1 9 | f l i e h k r a f t

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r o b i n

IHR ZIMMER WAR ein vertrautes Chaos. Wäre Sophie nicht ein notorisch unordentlicher Mensch, würde man vielleicht meinen, man stünde in einem Magazin für hippe, minimalistische Einrichtungen. Ein tiefgelegtes Bett, über dem ein riesiger Rahmen mit einem Grafikprint hing, etwas Pampasgras in einer abstrakt geformten Vase, ein Juteteppich, der unter den Enden ihrer Bettwäsche hervorlugte. Und dann waren da noch all die Dinge, die diesen Raum zu Sophies machten – Ohrringe auf ihrem Nachttisch, ein aufgeschlagener Skizzenblock auf dem Boden neben dem Bett, mindestens drei Oberteile, die über der hölzernen Armlehne ihres Sessels hingen. Überall lehnten Leinwände an den Wänden, für die sie wohl keinen anderen Stauraum hatte. Es war wie ein Blick in Sophies Kopf, in ihren verwobenen Verstand, in all die Ecken, in die sie nur wenigen Personen Einblick gewährte.

Ich schlug die beige Leinenbettwäsche beiseite und ließ sie auf die Matratze sinken. Als ich mich wieder aufrichten wollte, glitt ihre Hand an meine Wange und ließ mich innehalten. Das Licht der Straßenlaternen, das durch ihr Fenster fiel gab mir die Möglichkeit, ihre Gesichtszüge zu beobachten, zuzusehen, wie ihre Augen über meine eigenen wanderten.

„Sophie", begann ich, doch sie schüttelte bereits den Kopf.

Ihr Daumen fuhr meinen Kiefer entlang, streifte meinen Mundwinkel und legte sich schließlich auf meine Unterlippe. „Ich will nicht darüber reden. Glaub mir, ich hatte den ganzen Abend, um darüber nachzudenken. Und darüber zu sprechen, ist das letzte, was ich gerade will."

Ich wollte protestieren, denn tief in mir wusste ich, dass ich es sollte. Dass ich sie dazu bringen sollte, mir zu sagen, wie sie sich fühlte. Ob sie diese Sache mit uns nun mit anderen Augen sah. Denn wenn ich ehrlich war, dann wusste ich auch, dass sie jemand besseren verdient hatte. Jemand, der bei ihr sein konnte. Jemand, dessen Anwesenheit nicht bedeutete, dass die Öffentlichkeit auf sie aufmerksam wurde. Jemand, der verhindern konnte, dass die Leute schlecht über sie redeten. Und ich wünschte, ich könnte so jemand sein. Jemand besseres. Wenn nicht für mich selbst, dann wenigstens für sie.

Dieser Gedanke ließ mich jede Entscheidung hinterfragen, die ich je getroffen hatte, seitdem ich sie das erste Mal gesehen hatte. Ob ich mich mit weniger hätte zufrieden geben sollen, wenn es bedeutete, dass ich mehr von ihr gehabt hätte. Ob ein einfacheres Leben eines gewesen wäre, in dem Sophie und ich uns nicht ständig voneinander entfernten, nur um uns wieder anzunähern, wie zwei Planeten, die der Fliehkraft unterlagen.

Wenn ich weniger selbstsüchtig gewesen wäre. Wenn ich bereit gewesen wäre, mehr zu opfern.

Sophie riss mich aus meinen Gedanken, indem sie mich zu sich herunterzog und ihre Lippen auf meine legte. Es war kein zurückhaltender, distanzierter Kuss, wie ich ihn nach einem Tag wie diesen vielleicht erwartet hätte. Er war rau, drängend und voll mit Emotionen. Sie hielt sich nicht weiter zurück, war nicht mehr so zögerlich wie in dieser Nacht in Hamburg, in der sie Angst gehabt hatte, etwas Falsches zu tun, zu sagen, zu denken. In der die Erinnerung an die Zeit, die wir getrennt verbracht hatten, sich wie eine dunkle Decke über uns gelegt und uns in Frustration getränkt hatte.

Ihre Finger wanderten unter mein Shirt und schoben es mit ungeduldigen Bewegungen über meinen Oberkörper. Ich löste mich von ihr, zog es mir über den Kopf und trat mir gleich die Schuhe von den Füßen. Sophie nutzte die Gelegenheit, um ihren Pullover abzustreifen. Mein Atem stockte, als ich entdeckte, dass sie nichts darunter trug. Leicht gebräunte Haut und Sommersprossen – meine Vorstellung von vollkommener Perfektion. Meine Finger wanderten automatisch zu meinem Jeansknopf, während ihre Finger unter den Bund ihrer Leggings glitten und den Stoff gleich mit ihrem Slip über ihre Beine schoben. Ich griff nach dem Material, das sich um ihre Knöchel verfing und warf es achtlos beiseite.

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