Paulos Behandlungsraum

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„und das ist mein zweiter Behandlungsraum.", meinte Leander gerade, als ich zur Gruppe stieß. Während er weiterredete und alles erklärte, schlich ich mich zu Rick und Fede.
„Hey, Jungs.", flüsterte ich ihnen zu. „Mena liegt da drüben im Raum und schläft. Ich glaube ihr hättet kein Problem damit zu ihr zu gehen und sie hoch in mein Schlafzimmer zu bringen, oder? Jeder sieht euch an, dass ihr euch langweilt.", fand ich und schmunzelte. „Also Pau, wie kommst du nur auf die Idee, dass wir, Lehrer, uns hier langweilen würden.", sagte Rick gespielt empört und sehr ironisch. Ich musste mir ein Lachen verkneifen und schob meine zwei besten Freunde Richtung Tür.

Danach stellte ich mich etwas abseits und war wieder voll bei der Sache. „Alle Räume sind mit Lautsprechern ausgestattet. Durch diese kann individuell Musik eingestellt werden. Da wir Beide Patienten haben werden, die uns gegenüber enorm skeptisch und ängstlich sein werden, haben wir unter den Schreibtischen,... , wie könnte man die nennen... Sagen wir es sind stille Rufschalter. Wenn diese gedrückt werden, dann erscheinen vorne an der Anmeldung auf beiden Computern schriftliche Hinweise, dass Mia oder Luis in einen der Räume kommen sollen. So wollen wir den Stress in Extremsituationen zumindest etwas minimieren.", beendete Leander seinen Monolog.
„Dann würde ich sagen gehen wir mal rüber in meine Räume.", sprach ich in die Runde und die Gruppe setzte sich in Gang, Luis und Mia vorneweg, während Leander und ich uns nach hinten absetzten. „Was war denn jetzt los mit Marilena? Geht es ihr besser?", „Ja, es geht ihr etwas besser. Die ganze Situation mit den vielen Ärzten und den Praxisräumen war einfach viel zu viel für sie, aber gleichzeitig wollte sie mich nicht enttäuschen. Deswegen hat sie lange versucht es einfach zu unterdrücken, aber du hast ja selbst gemerkt, dass das nicht gut ging.", „Da hast du Recht. Sie war wie ausgewechselt. Ich hatte überhaupt gar keinen Zugang zu ihr. Sie war wie erstarrt und hat auf gar nichts reagiert.", „Deswegen habe ich sie auch einfach hochgehoben und aus der Situation gebracht. Ich hab sie einfach in meinen Armen gehalten und dann ist sie irgendwann eingeschlafen. Die ganze Situation muss sie sehr erschöpft haben."
Wir gingen weiter den Flur entlang. „Und wo ist sie jetzt?", fragte Leander etwas besorgt. „Keine Sorge. Ich habe sie in den Ruheraum auf die Couch gelegt. So weit konnte ich auch noch denken, dass sie nicht alleine in einem Behandlungsraum aufwachen sollte."
Leander schien sich wieder zu entspannen. „Und was hast du Federico und Riccardo gefragt? Die zwei sind ja freudestrahlend abgezischt.", meinte er und kicherte nebenbei. „Ich habe den Beiden aufgetragen Marilena hoch in mein Schlafzimmer zu bringen und bei ihr zu bleiben. Die haben sich sowieso nur gelangweilt.", „Allerdings. Das hätte man sogar aus 100 Meter Entfernung erkannt."
Wir bahnten uns einen Weg zu meiner ersten Tür. „So da wären wir. Da ist mein erster Behandlungsraum. Entschuldigt das minimale Chaos, aber ich war gerade noch mit meiner Schwester hier drin.", „Alles okay mit ihr?", fragten ein paar Leute, darunter Papa. „Ja ihr geht's wieder gut, aber sie ist sehr erschöpft und jetzt mit meinen besten Freunden oben im Wohnbereich."
Die Besorgnis um meine Schwester legte sich wieder und wir betraten den Raum, ich vorneweg. Meine Wände waren in einem ganz hellen Grau gestrichen und hatten hier und da vereinzelte pastellgrüne Akzente, nichts wirklich weltbewegendes. Es war sehr schlicht gehalten. Wenn man rein kam, sah man erstmal nur den Schreibtisch, mit meinem Bürostuhl und zwei weiteren Stühlen, die vor dem Tisch standen. Um zur Untersuchungsliege zu kommen musste man etwas um die Ecke gehen. Das war auch der Grund, warum alle etwas ratlos im Raum standen, zumindest was die Ärzte anging.
Ich musste lachen und löste die Ratlosigkeit auf: „Um die Fragezeichen in euren Gesichtern aufzulösen, die Untersuchungsliege ist dort um die Ecke. Das Ziel war es die Liege etwas abzuschirmen damit man sich zumindest etwas wohler fühlt. Auch hier findet ihr die von Leander bereits angesprochenen Lautsprecher und den sogenannten „Notfallschalter". Ihr könnt gerne um die Ecke gehen.
Alle, bis auf Lilly, gingen weiter rein ins Zimmer. Meine Freundin blieb unschlüssig vor dem Raum stehen. „Qué pasa cariño?", „Deutsch bitte." Ich schmunzelte und wiederholte meine Frage auf deutsch. „Was ist los Liebling?", „Ähh.... Keine Lust... Ich hab doch eh schon alles gesehen.", stammelte sie vor sich hin. „Sicher, dass du einfach keine Lust hast?", fragte ich sie einfühlsam.
Sie stand unentschlossen auf der Stelle und wusste nicht wohin mit sich. „Komm her Lilly. Dir passiert hier nichts. Na komm, ich lass nicht zu, dass dich irgendjemand anfasst. Du bist sicher." Ich hielt ihr meine Hand entgegen um ihr zu signalisieren, dass sie zu mir kommen sollte.
Sie sah sehr nervös aus und stand den Tränen nahe. Schnell reagierte ich und meinte zu den restlichen Leuten im Raum: „Ihr könnt gerne schon einmal rüber gehen, durch diese Tür da. Ich bin gleich bei euch." Zum Glück gingen auch wirklich alle rüber.
Schließlich konnte Lilly sich dann doch überwinden und lief zu mir in die Mitte des Raums. Ich hielt sie fest in meinen Armen und strich ihr beruhigend über den Rücken.
Auf einmal hörte ich ein Schluchzen. „Warum weinst du Amor?", „Nichts, schon gut.", sagte sie erschrocken und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Nach nichts sieht das aber nicht aus mein Schatz. Komm schon, sag mir bitte was los ist." Sie fing wieder an zu weinen und stammelte: „Naja... Das ist mir.... so peinlich..... Ich bin doch schon erwachsen. Und trotzdem....." Sie überlegte und stammelte weiter vor sich hin. „Und trotzdem?", „Naja... Trotzdem hab ich solche Angst vor dieser Praxis und vor Ärzten. Ich komm mir so dumm vor. Ich weiß doch, dass mir bei dir nichts passieren würde. Trotzdem werde ich jedes Mal wenn ich hier rein muss so ängstlich. Pau wieso kann ich nicht einfach normal sein?"
Ich schluckte. So offen hatte sie noch nie mit mir gesprochen. Ich wusste zwar, dass sie immer wieder damit zu kämpfen hatte, dass sie bei allem was medizinisch war Angst bekam, aber so deutlich hatte sie es noch nie gesagt. „Corazón. Das muss dir nicht peinlich sein. Du wirst deine Gründe dafür haben. Niemand, auch ich nicht, hat das Recht dich dazu zu zwingen zu sagen was in deiner Vergangenheit passiert ist und was deine Angst ausgelöst hat.", „Woher?..", „Sagen wir einfach du bist nicht die erste Person, die ich kenne, die so auf Ärzte reagiert. Ich hatte schon mehrfach Patienten, bei denen ich nach sehr viel Geduld und Vertrauensgewinnung herausbekommen habe, dass sie von anderen Kollegen sehr übel behandelt wurden. Deswegen konnte ich mir schon bei unserem ersten Treffen in der Krankenhauscafeteria denken, dass du sowas auch erlebt hast. Aber wie ich bereits sagte, du musst mir gar nichts erzählen, wenn du nicht bereit dazu bist. Nur eines musst du mir glauben, ja?"
Sie nickte zögerlich. „Ich werde dir nie, nie im Leben etwas antun. Egal ob in unserem privaten Leben, oder wenn du mich als Arzt brauchst. Nie im Leben werde ich dir weh tun, ja?" Sie nickte wieder, gab aber keinen Ton von sich. „Vertraust du mir Lilly?", fragte ich sie. „Ja.", schniefte sie. „Te amo mi amor.", « Je t'aime aussi.»
„Komm wir gehen rüber ins andere Zimmer. Bleib einfach bei mir. Ich lass deine Hand nicht los.", „Versprochen?", „Ganz fest versprochen."
Damit gingen wir durch die Verbindungstür.

Ich, Lilly und MenaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt