Ich hab dich enttäuscht

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Meine Schwester schlief auf dem Sofa, Leander saß neben ihr und schaute mich fragend an. „Sie hat Papa fast jeden Tag erzählt, dass sie schon bei Frederic Abendbrot gegessen hätte. Hat sie aber nicht. Ich habe ihn gerade angerufen und er meinte, dass sie auch schon länger nicht mehr bei ihm übernachtet hat." Ich schüttelte den Kopf vor Fassungslosigkeit und Leander seufzte resigniert.
Anschließend ging ich zurück ins Esszimmer, in dem alle Anderen gerade den Nachtisch aßen. Es gab Helado de Dulce de Leche. Ich ging zu Lilly. „Du... Schatz?", „Spucks schon aus. Was willst du?", antwortete sie mir mit einem Lachen. „Ist es okay wenn Marilena hier für eine gewisse Zeit einzieht?", „Ähhh, Ja klar. Aber darf ich fragen wieso? Hat es was damit zu tun wie es ihr geht?", „Ja, aber ich würde es vorziehen dir nicht zu sagen was genau los ist. Sie soll das selber machen, wenn sie es selbst begreift und bereit ist dir zu sagen was los ist.", „Okay. Aber wenn ich was beachten soll, dann musst du mir das sagen.", „Si claro. Danke Schatz. Ich warn dich nur schonmal vor, sie wird selbst nicht hier wohnen wollen.", „Das hab ich mir schon gedacht. Ich leg mir schonmal ne dicke Haut gegen die Beschimpfungen zu.", meinte Lilly und grinste. „Tu das.", meinte ich und küsste meine Freundin. Anschließend setzte ich mich an den Tisch, weil ich etwas mit Mia und Luis quatschen wollte. Die Beiden schienen schon voll in unsere Freundesgruppe integriert zu sein. „Hey Mia, Luis, seid ihr bereit für morgen?", „Ja. Ich freu mich schon auf den Praxisalltag. Der ist ja bestimmt schon nochmal anders als in einer „normalen" Praxis.", meinte Mia. „Ja, aber vertraut mir, ihr seid voll umfänglich vorbereitet. Leander und ich haben eu...", „PAULO!!!", schrie Leander plötzlich aus dem Wohnzimmer und unterbrach mich damit. Sofort verstummten alle und ich stand abrupt auf. Als ich gerade am Wohnzimmer ankam, rannte mir schon eine geisterbleiche Marilena entgegen, die weiter Richtung Badezimmer rannte, ich sofort hinterher.
Sie kniete vorm WC und übergab sich. Ich nahm ihr die Haare aus dem Gesicht und schnappte mir einen von Lillys Haargummies mit dem ich ihre Haare locker zusammenband. Leander kam rein und schloss die Tür ab. Wir brauchten jetzt keine fünf Ärzte, die alle ne Meinung hatten. Wir strichen ihr Beide beruhigend über den Rücken. „Alles raus?", fragte ich meine Schwester. Sie nickte und sank nach hinten zurück.
Leander reichte ihr einen Becher mit Wasser. „Danke.", sagte sie schwach und spülte sich den Mund aus. „Hast du noch was gegessen Engel?", fragte ich sie. Mena nickte. „Was hast du gegessen Schwesterherz?" Keine Antwort. „Hey, Marilena, red mit mir. Was hast du gegessen? Ich bin nicht sauer. Ich will nur für dich da sein können." Sie sagte immer noch nichts. „Sie hat ein Salamibrötchen und noch etwas Flammkuchen gegessen.", „Angelito.. Das war wohl zu viel für deinen kleinen Magen.", „Mein Magen ist nicht klein.", dementierte sie kaum hörbar. „Doch mein Engel. Da musst du mir leider glauben. Guck mal, durch das ganze Nichtessen, dass du in den letzten Wochen veranstaltet hast kann dein Magen nichtmal mehr Flammkuchen und ein Salamibrötchen einfach so bei sich behalten. Der hat sich daran gewöhnt, dass du nur noch ganz wenig isst."
Tränen liefen über ihr Gesicht. „Es tut mir leid Pau. Ich hab dich enttäuscht.", meinte sie tränenüberströmt. Ich drückte ihren Kopf an meine Brust und antwortete ihr: „Nein Engel, du hast mich nicht enttäuscht. Klar, traurig bin ich, weil du nichts gesagt hast, aber ich bin nicht enttäuscht. Ich bin wütend auf Papa, weil er nicht auf dich aufgepasst hat, aber nicht auf dich. Ich kann mir kaum vorstellen was du gerade durchlebst, aber du darfst eine Sache nie vergessen. Ich vertraue dir und du vertraust mir, zumindest normalerweise. Ich bin ganz ehrlich, jetzt gerade darf ich dir nicht vertrauen. Ich weiß das ist gemein, aber du würdest sonst jede Möglichkeit nutzen um mein Vertrauen zu missbrauchen. Mag sein, dass du mir das jetzt nicht glaubst und dir nicht vorstellen kannst, aber es ist zu deiner eigenen Sicherheit mein Engel." Sie war komplett verstummt und sagte kein Wort mehr. Leise liefen ihr ein paar Tränen über das Gesicht. „Soll ich weggehen Marilena? Willst du mit Leander alleine bleiben?", fragte ich sie. Wie vom Blitz getroffen klammerte sie sich an mich und schüttelte vehement den Kopf. „Bleib bitte bei mir Pau, ich brauch dich.", „Alles gut. Ich bleib hier, wenn du das willst."
Eine Weile saßen wir so da, meine Schwester in meinen Armen und Leander auf der Badewannenkante. „Also wegen mir können wir bis morgen hier bleiben, aber ich nehme an, dass das Schlafzimmer oder Wohnzimmer doch nochmal bequemer ist. Also was haltet ihr davon, wenn wir zumindest ins Wohnzimmer umziehen? Wäre lediglich nur son Vorschlag von mir.", meinte Leander leicht belustigt. „Joa, das wäre ne gute Idee.", antwortete ich und streckte meine Arme aus. „Na Mena? Was hältst du davon, wenn wir woanders hingehen?", „MhMh.", schüttelte sie den Kopf. „Wieso nicht Marilena?", wollte Leander von ihr wissen. „Weil da draußen die ganzen Leute sind. Ich will nicht, dass die mich sehen.", „Okay, also willst du hier bleiben bis Alle weg sind?", „Lieber das, ja.", „Dann machen wir mal ganz schnell, dass die weggehen, ja?", „Hm."
„Leander bleibt bei dir. Ich bin sofort wieder hier, versprochen.", „Okay...", nuschelte sie.
Damit ging ich raus ins Wohnzimmer. Alle saßen im Wohnzimmer, tranken ein Glas Wein und quatschten miteinander. Die Stimmung war sehr ausgelassen, auch wenn alle sofort verstummten sobald sie mich sahen. „Sohn, wie geht's Marilena?", wollte Papa wissen. „Ganz ehrlich? Sehr schlecht. Deshalb muss ich euch bitten zu gehen. Also Papa du kannst natürlich bleiben. Ach und Luis bleibst du bitte auch? Ich brauch dich noch.", „Äh, Ja, klar."
Ich glaubte, dass es besser wäre, wenn wir zu dritt mit medizinischen Kenntnissen wären und ich hatte das Gefühl, dass  Marilena sich mit Luis wohler fühlte als mit Mia. Außerdem kannte sich Luis sehr gut in der Praxis aus. Er und Mia hatten in den letzten Tagen diese quasi inhaliert und auswendig gelernt.
Alle standen auf und verabschiedeten sich von uns. „Du Paulo, ich glaub ich gehe auch. Ich hab das Gefühl, dass es besser ist wenn ich zu Hause schlafe und Marilena morgen ein paar Sachen vorbei bringe.", „Klar, mach das, was du für richtig hältst.", meinte ich erschöpft. Mir war es ehrlicherweise herzlich egal was Papa machte. Denn ich war müde, unglaublich müde. Alles was heute passiert war, hatte mich sehr geschafft.

Ich, Lilly und MenaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt