35

57 1 0
                                    

Denver

Langsam wache ich auf, versuche aber bei den Erinnerungen an gestern gleich wieder in der wohligen Wärme zu versinken. Murrend kuschle ich mich weiter in die Decke. Doch irgendetwas fehlt... 
Die klappernden Zähne neben mir lassen mich dann meine Augen schlagartig öffnen. Bucky! 
Eilig richte ich mich auf, schäle mich aus der heimeligen Decke und lege sie Bucky um die Schultern. Dieser sitzt zitternd neben mir, blickt mich jedoch überrascht an, als er die wärmende Decke um sich spürt. Ich lächle ihm unsicher zu. Warum zur Hölle deckt er mich zu, wenn er dadurch selber friert?
"Lass das", spricht eine Stimme hinter mir und ich drehe mich erschrocken um. Hugo sitzt an seinem Schreibtisch und sieht mich streng an. 
"Nimm sie ihm wieder weg", verlangt er bestimmt. Ich schlucke und sehe zu Bucky. Er zittert nun etwas weniger und schaut unentschlossen zu mir. Ich kann mir denken, was in seinem Kopf vorgeht. Einerseits will er, dass die Wärme bleibt und er nicht wieder frieren muss, andererseits will er nicht, dass ich Ärger bekomme, wenn ich sie ihm nicht wieder nehme. 
"Aber er hat kalt." Ich weiß wie albern das klingt und wie bewusst es Hugo auch ist. Dennoch kann ich ihn einfach nicht so frieren sehen. 
"Denver, er hat schon in deutlich kälteren Zeiten hinter sich", brummt Hugo genervt. Ich habe ihm inzwischen den Rücken zugewandt und sehe besorgt zu meinem Vater. Er erwidert meinen Blick. 
"Tu es, los!", verlangt er drängender und meine Lippe beginnt zu zittern. Ich stehe auf und mache einen Schritt auf Bucky zu, doch sogleich mache ich wieder einen Schritt zurück. Es scheint so banal zu sein, jemandem einfach eine Decke zu entreißen und ihn etwas frieren zu lassen, doch ich weiß, dass das nicht sein einziges Leid sein wird, heute. 
"Ich kann nicht!", verteidige ich mich zitternd. Hugo knallt seine Hände auf den Tisch und ich mache erschrocken einen weiteren Schritt nach hinten. Ängstlich kneife ich meine Augen zusammen und hoffe einen Ausweg zu finden. 
"Bitte Hugo, lass es einfach gut sein", bitte ich ihn leise. Hugo lacht auf und faucht: "Podchinyat'sya!" (Gehorche!) Mein Herzschlag beschleunigt sich und auch meine Atmung wird schneller. Mit aufgerissenen Augen sehe ich zu Bucky und bete ihn stumm um Verzeihung. Er nickt kaum merklich und ich atme etwas auf. 
"Denver", mahnt Hugo wütend. Ich schließe meine Augen und schüttle ängstlich den Kopf. Hugo seufzt und steht auf. Ich höre, wie er näher kommt und dann seine Hände auf meine Schultern legt. Augenblicklich verspanne ich mich und halte die Luft an. 
Hugo beugt sich zu mir herunter und flüstert mir "My khotim mira", (Wir wollen Frieden) ins Ohr. Augenblicklich spüre ich, wie sich etwas um meinen Körper schlingt und ich wieder die Kontrolle verliere. Noch ehe ich aufschreien kann, wird mein Körper steif und meine Mimik kälter. Ausdruckslos sehe ich nun zu Bucky, welcher mich mit aufgerissenen Augen anschaut. 
"Nimm ihm die Decke wieder weg", wiederholt Hugo den Befehl. Alles in mir sträubt sich dagegen, ihm zu gehorchen, doch wie eine Marionette befolge ich den Befehl, ohne etwas dagegen tun zu können. Grob entreiße ich ihm das Stück Stoff und er ist so auf mich fokussiert, dass er es einfach zulässt. Durch Blicke versuche ich mich bei ihm zu entschuldigen, doch es dringt nicht die kleinste Mimikveränderung an die Oberfläche. 
Schnell verschränkt Bucky seine Arme vor seinem Oberkörper und beginnt wieder stärker zu zittern. Erstaunlicherweise sieht er jedoch nicht wütend auf mich aus, auch wenn ich ihm das gerade antue. 
"Sehr gut", flüstert Hugo mir zu und nimmt seine Hände wieder von meinen Schultern. Ich bleibe weiter wie eingefroren stehen und starre weiterhin auf den frierenden Mann vor mir. 
"Setz dich neben die Tür und beobachte ihn", verlangt Hugo kühl. Automatisch setze ich mich in Bewegung und lasse mich neben der Tür auf den Boden fallen. Wie befohlen sehe ich dann zu Bucky und sehe ihm zu, wie er sich zitternd in die Ecke setzt. 

Eine ganze Weile tippt Hugo einfach etwas auf seinem Computer, während ich noch immer bewegungsunfähig neben der Tür sitze und meinen, inzwischen schlotternden, Vater beobachte. Immer wieder sieht er mitleidig zu mir, auch wenn er derjenige ist, der gerade friert. 
"Denver, herkommen", ruft Hugo mich zu sich. Meine Gelenke knacken, als ich mich endlich wieder bewege. Bei ihm angekommen überreicht er mir einen USB-Stick mit den Worten: "Bring das zu Kommandant Brown." Ich drehe mich wortlos um und verlasse Hugos Büro. 
Ohne zu zögern biege ich einige male ab, bis ich bei einem Besprechungszimmer ankomme. Ich klopfe kurz und warte, bis die Tür geöffnet wird. Der Soldat sieht mich fragend an. 
"Ich soll Kommandant Brown etwas bringen", erkläre ich mit monotoner Stimme. Der Soldat nickt und tritt beiseite. In dem Raum sehe ich mich kurz um, bis ich den Kommandanten finde. Er sieht mich abwartend an und ich strecke ihm den Stick entgegen. 
"Vielen dank." Er nimmt ihn entgegen und steckt ihn direkt ein. Er quittiert es mit einem Nicken und schickt mich mit einer Handbewegung wieder raus. Starr geradeaus blickend gehe ich zurück zu Hugos Büro. 

Black SmokeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt