreckliche Migräne an? Hab doch Erbarmen mit mir." Immer das gleiche. Es hat sich also nichts verändert.

In meinem Gemach angekommen denke ich nochmal zurück an die Worte meiner Mutter. Prinz Jasper und König Cayden werden kommen. Jasper kenne ich schon seit der Kindheit. Jeden Frühling verbrachte er bei uns 1 bis 2 Monate. Er ist wirklich nett, dass muss ich sagen und er versteht sich ziemlich gut mit Jonas. Über König Cayden weiß ich nicht sonderlich viel. Seine Eltern und seine Schwester wurden vor 3 Jahren bei einem Jagdausflug angegriffen und dabei getötet. König Cayden soll das alles sehr gut verarbeitet haben. Vor 3 Monaten war seine Krönung, da er 18 wurde. Wir wurden eingeladen. Allerdings ist nur Mutter nach Keldor gefahren, um der Krönung bei zu wohnen, da ich meine Ausbildung nicht unterbrechen konnte und Jonas viel zu viel zu tun hatte. König Cayden selbst habe ich das erste und einzige Mal bei einem Tunier als ich 10 war gesehen. Er müsste 12 gewesen sein, aber sein Aussehen hat sich bestimmt schon total verändert. Immerhin ist er jetzt 6 Jahre älter.

"Quinn!" ruft eine mir sehr vertraute Stimme hinter mir. Ich drehe mich um und blicke in 2 haselnussbraune Augen.

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1402 Wörter

Kommentiert wie ihr das erste Kapitel findet :)

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