Zuhause

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Das Gespräch mit Doktor L

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Das Gespräch mit Doktor L. Walsh dauert noch eine Weile. Er merkt schnell, dass ich mich sehr unwohl fühle, bleibt aber bei der Ansicht, ich sollte zur Therapie gehen. Ich reagiere die meiste Zeit nicht. Allein aus dem Grund, dass ich, wenn ich ihm antworten würde, ziemlich sicher anfangen würde zu schreien und zu heulen wie ein kleines Kind. Also lasse ich es und starre weiterhin den Boden an.

Auch wird mir mitgeteilt, dass ich Medikamente nehmen muss. Nicht lange nur für eine Woche und das regelmäßig, damit mein Körper wieder gesund werden kann. Außerdem soll ich keinen Sport treiben, weder längere Strecken laufen noch Rad fahren. Die nächsten Tage soll ich zuhause bleiben um Stress und negative Reize zu vermeiden.

Heute noch werde ich entlassen. Das ist eine gute Neuigkeit.

Dann geht der Arzt, nachdem er mir einen Zettel mit einem Datum, einer Uhrzeit, einem Namen und einer Adresse gegeben hat. Mit den Worten: "Überleg es dir mit der Therapie noch einmal. Ich habe dir einen Termin, bei einer der kompetentesten Therapeutinnen, die ich kenne, gemacht. Du musst aber nicht, wenn du nicht willst."

Ich schaue den Zettel eine Weile lang an ohne ihn zu lesen. Vielleicht starre ich auch durch ihn hindurch. Dann fange ich an meine Sachen zusammen zu packen. Und dann geht es nachhause.

Ich bin noch relativ wackelig auf den Beinen und das ärgert mich.

Der Weg ist anstrengend für mich aber irgendwie schaffe ich es. Als ich ankomme bin ich erschöpft und will mich einfach nur hinlegen. Aber mein Nachbar hält mich auf.

"Hey Mika. Wie geht es dir?", fragt er.

"Besser.", sage ich. "Und danke für alles."

Er wiegelt ab. "Hättest du was gesagt wäre ich dich abhole gekommen."

"Das ist nach allem, was Sie für mich gemacht haben nun wirklich nicht nötig.", sage ich und zwinge mich zu einem Lächeln.

Er lächelt zurück. "Wenn ich dir bei irgendwas helfen kann, sag einfach Bescheid."

Ich bedanke mich.

"Übrigens kannst du mich duzen."

Ich lächle ihn erneut an.

"Na gut, ich muss los. Viola aus der Kita abholen.", sagt Henry.

"Ja klar. Bis dann.", wir winken uns zu. Dann geht er.

Ich schließe meine Tür auf, werfe meine Sachen in eine Ecke und lasse mich auf mein Sofa fallen. Ich stöhne auf. Dann greife ich nach meinem Handy, dass ich in meine Jackentasche getan habe. Mir fällt auf, dass ich es seit gestern Nacht nicht mehr gecheckt habe.

Ich habe eine Menge Nachrichten von Kia:

"OMG MIKA. WAS IST PASSIERT?"

"Was sagst du mir das erst jetzt?"

"Wann kommst du wieder raus?"

"Können wir telefonieren?"

"Stirb mal BITTE nicht!!!"

Und noch einige in diese Richtung. Ich muss ein wenig lachen. Ich bin froh, dass Kia und ich befreundet sind.

Ich schreibe ihr zurück: "Bin Zuhause. Wenn du willst können wir telefonieren."

Mehr Nachrichten habe ich nicht. Ich schalte das Handy wieder aus und lehne mich zurück.

Aus meiner Hosentasche krame ich den Zettel und lese ihn zum ersten Mal. Der Termin ist in einer Woche. Ich schließe meine Augen.

Shit. Wieso auch musste er das sehen?

Ist schlecht zu übersehen. Was denkst du dir denn? Dass niemand jemals deine Narben sehen wird?

Das war eigentlich der Plan. Ich zerknülle den Zettel und schmeiße ihn gegen die Wand. Er prallt ab, landet auf dem Boden und kullert unter den Tisch. Ich seufze.

Ich werde nicht hingehen. Niemals. Ich werde keinem fremden meine Gefühle erklären. Nein. Ich gehe nicht hin. Ich bin ja nicht blöd.

Genau deshalb bist du ein wenig blöd... Stell dich nicht so an. Wieso versuchst du es nicht mal? Wenn es scheiße ist, dann erzähl einfach nichts. Und sag du willst keinen neuen Termin.

Das Klingeln meines Mobiltelefons reißt mich aus meinen eher schlecht als rechten Gedanken. Es ist Kia.

Ich gehe ran. Wir begrüßen uns und dann erzähle ich ihr alles. Naja fast alles. Das mit den Narben lasse ich aus. Sie hört mir geduldig zu, stellt ab und an Fragen. Ich kann mir fast vorstellen, wie sie das Handy zwischen Schulter und Ohr geklemmt auf ihrem Bett sitzt, ab und an nickt und dann die Seite wechselt.

Und dann frage ich sie. "Soll ich dahin gehen?"

"Wohin genau?", fragt sie verwirrt.

"Also zur Therapie?"

Sie schweigt eine Weile. "Ich weiß nicht. Wenn du dich dabei unwohl fühlst. Keine Ahnung. Der Arzt meinte es würde was bringen, richtig?"

"Mhm."

"Und wenn du es einfach mal ausprobierst? Vielleicht wird das dann besser mit deinen Panikattacken. Du musst ja kein zweites Mal gehen wenn du es mega beschissen fandest."

Sie hat Recht. Wie eigentlich immer. Wieso hat sie immer Recht?

"Ich weiß nicht Kia.", sage ich zögernd. "Irgendwie fühlt es sich falsch an."

"Wieso das?", fragt Kia

Weil ich mich sonst fühle wie meine Mutter. Zu schwach um selbst zu existieren. Zu verrückt um seine Probleme selbst in den Griff zu bekommen. Zu blöd einfach ein stink normaler Mensch zu sein.

Aber das kann ich Kia ja schlecht sagen. Also zucke ich bloß mit den Schultern.

"Ich hasse fremde Menschen Kia. Wie soll das was bringen wenn ich Angst vor fremden Leuten habe. Wie soll ich mich auch nur ein kleines bisschen öffnen, wenn mir das sogar zu viel ist um es nur zu denken. Oder mit dir darüber zu reden.", ich atme ein paar mal tief durch.

Kia sagt eine Weile nichts. Ich will grade das unangenehme Schweigen durchbrechen, als sie beginnt zu sprechen: "Wäre ich an deiner Stelle würde ich es wirklich einfach versuchen. Vielleicht hilft es ganz unerwartet was. Und wenn nicht dann kannst du dir sagen, dass du es wenigstens versucht hast."

"Ich überlege es mir.", sage ich schließlich, jedoch wenig überzeugt.

Dann fällt mir ein, dass ich ihr noch gar nichts über das Telefonat mit Nate erzählt habe. Und deshalb tue ich es jetzt.

"Wait a minute?", sagt Kia sichtlich überrascht. "Er hat mit seiner Freundin Schluss gemacht? UND er will sich mit der treffen?"

"Kia du interpretierst das falsch.", sage ich. "Er will sich mit mir treffen um mir das Ganze zu erklären. Und das, was zwischen uns steht, klären wir, damit wir wieder okey miteinander sind", sage ich.

Kia lacht. "Ne, ne mein lieber.", sagt sie. "Der will nicht nur, dass ihr okey miteinander seid. Der will alles was zwischen euch ist loswerden. Und wenn ich alles sage, dann meine ich alles."

Ich brauche gute 20 Sekunden bis ich verstehe, was sie meint. Und als ich es verstanden habe weiß ich nicht was ich sagen soll und werde rot.

Kia lacht. Ich runzle die Stirn und schüttle den Kopf aber merke, wie mein Herz anfängt schneller zu pochen. Aber es ist zu früh in ein einfaches Treffen zu viel hineinzuinterpretieren. Und das weiß ich.

"Ich suche dir ein Outfit raus, für das Treffen.", sagt Kia begeistert. Ich runzle die Stirn und schnaube. Es kommt mir so vor, als würde sie schon insgeheim meine und Nates Hochzeit planen.

"Nein Kia. Es ist nur ein Treffen. Nichts weiter. Ich werde meine normalen Klamotten anziehen."

"Aber es schadet doch auch nicht sich für ein 'normales Treffen' herauszuputzen."

"Vergiss es."


Diese verregneten TageWo Geschichten leben. Entdecke jetzt