Kapitel 11

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„Herzlich Willkommen auf der Xandria."

Mit einer Handbewegung deutet der kleine Mann, der vermutlich Odin heißt, auf das Schiff. In der Mitte des Decks sitzen etwa 20 Männer. Die eine Hälfte ist in piratenähnliche Kleidung gekleidet und die andere Hälfte trägt die königliche Uniform Keldors. „Ich bin Odin und das sind meine Männer.", stellt Odin sich mir vor. Die Männer lächeln mich an oder winken mir kurz zu, widmen sich dann aber wieder ihrem Kartenspiel. „Ich bin-", beginne ich. Doch Malachite unterbricht mich. „Das ist meine Schwester Lyn. Ich habe sie Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Doch jetzt sind wir endlich wieder vereint und fahren in die Heimat." Zuerst bin ich verwirrt, aber dann ergibt es Sinn nicht meinen richtigen Namen zu verwenden. Odin und seine Männer sind Piraten, das sieht jeder Blinde. Piraten tun alles für ein wenig Geld. Falls schon ein Finderlohn auf mich existiert, würden sie mich auf der Stelle der Königin aushändigen und dann kann ich mein Leben in Freiheit vergessen. Ich nicke als Bestätigung auf Malachites Aussage Odin zu.

„Männer! Segel setzen und Anker lichten. In drei Minuten will ich aus dem Hafen sein.", brüllt Odin über das Schiff. Die 10 Piraten springen auf und begeben sich auf ihre Positionen. In dem ganzen Trubel entscheide ich mich, mich lieber an den Rand zu stellen.

Nach weniger als drei Minuten befinden wir uns wirklich nicht mehr im Hafen, sondern auf offenem Meer. Meldris und seine Lichter werden hinter uns immer kleiner. Lange stehe ich einfach nur da und sehe zu wie Meldris schrumpft. Mein schlechtes Gewissen gegenüber Mady und Jason wächst mit jedem Meter, den sich das Schiff von meiner Heimatstadt entfernt. Ich hätte wenigstens einen Brief zurücklassen können. Und wieder habe ich nur auf mein Wohlergehen geachtet. Ich ähnele viel zu sehr meiner Mutter und genau das hasse ich an mir. Mady und Jason werden sich Sorgen um mich machen. Sie werden die nächste Zeit nur damit verschwenden nach mir zu suchen, obwohl ich in Sicherheit bin. Zumindest hoffe ich, dass ich in Keldor in Sicherheit bin. Wie kann ich mit diesem schlechten Gewissen meine Freiheit genießen?

Bis spät in der Nacht stehe ich vorne an der Reling. Die Soldaten aus der Leibgarde und der Großteil der Piraten haben sich unter das Deck zurückgezogen. Es ist ruhig und zu hören sind nur die Wellen die sanft an das Schiff schlagen. Der Himmel ist so wolkenlos, dass die Sterne wunderbar an ihm glitzern. Für einen Moment bleibt die Zeit stehen und meine Gedanken kreisen nur um die Schönheit dieser Nacht.

„Die Nacht auf offenem Meer ist wunderschön, nicht wahr?" Ich habe garnicht gemerkt, dass Cayden sich neben mich gestellt hat. „Ja das ist sie.", antworte ich. Mein Kopf dreht sich ein bisschen zu Cayden, um sein Gesicht zu sehen. Doch in der Dunkelheit zu sehen, sind nur seine Umrisse. Seine fast schon schwarzen Haare sind etwas zerzaust und wehen im Wind. „Ich dachte du würdest schon schlafen, aber als ich die leere Hängematte sah, wusste ich, dass du es noch nicht tust. Also habe ich mich auf die Suche nach dir begeben.", sagt er. „Jetzt wo du hier bist, kannst du mich aufklären. Was genau passiert mit mir, wenn wir in Keldor ankommen?" Diese Frage liegt mir schon den ganzen Tag auf der Zunge. Ich hatte keine Chance Kleidung mitzunehmen. Das bedeutet dann wohl, dass ich am königlichen Hof erstmal leben werde.

Meine Vermutung bestätigt sich mit den nächsten Worten, die Cayden ausspricht.
„Du wirst an meinem Hof leben. Ich werde dir alles bieten was du benötigst. Nur wird dein Name nicht Quinn Damari sein, sondern Lyn Gravt. Malachites verschollene Schwester, die er in Calidoss wieder gefunden hat." Gravt. Der Nachname kommt mir bekannt vor. Er gehört definitiv zu einer Adelsfamilie. Aber ich wusste garnicht, dass Malachite adelig ist. „Lord und Lady Gravt, Malachites Eltern, kamen bei einem Feuer ums Leben. Er war Einzelkind. Eine Schwester hatte er nicht, bis heute." Mit seiner rechten Hand deutet er auf mich. Zusammengefasst werde ich als Malachites Schwester, Lyn Gravt an Caydens Hof erstmal leben. Komplette Freiheit ist das zwar noch nicht, aber besser als eine Zwangsehe mit einem viel zu netten Prinzen. „Und das werden die Leute glauben?" Einen skeptischen Unterton kann ich nicht unterdrücken. „Natürlich. Die Wahrheit ist das was ich zu ihr mache. Immerhin bin ich der König." Ich nicke. Alle meine Fragen sind immernoch nicht geklärt und um sie nicht zu stellen, bin ich viel zu neugierig. „Warum fahren wir nicht mit der königlichen Flotte? Und wie konntest du so schnell wieder abreisen, ohne Aufsehen zu erregen?"
„Zu deiner ersten Frage: Die Flotte wurde auf der Hinfahrt beschädigt. Die Reparatur dauert noch mindestens zwei Wochen. Also habe ich mich auf die Suche nach einer Mitfahrgelegenheit gemacht und Odin getroffen. Er hat mir erlaubt bis zu 15 Personen mit zu nehmen und das Ganze zu einem sehr guten Preis. Bei deiner Mutter habe ich mich mit der Ausrede, dass ich wichtige Gäste empfange, verabschiedet. Ich weiß nicht, ob sie mir das abgekauft hat, aber ich hoffe es." Das ergibt Sinn. Stumm schaue ich nun wieder in die Dunkelheit vor mir. Ein warmes Gefühl macht sich langsam in mir breit. Was ist das? Doch nicht etwa Caydens Anwesenheit, oder? Das bilde ich mir sicher nur ein. Vielleicht ist die Temperatur gestiegen. „Komm wir gehen schlafen.", unterbricht Cayden die Stille, die sich ausgebreitet hat. Überraschenderweise schließt sich seine um meine Hand. Das darauffolgende Kribbeln erschreckt mich und ich trenne unsere Hände schnell wieder voneinander. Cayden scheint es einfach zu ignorieren und geht weiter. Unter Deck kann man schon von Weitem das Schnarchen der Schlafenden hören. „Du kannst in meinem Zimmer schlafen. Die Hängematten sind viel zu unbequem.", meint Cayden. Er führt mich an den Schlafenden vorbei in einen schmalen Flur. An einer großen Holztür bleibt er stehen und öffnet diese dann für mich. Mit einem „Gute Nacht Quinn." verabschiedet er sich von mir und ist auch schon wieder verschwunden. „Gute Nacht Cayden." flüstere ich in die Stille. Wissend, dass er es nicht mehr gehört hat. Dieser Mann ist ganz schön verwirrend. Er nimmt einfach so meine Hand, überlässt mir sein Zimmer und dann verschwindet er so schnell er kann wieder. Ich sollte mir darüber nicht zu sehr den Kopf zerbrechen. Cayden ist ein Mörder und das sollte ich immer im Hinterkopf behalten. Ich gehe in das Zimmer und schließe die Holztür hinter mir. Als ich mich umdrehe, stehe ich in einem mittelgroßen Raum. Gegenüber der Tür unter einem kleinen, schmalen Fenster steht ein Doppelbett aus Holz, in dem Bilder rein geschnitzt worden sind. Vor dem Bett steht eine Truhe, links steht ein großes Bücherregal und an der rechten Wand ein Schreibpult auf dem verschiedene Dokument abgelegt worden sind. Meine Neugier ist groß, aber ich kann mich gerade noch so davon abhalten in den fremden Unterlagen rumzuschnüffeln. Wahrscheinlich weil mich meine Müdigkeit halb überwältigt. Als ich aus dem kleinen Fenster sehe, ist es noch stockdunkel, aber laut meinem Zeitgefühl müsste die Sonne jeden Augenblick aufgehen. Ein Nacht Hemd habe ich nicht zur Hand. Und Cayden fragen, wo er denn Kleidung für mich hat, will ich nicht. Diese gesamte Situation mit ihm ist irritierend und da ich sowieso total müde bin, falle ich einfach ins Bett.

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Ich hoffe euch gefällt das Kapitel.
Wenn ihr Verbesserungsvorschläge habt, schreibt sie gerne in die Kommentare:)

Kampf um CalidossWo Geschichten leben. Entdecke jetzt