s o p h i e
ICH WAR EIN bescheidener Mensch. Vielleicht, weil ich nicht mit sonderlich viel aufgewachsen war und von meiner Mutter gelernt hatte, auch die kleinen Dinge zu schätzen. Aber in diesem Moment war meine Brust so voll mit Stolz, dass ich es am liebsten von allen Dächern Berlins geschrien hätte.
Die letzten Gäste standen an der Bar und bestellten sich noch ein Glas Champagner, bevor sie in der kühlen Nachtluft verschwinden und sich vermutlich ein Taxi nehmen würden, um dem pulsierenden Gefühl der Innenstadt nachzujagen, das es so nur in der Hauptstadt Deutschlands gab.
Das Adrenalin hielt mich wach, obwohl es bereits nach drei Uhr war und ich wusste, dass mein Körper rebellieren würde, wenn ich nicht bald in mein Hotelzimmer zurückkehren und mich in mein eigenes Bett sinken lassen würde. Die letzten Nächte war ich zu aufgeregt gewesen, um mehr als zwei Stunden am Stück Schlaf zu finden, obwohl ich mir immer wieder eingeredet hatte, dass alles gut laufen würde. Rückblickend hätte ich mir keine Sorgen machen müssen – nicht nur, weil Tallulah alles im Griff hatte, sondern auch, weil die Vernissage ein voller Erfolg geworden war.
Marie und Noah waren wie versprochen angereist und hatten zu den ersten Gästen gehört, die durch die Türen des Backsteingebäudes getreten waren, um einen Blick auf meine neusten Gemälde zu werfen. Die ehemalige Brauerei war in gedämpftes, warmes Licht gebadet worden und lenkte an jeder Ecke den Fokus auf ein anderes Bild. Und ganz nach seinem Versprechen hatte Noah auch nach knapp zehn Minuten Tallulah zu sich gerufen, um eine der Leinwände für Maries und seine neue Wohnung in München zu erwerben. Die Art und Weise, wie Tallulah kurz mit dem Schreiben innegehalten hatte, als sie über einen Preis zu sprechen schienen, hatte mir bereits gesagt, dass Noah Altenfeld ganz typisch für ihn viel zu viel Geld aus dem Fenster geworfen hatte. Nur dass es dieses Mal in meiner Tasche landen würde. Ich wollte mich beschweren, doch Marie hatte mich beiseite gezogen und mir einen ernsten Blick geschenkt. „Du verdienst dir das. Glaub mir, wir würden überall sonst auch so viel Geld für etwas ausgeben, das wir von ganzem Herzen lieben."
Der Gedanke, dass dieses Bild in ihren vier Wänden hängen und sie begrüßen würde, wenn sie von der Arbeit nach Hause kam, erinnerte mich so sehr an die drei Jahre, die wir zusammengewohnt hatten, dass ich nicht protestieren konnte. Zu wissen, dass sie etwas von mir haben würde, obwohl wir auf einmal so weit voneinander entfernt sein würden, verschaffte mir etwas Frieden. Auch wenn die gepackten Kisten, die unseren Flur Zuhause belagerten, mich mit so viel Trauer füllten, dass es mir fast schon davor graute, morgen wieder zurückzukehren. Die Konfrontation mit der Zukunft, die viel zu schnell vor der Tür gestanden hatte, hinterließ ein enges Gefühl in meiner Brust.
Die beiden waren vor etwa einer Stunde wieder in ihr Hotel zurückgekehrt, während ich in ein Gespräch nach dem anderen gezogen worden war. Sahin, der Künstler, dessen Ausstellung ich mir in München hatte ansehen dürfen, verwickelte mich etwa eine Dreiviertelstunde in ein Gespräch über Cézanne und Monet als Wegbereiter der Moderne, das mich so sehr begeisterte, dass ich ihm nicht nur eine Buchempfehlung mit auf den Weg gab, sondern gleich auch noch meine Handynummer. Nicht, weil ich mir erhoffte, er würde sie nicht nur benutzen, um sich mit mir über Kunst auszutauschen. Obwohl er mit seinen dunklen Locken und dem sonnengebräunten Hautton angenehm für die Augen war, spürte ich bis auf meine Begeisterung für einen geisteswissenschaftlichen Austausch rein gar nichts. Kein Funken, nicht einmal ein leises Knistern, das sich über die Zeit in mehr hätte verwandeln können.
Zu meiner Überraschung war ich jedoch nicht einmal enttäuscht. Ich hatte aufgegeben, mir einzureden, dass ich Robin Jungs Geist einfach aus meinem Leben verdrängen konnte, wenn seine eigentliche Präsenz tatsächlich nicht mehr hier war. Die Erinnerung an ihn verfolgte mich, heftete sich an jede Erfahrung, die ich ohne ihn machte.
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weltschmerz | ✓
Romance❝Du bist überall❞, antwortete sie schließlich. ❝Du bist in meinem Kopf, in meinem Herz, in meiner Seele. Und ich weiß nicht, wie ich es ertragen soll, dich nicht bei mir zu haben.❞ ✨ Sophie ist daran gewohnt, auf eigenen Beinen zu stehen. Und sie h...