2 5 | w e r t a n l a g e

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r o b i n

ES HERRSCHTE EINE angespannte Stimmung im Teambus. Es war die erste Fahrt, die ich seit fast zwei Wochen nicht damit verbrachte, alles um mich heraus mit viel zu lauter Musik auszublenden. Ich hatte meine eigene Reihe, doch statt der gewohnten Geräuschkulisse, die an Schulausflüge von Zehntklässlern erinnerte, lag nur unangenehmes Schweigen in der Luft.

Forster saß in einer der vorderen Reihen, die Kapuze über den Kopf gezogen. Ich hätte ihn gerne gefragt, was mit dem Team los war, doch Faber saß in der Reihe vor ihm und warf jedem einen strafenden Blick zu, der es auch nur wagte, sich beim Strecken etwas zu weit in den schmalen Gang zu lehnen.

Nach einer Dreiviertelstunde, in der ein leises Husten und das Knistern der Verpackung eines Proteinriegels das einzige war, das durch den Innenraum hallte, hielt ich es schließlich nicht mehr aus.

Ich drehte mich in meinem Sitz zu Schulte um, der den Platz hinter mir belegte. „Was zur Hölle ist los?"

Meine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, doch im stillen Bus wandten sich gleich mehrere Köpfe nach mir um. Schultes Blick wanderte über die anderen Busreihen, bevor er mich ansah.

„Was meinst du?"

Er wusste genau, was ich meinte.

Doch er zögerte. Als er mit einer Schulter zuckte, wusste ich, dass ich nicht die Wahrheit aus ihm herausbekommen würde.

„Wir hätten letzte Woche fast verloren", erwiderte er schließlich. Es klang wie eine Anschuldigung. Gut, denn ich hatte seine Wut verdient. Ich hatte den Zorn des gesamten Teams verdient, nachdem ich sie so hatte hängen lassen. „Wir wissen nicht, auf wen wir uns hier noch verlassen können."

Seine Augen huschten ein weiteres Mal über die Sitzreihen. Am liebsten hätte ich ihn geschüttelt, um die Worte aus ihm herauszubekommen, die ihm auf der Zunge lagen. Stattdessen setzte er sich seinen Kopfhörer wieder ein und sah aus dem Fenster.

Die gesamte restliche Fahrt über zermarterte ich mir das Gehirn darüber, warum unsere Dynamik mit einem Mal so gestört schien. Ich glaubte nicht, dass es daran lag, dass ich nach einer verdammt guten Saison endlich meinen Bruchpunkt erreicht hatte – ich war mir sicher, dass die anderen insgeheim bereits damit gerechnet hatten. Ich war in den letzten zwei Wochen abgelenkt gewesen, auch wenn ich wieder pünktlich zu all meinen Trainings erschienen war. Niclas Faber beobachtete mich, als wäre ich eine Handgranate, die jeden Moment hochgehen und den Pokal mit sich reißen würde. Ich konnte ihm sein Misstrauen nicht verübeln. In seinen Augen war ich der Newcomer, dem er eine Chance gegeben hatte und nun begann, diese Entscheidung zu bereuen. Jemand wie Forster war nicht für seine außergewöhnlich schnellen Pässe bekannt – aber für seine Beständigkeit.

Noch nie zuvor war der Sport in meinem Leben zu kurz gekommen. Ohne zu überlegen hatte er immer die höchste Priorität gehabt. In einem Moment der absoluten Schwäche hatte ich aus den Augen verloren, worauf ich die letzten dreiundzwanzig Jahre hingearbeitet hatte. Jetzt fragte ich mich, ob ich endlich einen Sinn für die richtige Perspektive bekam.

Als wir nacheinander in der Hotellobby eintrudelten, wollte ich nur mein Gepäck loswerden und im Kraftraum verschwinden. Ich wollte etwas von der Anspannung abschütteln, die sich tief in meinen Knochen eingenistet hatte.

Bei der Vergabe der Schlüsselkarten gab es jedoch eine Verzögerung, die schnell Aufmerksamkeit erregte. Ich drängte mich an den anderen Spielern vorbei, um zu hören, wo das Problem lag und warum wir noch nicht in unseren Zimmern eingecheckt waren.

„Ich teile mir kein Zimmer mit ihm", sagte Steiner, einer der anderen Neuzugänge, als der Assistenzcoach ihm eine der Schlüsselkarten übergeben wollte. „Auf keinen Fall. Ich will mit jemand anderem eingeteilt werden."

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