Kapitel 15

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Das „Chaos" in der Kneipe verwandelt sich schnell in einen Tanzmarathon. Die Menschen, die sich hier amüsieren, haben alle Tische und Stühle, die in der Mitte der Kneipe standen, zur Seite geschoben und nun tanzen sie zusammen eine Art Volkstanz. Schon seit etwa einer Stunde sitze ich mit Mal hier und schaue den Leuten nur zu. Alleine das macht mich glücklich. Unsere Getränke haben wir beide noch nicht angerührt. Wir sind einfach zu vertieft in dieses Bild, welches sich uns bietet. „Wir sollten wieder Richtung Schloss. Draußen ist es schon längst dunkel", unterbricht Mal diesen einzigartigen Moment. Als ich aus dem Fenster schaue, merke ich, dass er recht hat. Nur noch die Straßenlaternen werfen ein schummriges Licht auf die Straße.

Mal erhebt sich und verschwindet Richtung Ausgang. Vorher hat er aber noch einpaar Münzen auf den Tisch gelegt. Ich gebe mir noch einen Moment mir dieses spezielle Ereignis einzuprägen, dann erhebe auch ich mich und schreite zum Ausgang. Draußen werde ich von einer eisigen Kälte empfangen. Gänsehaut macht sich auf meinem gesamten Körper breit und verdrängt jegliche Wärme, die ich zuvor noch empfunden habe. Das Licht des Mondes wirkt heute trüb und abgenutzt. Irgendwie passend zu meinen Gefühlen. Wo eben gerade noch so viel Glück war, ist jetzt eine Art Traurigkeit, die ich nicht beschreiben kann. Bin ich traurig, weil ich die Kneipe und diese überglücklich wirkenden Menschen verlassen musste, weil ich mich nach Jason und Mady sehne oder liegt es vielleicht daran, dass Cayden mich einfach sitzen gelassen hat? Ich sollte nicht soviel über ihn nachdenken. Manchmal kann ich wirklich aus allem ein Drama machen.

Mein Atem bildet in Kombination mit der kalten Luft Dampfwolken und mir ist so kalt, dass ich glaube meine Wimpern wären eingefroren. Nichtmal eine Jacke habe ich dabei. Warum ist es hier überhaupt nachts so eisig? Als ich zu Mal schaue, bemerke ich, dass auch er keine Jacke trägt und genauso fröstelt wie ich.
„Dann frieren wir jetzt also zusammen", sagt Mal und dreht sich um, um Richtung Schloss zu laufen.

Die Straßen sind wie leer gefegt und es scheint als würden sich nichtmal Kriminelle in diese eiskalten Temperaturen trauen. „Wären wir noch länger im Kai&Kally's geblieben, wäre es um einiges frostiger gewesen, wenn wir uns aufgemacht hätten zum Schloss." Das kann ich mir garnicht vorstellen. Noch kälter als jetzt? Das geht doch kaum. Höchstens die Temperaturen im Eis von Kjer könnten diese hier in Ravkin übertreffen. Ich war zwar noch nie dort, aber man erzählt sich gruseliges. Nicht nur die Temperaturen sind gruselig, auch ihre Bewohner. Hexen sollen dort angeblich leben, obwohl die meiste Magie schon vor Jahrzehnten verschwunden ist. Kobolde soll es tief unter der Erde dort auch geben und von Sirenen an den Küsten des Festlandes ist auch oft die Rede. Ich persönlich denke, dass diese Geschichten nur Geschichten sind. Wahrscheinlich haben sich alte Seemänner den Spaß erlaubt von ihrer gefährlichen Jugend und was sie in dieser alles gesehen haben, zu erzählen. Geschichten die einen aus der Realität in eine Welt voller Mysterien ziehen sollen. Geschichten, um das grausame Leben auf der See erträglicher zu machen. Geschichten, um vielleicht der Realität zu entfliehen.

„Warum dachtest du eigentlich, Cayden hätte mich geschickt, um sich bei dir zu entschuldigen?" Mal's Frage reißt mich aus meinen Gedanken. „Nicht so wichtig", winke ich ab. Erwartungsvoll sieht er mich von der Seite an. „Wir haben zusammen gefrühstückt. Nach einer Viertelstunde ist er dann gegangen, um Miss Kemper zu treffen. Er sagte, ich solle einfach warten und er würde in fünf Minuten wieder da sein. Ich wartete und wartete, aber niemand kam mehr", gebe ich niedergeschlagener als beabsichtigt zu. „So ein Idiot", höre ich Mal neben mir murmeln. „Das kannst du laut sagen", bestätige ich. Wir sehen uns an und müssen beide grinsen. „Das war gerade Majestätsbeleidigung Mylady. Dafür könnte ich Sie in den Kerker werfen lassen." Lachend schaue ich ihn an. „Wenn, dann würden wir zusammen im Kerker schmoren. Du hast ihn genauso als Idioten betitelt wie ich." Nun steigt auch er mit in mein Gelächter ein. Unser Lachen hallt von den Hauswänden wieder und der ein oder andere Ruf, von wegen es wäre Nachtruhe, wird durch ein offenes Fenster gebrüllt. Wir zügeln uns wieder etwas, da wir wirklich keinen verärgern wollen.

Stumm gehen wir eine Weile nebeneinander her. Der Weg zum Schloss ist lang, da die Kneipe auf der anderen Seite der Stadt liegt. Es ist seltsam so spät abends draußen zu sein und das auch noch als die Einzigen. Die Stille, die uns umgibt ist angenehm. Wir beide sind in unseren eigenen Gedanken vertieft und genießen, obwohl wir immernoch frieren, diese Zweisamkeit. Zwischen uns ist heute ein Band entstanden, welches von Zeit zu Zeit, die wir mit einander verbringen, immer stärker wird. Es festigt sich mehr und mehr. Mal wird langsam zu einem guten Freund.

„Ich habe bald vor die Welt zu bereisen. Das war, seit ich ein kleiner Junge war, mein Traum", sagt Mal plötzlich. „Dann nimmst du mich aber mit", scherze ich. Die Welt zu bereisen ist ebenfalls mal mein Traum gewesen. Jetzt da ich frei von meinen Pflichten bin, könnte ich mich auch in die große weite Welt wagen. Das wäre bestimmt ein Abenteuer für sich. „Nur weil ich heute den Tag mit dir verbracht habe, heißt das noch lange nicht, dass ich dich über einen längeren Zeitraum auch ertragen kann", neckt Mal mich. Ich schenke ihm ein ehrliches Lächeln. Mit ihm zu sein, fühlt sich sorgenfrei an. Es fühlt sich an, als würde er mir die Rettungsleine zu werfen, mich aus meinen Gedanken fischen und mir dann beim aufstehen helfen. Gerade mal etwas mehr als eine Woche kenne ich ihn und er hat sich jetzt schon in mein Herz geschlichen. Nur durch den heutigen Tag konnte ich feststellen was für ein wunderbarer Mensch Mal eigentlich ist.

Wir gehen die Hauptstraße entlang und das Schloss vor uns wird immer größer. „Was willst du jetzt machen? Du bist befreit von deinen Pflichten und kannst tun was du willst", stellt Mal fest. Das Einzige, was ich jetzt wirklich machen will, ist zu leben. Ich will leben, wie ich es noch nie getan habe. „Meine Freiheit genießen", lautet meine Antwort deshalb. Wer weiß wie lange ich noch frei bin. Wenn mich jemand erkennt oder findet, könnte alles wieder vorbei sein. Die Traumblase in der ich zurzeit schwebe, würde platzen und am Ende wäre ich wieder dort, wo ich vor einer Woche war. Auf dem Weg in eine Zwangsheirat.
„Da bin ich dabei", stimmt Mal mir zu. „Mein Leben lang wurde ich für diese Rolle, als Caydens oberster General, vorbereitet. Wir wuchsen zusammen auf und schon immer war ich derjenige, der hinter ihm steht und ihm den Rücken frei hält" Mittlerweile ist er stehen geblieben und schaut an mir vorbei in die Ferne. „Ich liebe Cayden wirklich. Er ist mein Bruder, auch wenn wir nicht verwandt sind. Aber ich muss meinen eigenen Weg gehen. Ich habe einfach das Gefühl, dass das Leben hier in Keldor mich nicht ausfüllt. Vielleicht erwarte ich zu viel vom Leben, aber ich will frei sein. Frei von Regeln und Pflichten. Frei von Allem, was mich bedrängt. Ich will leben." Mal's Worte berühren mich und irgendwie kann ich mein Spiegelbild in ihm erkennen. Er will genau wie ich nur eine Sache von unserem kurzen Leben auf dieser Erde: Frei sein. Mit den Worten „Lass uns zusammen frei sein." beendet er seine Ansprache. Als Bestätigung seiner Worte schenke ich ihm eine Umarmung. Unsere erste Umarmung kurz angemerkt.

Langsam kriecht die Kälte wieder an mir hoch. „Wir sollten uns wirklich beeilen. Sonst erfrieren wir noch zu Eisskulpturen, bevor wir das Schloss erreichen", scherze ich. Wir trennen uns wieder von einander und gehen im zügigen Schritttempo die beleuchtete Hauptstraße entlang zum Schloss.

Mal bringt mich noch zu meinen Gemächern, obwohl ich ihm erklärt habe, dass ich es auch alleine durch den Westflügel bis hier her schaffe, aber er wollte meine Worte garnicht hören. „Quinn?" Mal spricht meinen Namen ernster aus als sonst. „Gib Cayden eine Chance. Er ist es wert. Vertrau mir bitte." Ich nicke und wende mich dann mit einem einfachen „Gute Nacht" ab.

Dieses Kapitel ist nur dafür da, um die gerade entstehende Freundschaft zwischen Malachite und Quinn darzustellen, da dies für die weitere Handlung von Bedeutung sein wird. Ich hoffe es hat euch gefallen.

Liebe Grüße<3

Kampf um CalidossWo Geschichten leben. Entdecke jetzt