Die letzten drei Tage habe ich mich im Schlossgarten aufgehalten. Gestern habe ich es mir zum Beispiel zur Aufgabe gemacht, das Labyrinth aus Hecken zu studieren. Heute kenne ich jeden Winkel des Durcheinanders aus Gestrüpp. Die Schlossbibliothek habe ich vorgestern erkundet, aber um alles zu durchforsten, braucht man Jahre. Von alten Legenden bis hin zu schnulzigen Liebesromanen konnte ich dort alles finden. Eigentlich freue ich mich auf heute, denn Mal wollte mich gleich zum Trainieren abholen. Er und seine Soldaten trainieren täglich, aber heute werde ich dabei sein dürfen. So lange habe ich schon kein Schwert mehr angerührt. Es wird wieder Zeit mich an meine Grenzen zu bringen.
Als es an der Tür klopft, steige ich schnell in die Lederkluft, die mir eine Zofe vorhin noch gebracht hat. Dann stecke ich noch meine Haare zurück und laufe zur Tür. Mal steht wie erwartet ebenfalls in einer Lederkluft vor mir und hält mir seinen Arm hin. Ich ergreife diesen und hake mich bei ihm ein.
Wenig später kommen wir auf einem großen Trainingsplatz in der Nähe des Schlossgartens zum stehen. Mal's Soldaten sind auch schon da und Einige haben bereits angefangen sich aufzuwärmen oder zu dehnen. „Das ist Lynn. Meine Schwester. Sie wird heute mit uns trainieren", ruft Mal über den Platz. Die Meisten Nicken mir einmal zu und wenden dann ihre Blicke wieder zu Mal. Zuerst weist er uns an, dass wir drei Runden um den Schlossgarten laufen sollen. Der Garten ist, wie alles hier in Ravkin, größer als in Meldris und schon nach einer Runde bekommen ich Seitenstiche. Ich zwinge mich die letzten beiden Runden noch zu beenden und komme dann erschöpft auf dem Trainingsplatz wieder an. Letzter bin ich nicht, aber auch nicht erster. Nach Luft ringend versuche ich so wenig ausgenockt wie möglich zu wirken. Nachdem alle eingetroffen sind, beginnen wir mit einfachen Schwertkampfübungen, die ich gemeinsam mit Mal ausführe. Als wir damit fertig sind, machen wir uns auf den Weg zu den Schießständen. Dort werden wir mit Pfeil und Bogen üben. Darin bin ich zwar nicht so gut wie im Umgang mit dem Schwert, aber schlecht bin ich auch nicht. Mal macht den Ablauf einmal vor. Sein Pfeil trifft direkt in die Mitte und ein Staunen fährt durch die Versammelten. Als Nächstes bin ich dran. So wie Mal es gezeigt hat, spanne ich den Bogen. „Lyn!", brüllt jemand hinter mir, als ich den Pfeil abfeuere. Ich habe mich so erschrocken, dass der Pfeil sein Ziel komplett verfehlt und einpar Meter vor der Scheibe auf den Boden trifft.
Plötzlich ziehen sich die Wolken zusammen und verdecken die Sonne. Ein seltsames Gefühl breitet sich in mir aus. Irgendetwas in mir sagt mir, dass hier etwas nicht stimmt. Irgendetwas fehlt. Einige Regentropfen fallen in das weiche Gras. Die Stimme von eben habe ich schon seit mehr als drei Tagen nicht mehr gehört. Um mich zu vergewissern, dass es wirklich Cayden ist, drehe ich mich um. „Mal wird euch morgen wieder trainieren. Geht nach Hause zu euren Familien", ordnet Cayden an. Seine Stimme ist dabei herrisch.
Als die Männer verschwunden sind, wendet sich Cayden mir zu. „Es tut mir leid, dass ich dich sitzen gelassen habe. Ich musste-" Er scheint nach den richtigen Worten zu suchen. „Ich musste etwas wichtiges klären." Mein Atem stockt und bevor ich es verhindern kann, sprechen meine Lippen einfach aus was ich denke: „Mit Miss Kemper?" Durchdringend sieht Cayden mich an. In seinen dunklen Augen bilde ich mir ein, für einen kurzen Moment etwas entschuldigendes zu sehen. „Ja, mit Miss Kemper. Es sollte dich eigentlich nichts angehen mit wem ich Dinge zu klären habe und mit wem nicht", gibt er bissig zurück. „Es interessiert mich ohnehin nicht", erwidere ich gereizt. Was bildet dieser Idiot sich eigentlich ein? Als ob es mich interessiert was er mit Miss Kemper zu tun hat. Soll sie ihm doch ihre Vorzüge zeigen. Bald bin ich hier sowieso weg. Die Welt ruft mich und ich werde ihr antworten, in dem ich alles was sie zu bieten hat, kosten werde. Ich werde meine Freiheit genauso wie ich es zu Mal bereits gesagt habe in vollen Zügen genießen. Weit weg von hinterlistigen Spielchen und Getuschel bei Hofe.
Ohne noch etwas zu sagen, laufe ich an Cayden vorbei. Mal hat uns die ganze Zeit nur beobachtet. Wahrscheinlich weiß er nicht wie er reagieren soll oder auf welche Seite er sich stellen soll.
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Kampf um Calidoss
FantasyQuinn. Eine junge Prinzessin. Privilegiert durch ihren Stand und ihre Schönheit. Ihre bevorstehende Heirat zwingt sie zur Flucht. Mit Hilfe von Cayden, einem äußerst attraktiven König, macht sie sich auf den Weg ihre Zukunft in Freiheit zu leben. Do...