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Es klopfte an Isis Tür.
Sie reagierte nicht. Es klopfte wieder.

»Isi, bu benim. Du hast Besuch.«

Wenn es Sascha ist, soll er gefälligst verschwinden.

»Isi, ich bin es. Mailin.«

Mailin? They kam unter der Decke hervor und guckte stirnrunzelnd zur Tür. »Kommt rein.« Umut öffnete die Tür. Er trug sein Halloweenkostüm. Er wollte sich dieses Jahr als Sensenmann verkleiden. »Was tust du hier?«, fragte Isi das Mädchen skeptisch. They kapierte nicht, warum sie hier war. Sie öffnete ihren Rucksack und holte einige Zettel hervor. »Ich soll dir die Hausaufgaben bringen. Und wenn ich schon mal hier bin, dachte ich, wir reden jetzt mal.« Isi seufzte genervt auf. »Mir geht's gut, okay?« Umut rollte mit den Augen. »Hör auf uns zu verarschen. Was ist passiert? Hat jemand in der Schule was gesagt?« »Irgendjemand sagt doch immer etwas!«, sagte Isi aufgebracht.
Umut setzte sich aufs Bett und guckte Isi abwartend an. »Sag mir was passiert ist.«, drängte Umut. Er versuche geduldig zu sein. »Bu seni ilgilendirmez!« »Es geht mich sehr wohl etwas an. Du hast mir nämlich meinen Tag mit Anne geklaut.«

Isi starrte auf ihre Hände. Umut guckte them abwartend an und Mailin hatte sich schweigend gegen die Wand gelehnt.

»Sascha und ich .. wir- wir haben uns geküsst.«, fing Isi bitter an. Er versuchte nicht daran zu denken und verbannte das Bild aus seinem Kopf, wie Sascha ihn bei der Feier geküsst hatte. »Ich hab gehört, wie er gesagt hat, dass er nicht auf mich steht. Dass ich nicht sein Typ bin und dass er bloß nett zu mir war, weil seine Mum ihn darum gebeten hatte.« Mailin runzelte die Stirn. Auch Umut sah völlig entgeistert aus. »Wie bitte? Das hat er gesagt?« Isi nickte stumm. »Bist du sicher, dass du das auch genau so verstanden hast?«, wollte Umut verdattert wissen.

»Ich komme grad nicht ganz mit«, meldete Mailin sich verwirrt zu Wort. »Sascha? Der ruhige Typ, ist das nicht dieser nette?« »Es gibt gar keine netten!«, rief Isi frustriert. »Ich wünschte, ich wäre nie auf diese Schule gegangen!« »Sag sowas nicht, Isi. Du magst die Schule, bunu biliyorum.« »Ich hasse sie, okay!? Ich hasse sie!«, weinte Isi verzweifelt. Heiße Tränen flossen über ihre Wangen.

Isi erhob sich von ihrem Bett und setzte sich auf seinen Stuhl. Er starrte deprimiert aus dem Fenster.

Mailin guckte Umut besorgt an. Sie räuspere sich. »Isi, du bist nicht die Einzige, die mal einen blöden Tag hat.«

Isi lachte bitter auf. »Einen "blöden Tag"?«, wiederholte er und guckte Mailin wütend an. »Halten dich die Leute für abstoßend, weil du dich anders kleidest? Vermeiden die Leute es, dich anzufassen? Und falls es ausversehen passiert, tun die bei dir dann so, als wären sie automatisch schwul geworden? Wurdest du jemals einmal dumm dafür angemacht, weil du einfach sein willst, wie du bist, weil du Geschlechterklischees unnötig findest? Hat irgendwer jemals zu dir gesagt, dass dein Make-Up zu hell oder deine Schuhe zu hoch sind? Wirst du dafür verurteilt, weil du nicht wie der Rest bist?
Läufst du Nachts auf der Straße rum, mit der Angst, dass dir was passiert? Deine Freunde schämen sich sicherlich nicht für dich, oder?«

Mailin sah Isi geschockt an. Sie schluckte schwer. Sie senkte kurz den Blick. »N-Nein«, stammelte sie perplex.

»Siehst du!?«, fing Isi verzweifelt und wütend an. »Sascha war alles was ich hatte! Er war der einzige in der Schule, der kein Problem damit hatte, dass ich anders bin. Er war da gewesen und hat mir das Gefühl gegeben, normal zu sein! Ich hab diesem Jungen mein Herz geschenkt und jetzt erzählt er seinen Freunden, dass er nichts für mich empfindet. Ich bin wieder genau am gleichen Punkt. Es fühlt sich so an, als hätte man mir den Boden unter den Füßen weggerissen! Ich bin wieder in diesem scheiß Teufelskreis. Ich wurde wieder alleine gelassen! Ich stehe wieder völlig alleine da, weil der Mensch, der für mich die ganze verdammmte Welt war, zu feige war mir die Wahrheit zu sagen, weil er mir die ganze Zeit nur etwas vorgespielt hat! Vergleich deine blöden Tage gefälligst nicht mit meinen!«

Und dann herrschte Totenstille.

Mailin starrte auf den Fußboden. Natürlich wusste sie nicht, wie sich so etwas anfühlte. Woher auch? Sie hatte noch mit niemandem über ihre Probleme und Sorgen gesprochen.

»Ist dir aufgefallen, dass Timur nicht mehr vorbeikommt?«, wollte Umut wissen. Isi sah ihren Bruder verwirrt. »Ja. Warum?« »Ich hab ihn am ersten Tag nach den Sommerferien wieder gesehen. Tja .. er kann mich jetzt nicht mehr leiden.« Isi legte seinen Kopf schief. »Wieso?« »Weil«, sagte Umut, und zuckte mit den Schultern, »Schule scheiße ist. Und Menschen sich ändern, auch wenn es wehtut. Wir können nichts dagegen machen. Wir müssen akzeptieren, was wir nicht ändern können, Isi.«

»Umut hat Recht.«, sagte Mailin. Die beiden sahen das Mädchen an. »Leute verändern sich. Das ist scheiße. Aber jetzt gerade seid ihr zwei beste Freunde. Anstatt dich hier in deinem Zimmer zu verstecken, solltest du dir dein Kostüm anziehen und mit Umut Süßes sammeln gehen.« Umut lächelte Mailin vorsichtig an. Dann sah Umut Isi wieder an. »Los, zieh dich um. Ich gebe dir auch etwas von meinen Süßigkeiten ab.« Kurz hielt Isi inne. Und dann lächelte sie vorsichtig.

Umut und Mailin verließen their Zimmer, damit Isi sich umziehen konnte. Als er fertig war, verließen sie die Wohnung mit zwei Stoffbeuteln und Schlüsseln.

Draußen war es kalt. Isi wuschelte ihrem Bruder sanft durch seine Haare. »Geh schon mal vor. Ich komme gleich nach.« Umut nickte verstehend, dann ging er los.

Isi zog sich ihre Maske ab und sah Mailin vorsichtig an. »Es tut mir Leid. Dass ich dich gerade so angemotzt habe.« Mailin lächelte mild und legte den Kopf schief. »Ich kann dich irgendwie verstehen.«, sagte sie simpel. »Ich glaube, dass ich asexuell bin. Und ich habe noch mit keinem darüber geredet, weil ich nicht weiß, ob es irgendjemand verstehen wird.« Jetzt fühlte sich Isi schlecht. »Mailin, es tut mir so-« »Hör auf dich zu entschuldigen.«, meinte sie. »Meine Probleme sind viel kleiner, als deine. Das kannst du nicht wirklich vergleichen.« Isi nickte nur.

Mailin lächelte them mild an. Sie guckte auf ihre Armbanduhr, dann sah sie Isi wieder an. »Ich wünsche euch ein schönes Halloween, Isi.« Dann setzte sich das Mädchen in Bewegung und winkte zum Abschied.

Und dann lief Isi schnell in die Richtung, in die Umut gegangen war.

They wollte heute Abend nicht an Sascha denken.

Heute waren Umut und er füreinander da und sie würden sich später mit Süßigkeiten vollstopfen, bis sie nicht mehr konnten.

Be yourself. || 𝑬𝒊𝒏𝒆 𝑫𝒓𝒖𝒄𝒌-𝑭𝒂𝒏𝑭𝒊𝒌𝒕𝒊𝒐𝒏Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt