Mein eigenes Grauen

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P.O.V. Marilena:
Ich spürte gar nichts mehr. Alles um mich herum war wie taub. Meine innere Stimme schrie mir förmlich ins Ohr, dass ich sofort hier abhauen musste. Und vor ein paar Minuten hatte ich dem auch nachgegeben. Aber Leander kannte mich mittlerweile wohl wirklich gut. Wieso dachte er immer an alles? Das ging echt auf die Nerven.
Schwach nahm ich wahr, dass Luis um den Empfang herum kam und Leander sich vor mich kniete. Die Beiden sagten irgendwas zu mir, aber ich konnte es nicht verstehen. Wie in Watte gepackt, so fühlte ich mich gerade. Nichts, aber auch gar nichts drang zu mir durch. Ich bekam nur schemenhaft mit wie Leander seufzte, während mein Herz immer schneller schlug. Luft, ich brauchte Luft, aber irgendwie kam keine in meine Lungen. Sche*ße. Ich brauchte dringend Sauerstoff. Aber egal wie viel Luft ich einatmete, in meinen Lungen kam keine an.
Plötzlich fühlte ich einen Schmerzimpuls an meinem linken Arm. „AUUUUUUU!", schrie ich aus voller Kehle und wurde zurück ins Hier und Jetzt katapultiert. „Hörst du mich wieder Marilena?", wollte Leander von mir wissen. Ich nickte verhalten. Mein Arm tat immer noch etwas weh. „Tut mir leid, dass ich dir einen Schmerzreiz setzen musste, aber ich konnte anders nicht zu dir durchdringen. Was ich gerade meinte war, dass Luis jetzt die Sachen holt, die wir noch brauchen und ich mit dir ins „Teddy"-Zimmer gehe."
Leander richtete sich wieder auf und nahm meine Hand in seine. Dann zog er mich förmlich in den Raum. Ich folgte nur widerwillig. Mitten im Zimmer ließ mich Leander los, setzte sich auf einen der Sitzsäcke und klopfte neben sich. Ich reagierte allerdings nicht, sondern stand still im Raum. Also stand Leander wieder auf und kam zu mir. „Komm her Mar. Wir setzen uns erstmal hin." Er schob mich leicht in Richtung der Sitzsäcke und setzte sich wieder hin. Ich allerdings blieb unschlüssig stehen. Am liebsten würde ich jetzt mit Jemandem kuscheln, ich brauchte Körperkontakt, aber ich wusste nicht so ganz ob ich das bei Leander bringen konnte. „Mar, willst du kuscheln?", fragte er mich und streckte schon die Arme aus. Wieso zum Teufel wusste er immer was mir gerade durch den Kopf ging? Ich nickte und lächelte ganz kurz.
„Na komm her du Kuschelmonster." Ich trottete zu Leander und setzte mich auf seinen Schoß. Er lehnte sich zurück, schloss seine Arme um mich und kraulte mir behutsam über den Rücken. „Wir machen das genauso wie wir es vorhin besprochen haben. Ich erkläre dir alles was ich mache und wieso ich es mache. Ich bin immer ehrlich zu dir, aber im Gegenzug musst du bitte auch ehrlich zu mir sein, ja?" Ich hörte ihm die ganze Zeit zu und kuschelte mich näher an Leander ran. Dieser Körperkontakt mit ihm half mir tatsächlich mich ein Stück weit zu beruhigen. Ich war immer noch sehr nervös, aber es ging einigermaßen, da ich Leanders Herz spürte und auch seine Stimme eine beruhigende Wirkung auf mich hatte.
Luis kam rein und hatte ein Stethoskop und einen Holzspatel dabei. Das Ding würde nicht in meinen Mund gelangen. Das konnten sie vergessen. „Hey Marilena. Was hast du heute so gemacht?", begrüßte Luis mich und legte währenddessen Sachen auf einen Sitzsack neben uns, in meinen Augen ein Folterinstrument nach dem Anderen. Misstrauisch betrachtete ich das Vorgehen und antwortete währenddessen: „Filme geschaut und geschlafen.", „Das klingt gut. Muss ich auch mal wieder machen."
„Marilena stehst du bitte kurz auf. Du kannst dich gleich wieder hinsetzen. Ich muss nur selbst aufstehen." Widerwillig bewegte ich mich von Leanders Schoß und setzte mich kurz danach auf den Sitzsack. Sofort spürte ich, dass mir der enge Kontakt zu Leander zur Beruhigung fehlte. Meine innere Unruhe stieg wieder, ich atmete schneller. Wieso blieb ich eigentlich hier? Wieso rannte ich nicht einfach weg? Unruhig blickte ich hin und her, machte meine Fluchtmöglichkeiten aus.
Leander kam mit seinem Stethoskop zu mir und erkannte sofort was ich gerade machte. „Mar. Alles ist gut. Du brauchst keinen Fluchtweg. Luis und ich passen auf dich auf. Schau mich bitte an.", forderte er mich auf. Ich war aber damit beschäftigt nicht zu hyperventilieren und verstand sowieso nicht so ganz was Leander von mir wollte.
Das war wahrscheinlich der Grund dafür, dass er auf einmal mein Gesicht zwischen seine Hände nahm, sodass ich ihm jetzt in die Augen sah. „Mari, einatmen... ausatmen. Und nochmal einatmen... ausatmen..." Mit größter Mühe versuchte ich Leander zu folgen. „Super machst du das. Und noch einmal. Einatmen... und wieder ausatmen..." Zumindest hyperventilierte ich jetzt nichtmehr. Machte die Situation aber nicht unbedingt besser. Ich atmete zwar wieder einigermaßen ruhig, aber mein Herz schlug weiter unaufhörlich schnell.
„Ich höre jetzt dein Herz und deine Lungen ab, Okay? Dafür musst du mal bitte dein Oberteil etwas hochziehen. Ich bin ganz vorsichtig, versprochen." Zitternd schob ich mein Shirt nach oben. „Halt meine Hand Marilena. Das hilft ein bisschen.", meinte Luis und ich tat es. Ich nahm alles was mir in diesem Moment vielleicht helfen konnte. Leander legte den Membrankopf des Stethoskops auf meinen Rücken um meine Lunge abzuhören und runzelte dabei etwas die Stirn. Wieso tat er das? Das war jetzt nicht gerade hilfreich. Wenn er die Stirn runzelte konnte das nichts Gutes bedeuten. „Marilena du atmest etwas flach, wahrscheinlich weil du nervös bist. Das ist nicht schlimm, aber versuch mal bitte tief ein und aus zu atmen."
Ich gab mein Bestes und atmete so gut es ging tief ein und aus. „Schon viel besser Mari. Deine Lungen klingen frei. Das ist super. Jetzt höre ich dein Herz ab." Er legte den Membrankopf jetzt unterhalb und oberhalb meiner Brust. Gerade prickelnd fühlte sich das nicht an. Und deshalb wurde ich immer und immer nervöser. Ich atmete schneller, fing wieder an zu hyperventilieren. Meine Hände kribbelten, aber ich sagte Leander und Luis nichts, weil sie sonst irgendwas machen würden was ich nicht wollte. Wieder erschien eine Sorgenfalte auf Leanders Gesicht. Kurzerhand legte er das Stethoskop beiseite und legte seine Finger an meine Halsschlagader da ich meine Hände mittlerweile beide komplett mit Luis seinen verschränkt hatte. Dieser redete auf mich ein: „Shhh Marilena. Komm wir atmen zusammen. Ein 1 2 3 und wieder aus 1 2 3. Super machst du das. Und nochmal ein 1 2 3 und aus 1 2 3." So sehr ich es auch versuchte ich schaffte es nicht und mittlerweile spürte ich meine Hände auch garnicht. Demzufolge hielt ich Luis Hände kaum noch fest.
„Marilena, dein Puls ist viel zu hoch und dein Herz muss ganz schön pumpen. Schau mich bitte an." Ich hörte Leander kaum noch zu. Viel mehr war ich damit beschäftigt Luft in mich zu kriegen. Ich verstand nur, dass Leander zu Luis meinte er solle mal zur Seite gehen. Dann kniete Leander sich vor mich und nahm meine Hände in seine, zumindest war es das was ich sah. Spüren konnte ich nichts davon an meinen Händen. Und das merkte er wohl. Nur Sekunden später fragte er mich: „Marilena sei jetzt bitte ganz ehrlich. Spürst du meine Hände in deinen?" Ich schüttelte den Kopf und bemerkte wie ich langsam davon driftete. Ich sah wie meine Hände sich zusammen krampften.
„Hey, Mar hier bleiben! Bleib bei mir!", rief Leander etwas lauter damit ich ihn noch hörte. Ich hatte große Mühe meine Augen offen zu halten. Ich wollte meinen Bruder bei mir haben. Er beschützte mich immer. Ich wollte seine Nähe spüren. Deshalb krächzte ich: „P p p p aulo.", „Okay, Planänderung. Luis hol bitte sofort Paulo. Mir ist egal was er gerade macht. Sag ihm, seine Schwester braucht ihn sofort." Mir fiel es immer schwerer wach zu bleiben. Ich hörte ganz schwach, dass Leander zu mir meinte. „Atmen Mari. Paulo ist gleich da."

Ich, Lilly und MenaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt