„Ich...brauch... dich...Paulo!", weinte sie und bekam Schnappatmung. Okay, ich musste jetzt schnell machen. Deshalb rannte ich förmlich zum Mülleimer um die Einmalkappen der Geräte wegzuschmeißen. Danach beeilte ich mich schleunigst zu meiner Freundin zu gelangen, die mittlerweile schwer atmend auf der Liege lag, beziehungsweise jeden Moment runter fallen würde. Schnell stellte ich mich neben die Liege und konnte gerade noch so verhindern, dass sie auf den Boden fiel. „Schatz, Schatz! Hörst du mich?", „Ich brauch dich Pau! Lass mich nicht alleine!", „Ich bin hier. Lilly, ich bin direkt neben dir." Sie hörte nicht zu und war komplett gefangen in ihrer Welt. Tränen strömten über ihr Gesicht und sie verdeckte es mit ihren Händen. Ich musste eingreifen. Sonst würde sie ohnmächtig werden.
„Lilly! Hey, Lilly! Hör mir zu!", wurde ich jetzt lauter und nahm ihre Hände aus ihrem Gesicht. Sie erschrak sich zwar heftig durch die abrupte Bewegung und meine laute Stimme. Doch ihre Atmung wurde zum Glück endlich ruhiger. „Du steigerst dich gerade in deine Angst rein. Das hilft dir nicht." Sie wurde immer ruhiger. Allerdings sank jetzt auch das Adrenalin und ihre Schmerzen und das Krankheitsgefühl kamen zurück. Sie lehnte ihren Kopf wieder an mich und hustete andauernd. Ich legte meine Hand an ihre Stirn; und erschrak etwas. Sie glühte wieder.
Ich schnappte mir das Thermometer, welches ich in weiser Voraussicht auf der Liege gelassen hatte. „Lilly, ich weiß du kannst nicht mehr, aber ich muss nochmal ganz kurz Fieber messen. Ich hab das Gefühl, dass es noch weiter gestiegen ist. Darf ich?" Ich vernahm ein schwaches Nicken. „Okay, bleib einfach so sitzen wie du gerade sitzt." Vorsichtig strich ich ihre Haare hinter das linke Ohr und gab ihr einen Kuss auf den Kopf. Anschließend packte ich einen neuen Einmalaufstecker auf das Thermometer und steckte es sachte in ihr linkes Ohr. Nach ein paar Sekunden des Beruhigens, piepte das Gerät und zeigte eine Temperatur von 40,2 an. Sche*ße. Das war viel zu hoch. Das schrie nach einer Planänderung. „Lilly, leg dich mal hin. Ich muss kurz an meinen Computer." Langsam glitt sie in die Horizontale. Ich vergewisserte mich, dass sie stabil lag und nicht sofort runter fallen würde. Anschließend ging ich zum Schreibtisch und machte den Computer an. Ich musste mir etwas einfallen lassen. Auf gar keinen Fall konnte ich Lilly oben lassen. Da war, bis auf Marilena, Niemand. Ich ging ins praxisinterne Programm und schaute nach den heutigen Terminen beziehungsweise Patienten. Hm, da waren durchaus Personen dabei, die den Spezialraum bestimmt benötigen würden. Also fiel der weg. Dann allerdings hatte ich eine andere Idee. Ich könnte in den Personalraum eine Matratze legen und ihr dort ein Schlaflager bauen. Ja, das war eine gute Idee. Also rief ich mein Festnetz an, um mit Leander zu reden.
Leander: Paulo? Was ist?
Paulo: Lilly hat über 40 Grad Fieber. Ich würde es vorziehen, dass sie hier unten bei uns ist. Deshalb würde ich ihr im Personalraum ein Schlaflager aufbauen und ich würde ihr auch gerne eine Infusion legen. Das wird mir alles etwas zu brenzlig.
Leander: Das klingt ja gar nicht gut. Aber ja, du hast Recht. Es wäre besser, wenn sie in unserer direkten Nähe ist. Marilena, nein du bleibst noch 15 Minuten hier. Nein, ich diskutiere nicht mit dir. Bitte. Danke. Deine Schwester ist heute anscheinend extra grantig drauf. Was machen wir eigentlich mit ihr?
Paulo: Ja, ich hab das Gefühl, dass sie sich etwas alleingelassen fühlt, weil ich mich um Lilly kümmern muss. Aber wir werden sie wohl oder übel alleine lassen müssen. Ich frag aber Mia und Luis ob sie ab und zu nach ihr schauen können und wir sollten auch ab und an mal hoch gehen. Aber eine Sache noch. Kannst du runter kommen? Ich brauch dich um Lilly den Zugang zu geben. Ach, und bringst du noch eine Flasche Wasser mit? Lilly hat noch nichts getrunken.
Leander: Natürlich. Okay, ich bin in 15 Minuten unten.
Paulo: Danke Leander. Bis gleich.
Damit legte ich auf und ging zurück zu Lilly, die mittlerweile eingeschlafen war. Schweißperlen liefen über ihr Gesicht, aber gleichzeitig schien sie auch etwas zu zittern. Ihre Nase lief und selbst im Schlaf hustete sie ständig. Sie war komplett erschöpft. Seufzend setzte ich mich neben sie und strich ihr beruhigend über den Rücken. Wenn ich Glück hatte, dann würde sie nicht aufwachen während wir ihr den Zugang legten. Es klopfte an der Tür und Leander kam rein. Er war bewaffnet mit der Wasserflasche und dem Infusionsbesteck.
„Shh. Sie schläft." Leise kam er zu uns geschlichen und setzte sich auf den Drehhocker. „Willst du es direkt hier machen?", fragte Leander. Ich nickte. „Ja, wenn sie währenddessen weiterschläft, dann ist es für uns wesentlich einfacher. Ich bringe sie danach in den Personalraum und wecke sie dann auf, damit sie nicht irgendwann alleine aufwacht und sich den Zugang rausreißt.", „Das klingt nach nem guten Plan."
Gesagt, getan. Wir legten Lilly schnell den Zugang und hängten ihr erstmal eine NaCl-Infusion an. Anschließend trug ich sie rüber, wo Leander glücklicherweise schon die Matratze mit ein paar Kissen und einer Decke bereitgelegt hatte. Ich legte sie vorsichtig ab und weckte sie sachte. „Amor, wach mal kurz auf.", sie öffnete langsam ihre Augen und schaute mich etwas vernebelt an. „Erschrick bitte nicht, aber wir mussten dir einen Zugang legen, damit du genug Flüssigkeit bekommst und die Medikamente schnell wirken. Die Infusion ist auch fast durch." In weiser Voraussicht hielt ich ihre Hand mit dem Zugang mit meinen fest umschlossen. Denn sofort versuchte sie diesen rauszuziehen. „Nein, Lilly. Der muss da erstmal drin bleiben. Das ist zu deiner eigenen Sicherheit. Ich geb dir gleich noch die Medikamente über den Zugang und dann lass ich dich erstmal in Ruhe, aber du bleibst bitte liegen. Wenn was sein sollte, dann ruf bitte. Wir schauen auch alle ab und zu nach dir. Die Wasserflasche trinkst du bitte bis Mittag aus. Dann kann ich dir heute Abend auch den Zugang wieder raus nehmen, vorausgesetzt dir geht es wieder besser.", erklärte ich ihr liebevoll.
Niedergeschlagen nickte sie und schloss wieder die Augen. Schnell gab ich ihr noch die Medikamente und schloss dann leise die Tür.
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Ich, Lilly und Mena
JugendliteraturDie „Ich und..." Reihe: 1. „Ich und meine 5/3 Brüder" 2. „Ich, Lilly und Mena" (dieser Teil) 3. „Ich und meine Gedanken" ---------- Ich bin Paulo Romero, der Bruder von Marilena Romero. Ja richtig, der Arztbruder. Mittlerweile habe ich eine Freundin...