7. "Ich tu dir nichts, siehst du"

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Etwas erholt sitze ich am nächsten Tag auf dem Bett und starre auf die Bettdecke. Mehr habe ich in den letzten Wochen auch nicht gemacht. Stets saß oder lag ich auf dem Bett oder auf dem Boden und habe einfach in die Luft gestarrt. Die Zeit verging dadurch manchmal rasend schnell, manchmal aber auch sehr langsam. Soweit ich das jedenfalls einschätzen konnte. Eine Uhr oder einen Blick zur Außenwelt besaß ich ja nicht. Ich wusste nicht wann Tag und wann Nacht ist. Ich wusste nur, dass ich nicht mehr Leben will bzw. wollte.

Es klopft an der Tür und ich gucke zögernd nach oben. Mein Mund ist wieder fest verschlossen, sowie immer, wenn jemand bei meinem Zimmer ist. Furcht stiegt in mir auf und zerfrisst mich innerlich. Kommt jetzt wieder Jemand der Dinge macht die ich nicht will? Aber nein, das kann nicht passieren! Louis hat mir gesagt, dass er aufpasst das nichts passiert.

Tief atme ich durch, bei dem Gedanken an Louis Aussage und schaffe es ein klägliches ‚Ja?' rauszubringen. Während die Tür aufgeht, halte ich meinen Atem angespannt an, aber als ich den Besucher sehe, entspanne ich mich leicht.

„Hallo Harry. Darf ich reinkommen?" fragt mich Niall, welcher heute keinen Kittel trägt, aber dafür seinen Block in der Hand hält. Lautlos nicke ich und sehe dabei zu, wie er die Tür schließt, und zu dem Tisch geht. Er nimmt sich einen Stuhl, stellt ihn mit etwas Abstand neben das Bett und setzt sich dann drauf. Den Block auf seinem Schoß platziert.

„Ich habe die ganze Nacht mit dem Labor geredet, dass sie sich erst um deine Werte kümmern sollen, und siehe da, hier sind sie" lächelt er und tippt auf den Block. Labor? Was haben die denn alles hier in ihrem... Stützpunkt?

„Nun, wie zu erwarten sind sie alle soweit in Ordnung. Nicht perfekt, aber in Ordnung. Du hast keine Spuren von Drogen in dir und auch keine Giftstoffe. Insgesamt sind die meisten Stoffe etwas niedrig. Man muss aber bedenken, dass du bevor du hier warst kaum was zu dir genommen haben kannst. Sowohl essen als auch trinken. Alle Werte wie Sauerstoff etc. sind aber sehr gut. Nur ein Bestandteil, den man entdeckt hat, macht mich sehr nachdenklich" erklärt er konzentriert und versucht wie Louis gestern alles so einfach wie möglich zu halten. Anders als die Ärzte in Krankenhäusern die nur Fachwörter benutzen. Neugierig und irgendwie auch ängstlich nicke ich. Was kann man schon im Blut haben, was zum Nachdenken anregt, aber nichts mit Drogen oder Gift zu tun hat?

„Ich erklär dir mal kurz was, damit du mich besser verstehst, okay?" fragt er und guckt zu mir. Er hat immer noch ein Lächeln im Gesicht. Dieses wird aber nun durch Neugier und Verständnislosigkeit geziert. Komisch...

„Du kennst ja bestimmt die Antibabypille der Frauen" fängt er an und guckt zu mir hoch. Verwirrt nicke ich und höre gespannt zu. „Diese bestehen zum Teil aus synthetisch hergestelltem Östrogen und Gestagen. Und dieses Zeug, trägst du in deinem Blut. Selbst wenn du aus mir unerklärlichen Gründen die Antibabypille nehmen würdest, würdest du nicht solche Mengen in deinem Blut haben. Kannst du mir vielleicht sagen, ob du die Pille genommen hast oder ob du irgendwelche Medikamente zu dir genommen hast? Oder vielleicht auch nehmen musstest?" fragt er mich und gucke zögernd zu mir hoch. Ich schüttle anfangs nur den Kopf, als mir die vielen Spritzen wieder in die Gedanken kommen. Niall will schon weiterreden, aber ich halte ihn auf.

„Ungefähr alle 4 Tage, kam jemand zu mir und hat mir was... gespritzt" erkläre ich und gucke traurig nach unten. Ich spüre Nialls Blick auf mir, traue mich aber nicht ihn zu erwidern. Was soll er auf von mir denken. Ständig weine ich. Ich bin ein Feigling.

„Du musst jetzt ganz ehrlich sein. Hast du eine Ahnung, wieso dir die Stoffe eines weiblichen Verhütungsmittels gespritzt wurden?" fragt Niall nach einer Weile ernst. Ich hebe meinen Blick und nicke leicht. Es ist wieder ruhig bei uns und ich überlege, ihm davon zu erzählen. Er muss es wissen oder? Es wäre das einzig richtige.

„Niall?" frage ich zögerlich, weshalb er aufguckt. Er hat auf seinen Block gestarrt und wahrscheinlich innerlich Vermutungen aufgestellt.

„Ich bin... Ich habe..." seufzend höre ich auf zu Reden und atme nochmal tief durch, bevor ich den Satz beende, „Ich habe eine Gebärmutter. Ich kriege meine Tage und kann höchstwahrscheinlich irgendwann auch... Babys austragen" erkläre ich peinlich berührt. Ich schniefe einmal leise und ziehe meine Knie wieder an die Brust. Ich verstecke mein Gesicht und weine leise vor mich hin. Viel zu sehr habe ich Angst ausgelacht zu werden.

„Aber das ist doch nicht schlimm. Harry hey-" will Niall mich beruhigen. Ich hebe meinen Blick und sehe wie er mir die Hand auf die Schulter legen will, weswegen ich panisch wegrutsche und noch mehr weine. Sofort zieht er die Hand weg und guckt mitleidig auf mich runter. Mein Körper schüttelt sich vor Schluchzern, meine Augen brennen und mein Schoß wird nass durch die Tränen.

„Nicht weinen. Harry alles ist gut. Ich bin es nur. Ich tu dir nichts, siehst du?" fragt Niall und hebt seine Hände demonstrativ nach oben. Er macht einen Schritt von mir weg und guckt mich einfühlsam an. Ganz langsam beruhige ich mich wieder, bis mein Weinen verstummt und ich mit roten Augen wieder zu Niall gucke.

„Komm, wir gehen zusammen eine Runde durchs Gebäude spazieren. Vielleicht beruhigt dich das ja. Du darfst mir auch gerne alle Fragen die du beantwortest haben willst stellen. Hauptsache du fängst an mir zu vertrauen. Denn ich helfe dir und will dir nichts Böses. Okay?" fragt er und guckt mich freundlich wie eh und je an. Leicht nicke ich und gucke wieder auf die Matratze. Zu sehr schäme ich mich nun für meinen Ausbruch.

Nach einer Weile taucht eine Hand in meinem Blickfeld auf. Erschrocken starre ich diese an und halte den Atem an. Nach einer Weile gucke ich hoch zu Niall, welcher lächelt. „Ich helfe dir hoch. Sie es als ersten Schritt zu deiner Besserung" sagt er und wackelt leicht mit der Hand. Wieder starre ich diese mit Tränen in den Augen an. Komm Harry, es ist nur Niall. Er wird dir nichts tun. Und wenn doch, dann hilft dir Louis. Louis... Was er wohl grade macht?

Zitternd ergreife ich die Hand und lasse mich hochziehen. Sobald ich stehe lässt Niall die Hand los und guckt mich stolz an. Stolz, wie lange habe ich solch einen Blick nicht mehr gesehen. Ein leichtes, ehrliches Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, was Niall noch glücklicher macht. Vielleicht schaffe ich es, irgendwann wieder normal zu sein und meine Angst zu bekämpfen. Vielleicht kann ich das hier irgendwann hinter mir lassen...

Hold On /// Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt