Jeden Augenblick sollten die Lichter Ravkins am Horizont auftauchen, doch alles was ich sehe, ist Schwärze. Die vier Tage auf der Xandria vergingen wie im Flug. Die meiste Zeit habe ich damit verbracht Caydens Bücher zu lesen. Eine bessere Beschäftigung auf diesem Schiff gab es nun mal nicht. Ab und zu habe ich auch mit Mal, so habe ich beschlossen Malachite von nun an zu nennen, Schach gespielt. Aber er ist darin so schlecht, dass ich ihn innerhalb von drei Minuten jedes Mal geschlagen habe. Ich bin froh, dass wir unser Ziel fast erreicht haben. Die Langeweile und die damit verbundene Stille kann ich nicht mehr ertragen. Ich will meine fast Freiheit endlich ausleben können. Wenn wir da sind, will ich zuerst Ravkin erkunden. Viel über diese Stadt habe ich noch nicht gehört. Beinahe das einzige was ich über sie weiß ist, dass sie der Wohnsitz des Königs und eine Hafenstadt ist. Ich glaube auch irgendwann mal gehört zu haben, dass sie ein riesiges Künstlerviertel besitzt. Als ich mich wieder auf den Horizont vor mir konzentriere, erheben sich an diesem in der Ferne gewaltige Türme. Das muss dann wohl das Schloss sein. Etwas später sehe ich die ersten Lichter, die die gesamte Stadt erhellen. Das Schloss scheint direkt in der Innenstadt auf einer Erhebung zu stehen.
Mittlerweile sind wir im Hafen und ich versuche alle Eindrücke in mich aufzunehmen. Es ist Nacht und trotzdem wird am Hafen auf Hochtouren gearbeitet. Viele Handelsschiffe werden beladen, Boten rennen durch die Gegend, um Nachrichten zu überbringen und es wird an Schiffen rumgebastelt. Das wäre der erste Unterschied zu Meldris. Abends werden in Meldris quasi die Bürgersteige hoch geklappt und die Leute die noch auf den Straßen herumlungern sind Kriminelle. „Komm Quinn.", sagt Cayden, der nun an meine Seite getreten ist.
Nachdem wir uns bei Odin verabschiedet haben und er sein Geld erhalten hat, stehen wir nun vor einer prächtigen Kutsche, die von einem nachtschwarzem Seidenstoff bezogen ist und von zwei Rotschimmelstuten gezogen wird. Erst als ich eine dampfende Atemwolke ausstoße, merke ich wie kalt es ist. Kein Wunder das es hier etwas frischer ist. Ravkin liegt im Gegensatz zu Meldris nämlich weiter nördlich.
Cayden lässt mir den Vortritt und steigt nach mir in die Kutsche. Wir sitzen gegenüber voneinander auf den weichen Polstern. Zum ersten Mal nehme ich Caydens Geruch war. Er erfüllt die ganze Kutsche. Ein Hauch von Regenwasser gemischt mit ... Zimt? Diese Tatsache ignorierend, schaue ich lieber aus dem Fenster. Das Gefährt wird von mehreren Soldaten flankiert. Unter anderem auch von Mal. Auf dem Pferd sitzend sieht er aus wie ein Krieger, der in eine Schlacht reitet. Als ich wieder zu Cayden schaue, merke ich, dass er fasziniert grinsend aus dem Fenster schaut. Anscheinend freut er sich wirklich wieder in seinem Land zu sein. Er sieht zwar aus wie ein Kind, das endlich Süßigkeiten bekommt, aber irgendwie ist das niedlich. Die Fahrt verläuft schweigend. Viel sehen kann ich nicht, da die Soldaten mir die Sicht versperren. Deshalb lehne ich mich einfach zurück und überlege, wie ich Mady und Jason eine Nachricht zu kommen lassen kann. Sie sollten wenigstens wissen, dass es mir gut geht und ich in Sicherheit bin. Wahrscheinlich werde ich einen Brief schreiben. Eine andere Möglichkeit bleibt mir garnicht.Nach einer ausgiebigen Stadtrundfahrt, bei der ich so gut wie nichts zu Gesicht bekommen habe, bleibt die Kutsche stehen. Die Kutschentür schwingt auf und ich steige gefolgt von Cayden aus. Sofort schlägt mir das Schloss entgegen. Ich muss meinen Kopf in den Nacken legen, um die Türme in ihrer ganzen Pracht betrachten zu können. Eine lange Treppe zieht sich bis zu den Eingangstüren. Das gesamte Schloss ist aus schwarzem Gestein, passend zu der Kutsche, wie mir jetzt auffällt. Goldfarbene Terrassen und Balkone winden sich um das Schloss herum. Rechts und links vom ihm kann ich weitläufige Gärten, in den Gärtner fleißig ihre Arbeit verrichten, entdecken. Im Gegensatz zu dem Schloss, in dem ich aufgewachsen bin, ist das hier ein Palast eines richtigen Herrschers. Ein Palast eines Gottes trifft es wohl eher.
Während ich das Schloss bestaune, ist Cayden mir schon einige Schritte voraus.
Am Fuß der Treppe hebe ich mein Kleid einbisschen an und steige diese dann hinauf. Die Treppe glänzt so sehr, dass ich darin mein Spiegelbild sehen kann. Die Seeluft hat mir gut getan. Meine Wangen sind bedeckt mit einem Hauch rosa und mein braunes Haar glänzt in der Sonne.Von Innen sieht das Schloss noch fantastischer aus. Der Boden ist gefließt mit schwarzem Obsidian und ein Dutzend Marmorsäulen schlängeln sich durch den Eingangsbereich, der einem langen, breiten Flur gleicht. Von der Decke hängen den Flur entlang mehrere Kronleuchter. Ich folge Cayden, obwohl ich am liebsten stehen geblieben wäre, um mir jedes Detail der Einrichtung einzuprägen. Der Flur ist so lang, dass ich nichtmal das Ende sehen kann.
Plötzlich hallen nicht mehr nur unsere Schritte an den Wänden. Klack Klack Klack. Wegen des Tones vermute ich, dass die Person die auf uns zu kommt extrem hohe Schuhe trägt. Ich trage zwar auch hohe Schuhe, aber trotzdem geben meine beim laufen einen anderen Ton von sich.
Eine hochgewachsene Gestalt nähert sich uns. Genau vor uns bleibt sie stehen. Es ist eine junge Frau mit blonden Haaren, die sie zu einer Hochsteckfrisur frisiert hat. Sie knickst vor mir und Cayden, dann schaut sie auf. Ihre blauen Augen mustern erst Cayden begierig, dann mich. Bei meinem Anblick verdunkelt sich ihre gesamte Miene und ich bilde mir ein, ein Schnauben ihrer Seits gehört zu haben. Als sie merkt, dass der König noch anwesend ist, setzt sie wieder ein falsches Lächeln auf.
"Miss Kemper, schön sie hier anzutreffen.", ergreift Cayden endlich das Wort. "Darf ich ihnen vorstellen, Miss Gravt." Diese Miss Kemper schaut mich ungläubig an. Etwas später fragt sie: "Gravt, so wie Lord Gravt?" Cayden nickt nur als Bestätigung. "Ich heiße sie hier herzlich willkommen, Miss Gravt." Miss Kemper spuckt meinen falschen Namen aus und versucht garnicht erst ihre Verachtung mir gegenüber zu verstecken. "Euer Hoheit." Sie macht einen Knicks zur Verabschiedung und stolziert davon. Sofern man diesen kläglichen Versuch majestätisch zu wirken, als stolzieren bezeichnen kann. Cayden schaut ihr nochmal hinterher. Was genau sich in seinen Augen spiegelt, kann ich nicht ausmachen. Dann dreht er sich ohne ein weiteres Wort um und geht weiter. Wir durchqueren den halben Palast bis wir endlich vor einer riesigen Glastür anhalten. Rechts und Links sind Wachen postiert, die stur gerade aus gucken. Cayden gibt ein Zeichen mit seiner Hand und die Doppeltür schwingt auf. Als wir die Türschwelle passieren, fühlt es sich an als würde ich buchstäblich in die Höhle des Löwen schlendern. Die Wände sind aus schwarzem Marmor, wie vieles aus dem Palast, ein roter Teppich schlängelt sich durch den Flur und vergoldete Kerzenhalter werfen, neben einer langen Fensterfront zu unserer Rechten, das einzige Licht in den Gang. Wir laufen an einpaar weiteren Türen vorbei, dann stehen wir vor einer großen Holztür. Nach rechts und links von mir erstrecken sich weitere Gänge ins Ungewisse. „Das hier ist der Westflügel. Hier besitzt mein Innerer Kreis seine Gemächer.", ertönt Caydens Stimme. „Dein Innerer Kreis?", frage ich.
„Ja mein Innerer Kreis. Meine engsten Freunde. Meine engsten Vertrauten. Malachite zählt dazu." Also sowas wie seine Ersatzfamilie denke ich mal. Ob sie wissen, was er mit seinem Bruder getan hat? „Da wir vorgeben du seist Malachites Schwester, ist es nur logisch dich im Westflügel, bei uns, unterzubringen." Er blickt mir direkt in die Augen. Seine Augen wirken feurig, aber gleichzeitig eiskalt. Ich versuche ruhig zu atmen. Mein Herz macht einen Satz und als ich denke es könnte nicht mehr schneller schlagen, wendet er seinen Blick von mir und stößt die Tür auf.—————
Es ist nicht sehr viel passiert in diesem Kapitel, aber die nächsten versuche ich spannender zu schreiben.Ich hoffe es geht euch allen gut.
Liebe Grüße<3
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Kampf um Calidoss
FantasyQuinn. Eine junge Prinzessin. Privilegiert durch ihren Stand und ihre Schönheit. Ihre bevorstehende Heirat zwingt sie zur Flucht. Mit Hilfe von Cayden, einem äußerst attraktiven König, macht sie sich auf den Weg ihre Zukunft in Freiheit zu leben. Do...