Erinnerungen

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P. O. V. Paulo:
Hey, Lilly. Lass bitte die Augen offen Schatz. Nicht schlafen.", redete ich sanft auf sie ein und setzte ihr einen Schmerzreiz, während sie das Stück Schokolade aß. Äußerlich war ich die Ruhe selbst. Innerlich hatte ich doch etwas Muffensausen. „Nein Lilly. Lass die Augen offen. Super machst du das."
Mena kam mit dem Glas Wasser zurück. „Hier Lilly, trink mal bitte das Glas Wasser." Sie schüttelte den Kopf. „Doch Schatz. Trink bitte das Glas Wasser.", „Ich will nicht." Ich lehnte meinen Kopf an die Wand und rollte genervt mit den Augen. „Lillianne, du bist mir hier gerade wie im Lehrbuch-Beispiel kollabiert, weil du in den letzten Tagen kaum getrunken hast. Ich gehe erst wenn das Glas leer ist. Schwesterherz, kannst du mir mal bitte meinen Arztkoffer holen?" Sie sprang sofort auf. „So Lilly, entweder du trinkst das Glas Wasser jetzt, was dich auch übrigens nicht umbringen wird, oder ich geb dir eine Infusion." Ich wusste, dass das hart klang, aber mir war auch nicht zum lächeln zu Mute.
Lilly jammerte, aber nahm schließlich das Glas in die Hand und trank zumindest ein paar Schlücke. „Gracias corazón. Ich würde dich ungerne hier alleine in der Wohnung lassen. Aber Marilena braucht den Tag heute mit mir. Sonst dreht sie noch durch. War nicht der Partner von einer deiner Freundinnen irgendwas medizinisches?", „Cleas Mann ist Psychologe.", meinte Lilly.
Marilena kam mit meiner Tasche zurück. „Danke Engel. Aber Psychologe passt auch. Mir geht es nur darum, dass wenn was passieren sollte, Jemand hier ist, der ein bisschen Ahnung hat. Nur zur Sicherheit. Wäre es okay für dich, wenn ich Clea und ihren Freund einlade herzukommen? Ihr könnt ja zusammen zu Mittag essen und quatschen.", „Okay.", flüsterte Lilly.
Ich gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Trinkst du bitte noch einen Schluck?" Sie hörte auf mich und trank das Glas sogar leer. Ich fischte das Pulsoximeter aus der Tasche und steckte es an ihren Finger. „Also dein Puls und die Sauerstoffsättigung sehen ganz gut aus. Ich messe kurz noch deinen Blutdruck, ja?", „Wenn's sein muss." Ich antwortete gar nicht erst, weil sie die Antwort sowieso schon kannte.
Aus meiner Arzttasche nahm ich das Blutdruckmessgerät und legte ihr die Schlaufe um den Arm. „Das drückt kurz ein bisschen Schatz, aber nichts schlimmes." Ich verschloss den Klettverschluss und drückte auf Start. Langsam blies sich das Armding auf. Lilly fühlte sich sichtlich unwohl und griff plötzlich nach der Schlaufe um ihren Arm. Sie versuchte es sich vom Arm zu reißen. Schnell schritt ich ein und griff mir ihre Hände. „Hey, Lilly. Schau mich an. Lass das bitte dran. Ich weiß, dass es unangenehm ist, aber es muss sein.", redete ich auf sie ein. Sie riss ihre Augen auf, als hätte sie einen Flashback. Sie meinte angsterfüllt: „Nein, lass mich los, lass mich los! Es tut mir leid, aber bitte tu mir nicht weh!" Sofort nahm ich ihr das Armding ab. Sie dachte wohl, dass sie von Jemandem festgehalten wurde. „Lilly, du bist in Sicherheit. Dir passiert nichts. Ganz ruhig. Du bist zu Hause bei uns, in der Villa. Dir kann nichts passieren. Das war nur das Blutdruckmessgerät."
Langsam beruhigte sie sich wieder. „Komm her Schatz." Lilly lehnte ihren Kopf gegen meine Brust und schluchzte. Sie machte mir wirklich Sorgen. Irgendwas war da passiert in ihrer Vergangenheit. Aber ich wusste nicht was es war. „Schon gut Lilly. Alles wird wieder gut." Ich küsste sie auf den Kopf und wiegte hin und her. „Soll ich hier bleiben Schatz? Ich kann auch ein anderes Mal mit Marilena weggehen.", „N n n n n ei ei n.", „Okay. Willst du mir erzählen woran dich das gerade erinnert hat?", fragte ich sie und kraulte ihr durchs Haar. Sie schüttelte den Kopf. „Okay, kein Problem. Du kannst es mir erzählen wenn du dich bereit dazu fühlst.", „Danke.", brachte sie unter Schluchzern hervor.
Lilly kuschelte sich enger an mich und ich raunte zu ihr: „Ich glaube das mit dem Blutdruck lassen wir erstmal. Hast du noch Bauchkrämpfe?" Sie nickte. „Aber nur leicht.", „Komm ich bring dich erstmal ins Bett. Dann kannst du dich noch ein bisschen ausruhen bis Clea und ihr Mann kommen. Die ruf ich auch sofort an. Die Nummer ist im Telefon eingespeichert, oder?" Sie nickte und ich half ihr hoch. „Marilena, machst du dich bitte fertig? Wir fahren los, sobald Lillys Freundin hier ist.", bat ich meine Schwester.
Ich verfrachtete meine Freundin ins Bett und zog mich schnell um. Anschließend ging ich ins Wohnzimmer und rief mit unserem Festnetztelefon Clea an.
Clea: Hallo, Clea Wagner hier. Wer ist da?
Paulo: Hallo Clea. Hier ist Paulo Romero. Lillys Freund. Vielleicht erinnerst du dich noch an mich. Wir waren mal zu dritt Minigolfen.
Clea: Ah ja. Ich erinnere mich. Wie kann ich dir helfen?
Paulo: Sag mal haben du und dein Mann heute Zeit?
Clea: Ja. Wir wollten eigentlich shoppen gehen. Aber dann hatten wir heute doch keine Lust in die überfüllte Innenstadt zu gehen. Wieso fragst du?
Paulo: Hättet ihr Lust zu uns zu kommen? Ich fahre gleich mit meiner Schwester in den Zoo, aber Lilly bleibt hier, weil es ihr nicht so super geht. Ich hätte nur wirklich gerne, dass sie hier nicht alleine ist. Aber meinen Kumpel Leander kann sie wahrscheinlich nicht mehr sehen. Deshalb dachten wir, dass du und dein Ehemann vielleicht herkommen wollt. Das würde mir zumindest die Sicherheit geben, dass Jemand für den Notfall hier ist.
Clea: Ja klar. Wir kommen gerne. Habt ihr Mittagessen zu Hause? Sonst würden wir einfach was holen und mitbringen.
Paulo: Was das angeht sieht es eher mau aus. Ich wollte nach dem Zoobesuch einkaufen gehen.
Clea: Gut, dann bringen wir was mit. Darf ich fragen was mit Lilly ist?
Paulo: Menstruation. Und sie ist dehydriert, ist mir gerade umgeklappt.
Clea (grinsend): Ja, das klingt nach Lillianne. Wir sind in einer halben Stunde da, passt das?
Paulo: Ja, passt. Bis später.
Clea: Bis dann.
Ich legte auf und klopfte an Marilenas Tür. „Kann ich reinkommen Schwesterherz?", „Ja, komm rein!" Ich öffnete die Tür. Marilena hatte sich umgezogen und trug ein wunderschönes Kleid. „Du siehst richtig gut aus Mena. Soll ich dir die Haare machen?" Sie nickte fröhlich und drückte mir Haarbürste und Haargummis in die Hand. Ich ging mit ihr zu ihrem Bett und setzte mich hinter sie.
Es war ein Leichtes ihre weichen Haare zu kämmen. Ich konnte mich noch an Zeiten erinnern, da war sie 5 oder 6 Jahre alt, in denen es lange gedauert hatte ihre Haare zu durchkämmen, weil sie das Selber nie oder kaum tat. Das hatte immer sehr viele Tränen und Geschrei gegeben. Da unsere Eltern nie für lange Zeit zu Hause waren, hatte ich schnell lernen müssen, wie man verschiedene Frisuren machte. Und ich spürte, dass Marilena es immer sehr genoss, wenn ich ihre Haare frisierte. „Was soll es dieses Mal sein?", „Kannst du mir zwei französische Zöpfe flechten?", „Wie sie wünschen." Also flocht ich ihre Haare und quatschte mit ihr über Gott und die Welt. Wir redeten über Serien, die sie gerade schaute, ich schwärmte über die Musik meiner Kindheit und Mena machte sich über meinen Musikgeschmack lustig.
„So du Musikgenie, ich bin fertig. Lillys Freundin und ihr Mann müssten auch in wenigen Minuten kommen. Dann machen wir los. Du kannst gerne noch was schauen oder lesen. Ich gehe kurz nochmal zu Lilly." Marilena schnappte sich ihr Handy und ich verließ ihr Zimmer.
Lilly lag schlafend in unserem Bett. Ich setzte mich neben sie und weckte sie sachte auf: „Hey, Schatz. Wach mal kurz auf. Ich will dir was sagen." Mühsam öffnete sie die Augen. „Clea und ihr Mann sind jeden Moment da und bringen Mittagessen mit. Du isst bitte was, keine Widerrede. Und es wäre wirklich super, wenn du die Flasche leer getrunken hast bis heute Abend, ja?", „Ich versuche es mon amour.", flüsterte sie erschöpft. „Danke. Das reicht mir. Willst du aufstehen?" Sie nickte.
Also half ich ihr aufzustehen, begleitete sie ins Wohnzimmer und verfrachtete sie aufs Sofa. Ich holte gerade die Wasserflasche aus unserem Schlafzimmer, da klingelte es an der Tür. Lilly wollte gerade Anstalten machen aufzustehen, aber ich bremste sie: „Liegen bleiben. Ich geh schon."
Ich drückte auf den Türöffner und öffnete unsere innere Haustür. Keine 20 Sekunden später standen Clea und ihr Mann vor mir. Ich umarmte Clea zur Begrüßung: „Hey, hallo Clea. Schön dich zu sehen.", „Hallo Paulo. Wo hast du denn Anne gelassen?" Ich war kurz verwirrt. Dann fiel mir aber wieder ein, dass Clea Lillianne so nannte.
„Die liegt auf dem Sofa. Das ist gleich hier um die Ecke." Sofort verschwand sie freudestrahlend. Ich begrüßte ihren Ehemann. „Freut mich dich kennenzulernen. Ich bin Paulo Romero, Lilliannes Freund.", „Hallo Paulo, ich bin Benedikt Fischer. Clea meinte du hast auch Medizin studiert?" Ich bat ihn mit einer Handbewegung herein und schloss die Tür. „Ja, ich war bis vor ein paar Monaten noch Chefarzt hier im örtlichen Krankenhaus. Jetzt habe ich mit einem Kollegen und guten Freund eine Hausarztpraxis für Patienten jeden Alters, spezialisiert auf Menschen mit Weißkittel-Phobie. Die ist hier im Haus im Erdgeschoss.", „Das ist echt cool. Ich war auch Medizinstudent und hab dann die Weiterbildung zum ärztlichen Psychotherapeuten gemacht.", „Psychotherapeut also. Wo arbeitest du jetzt?", „Ich arbeite in einer Gemeinschaftspraxis als Angestellter seit etwa einem Jahr. Man hat mir aber die Möglichkeit gegeben irgendwann Mitbesitzer zu werden.", Das klingt vielversprechend. Also, hat Clea dir erzählt wieso ihr hier seid?" Benedikt lachte kurz und grinste anschließend. „Alles was sie sagte war, Wir besuchen meine beste Freundin, bringen Essen mit und du kommst mit, weil du Arzt bist. Oder so ungefähr. Also bin ich etwas verwirrt, aber hey... wir haben Essen mitgebracht.", meinte er und hielt zwei Tüten hoch. „Okay, das hab ich mir fast gedacht. Komm, wir bringen das Essen in die Küche und ich erkläre dir wieso du hier hergeschleppt wurdest."
Wir gingen in die Küche und ich schloss die Schiebetür. „Also, ich fahre gleich mit meiner Schwester in den Zoo. Ich wollte Lilly aber nicht alleine lassen. Ihr geht's nicht so prickelnd. Sie hat immer mal wieder abdominelle Schmerzen. Außerdem ist sie mir vorhin kollabiert. Wasser trinken und essen sind nicht so ihre Stärken. Und mit medizinischen Menschen hat sie es allgemein nicht so, zwar nicht so dramatisch wie meine kleine Schwester, aber trotzdem nicht irrelevant.", „Oh ja. Da kenne ich noch Eine.", meinte Benedikt grinsend. „Jedenfalls habe ich ein besseres Gefühl, wenn Jemand mit medizinischem Hintergrund hier ist für den absoluten Notfall. Ach und ich wollte vorhin ihren Blutdruck messen. Das hat aber anscheinend irgendeinen Flashback ausgelöst. Ich wünschte ich könnte dir erzählen woher das kommt, aber ich habe keine Ahnung. Sie konnte es mir bisher nicht sagen.", „Schon gut. Wir passen auf deine Freundin auf. Du kannst ganz entspannt mit deiner Schwester rausgehen."
Ich atmete erleichtert auf. „Danke Benedikt. Ich glaube wir sollten mal ins Wohnzimmer gehen. Ich muss auch gleich los."
Wir liefen in Richtung des Sofas und ich kniete mich kurz vor Lilly. „Hey corazón. Ich mache jetzt los. Amüsiert euch schön. Denk bitte an die Wasserflasche. Ich stelle sie dir hier auf den Couchtisch. Trink die bitte leer. Sonst müsste ich dir heute Abend eine Infusion geben und das will ich eigentlich nicht wirklich. Die Beiden haben was leckeres mitgebracht. Das wird dir bestimmt schmecken. Wenn was ist, dann ruf mich einfach an. Ich vertraue Benedikt. Das darfst du auch, okay? Er wird dir nicht wehtun. Te amo Lilly. Bis heute Abend.", „Ich liebe dich auch mein Paulito. Habt Spaß im Zoo."
Ich stand auf und rief nach meiner Schwester: „Marilena, los geht's! Der Zoo wartet!", „Ich komme!" Mar kam angerannt und verabschiedete sich von Lilly. Ich schob sie durch die Tür und bat sie ihre Jacke anzuziehen, was sie, mit etwas Murren, auch tat. Wir konnten endlich los zum Zoo. Lange genug musste Marilena darauf warten mit mir was zu unternehmen. Jetzt war die Zeit endlich da und wir fuhren los in Richtung Zentrum.

Ich, Lilly und MenaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt