Es wäre vielleicht eine Übertreibung zu sagen, dass ich meine letzten Tage als Hochpunkt meines Lebens bezeichnen würde, aber ich tue es dennoch. Nicht bloß wegen Nate, obwohl er einen sehr, sehr großen und sehr, sehr wichtigen Teil dazu beiträgt, sondern auch wegen Kia, Imara und mir selbst. Ich hatte in den letzten Tagen keine krassen Schlafstörungen oder Albträume. Ich hatte nicht den Drang mich zu verletzen und ich habe mich auch nicht selber in den Schlaf geweint. Ich hatte keine krassen Motivationslücken und Angst vor irgendwas. Ich fühle mich erleichtert und - ja, ich würde so weit gehen - glücklich. Und das macht mich noch glücklicher.
Heute ist Mittwoch und der Tag meines und Nates, zweiten, richtigem, ganz normalem Date. Dieses habe ich geplant. Es ist vielleicht nicht ganz so außergewöhnlich und gut durchdacht wie Nates, aber ich habe das Gefühl, dass es gut werden wird.
Nach der Schule warte ich zusammen mit Kia auf Nate. Mit seiner üblichen Freundesgruppe, also Lukas, Joe, Finn und Mason, verlässt er das Schulgebäude. Als er uns sieht vergrößert sich das Lächeln, das ohnehin schon seinen Mund ziert. Reflexartig lächle ich zurück. Mit knappen Handschlägen verabschiedet er sich von seinen Freunden und steuert auf uns zu. Ihm folgen die Blicke seiner Kumpel.
"Hey.", sagt Nate und fügt in einem kaum hörbarem Ton "Babe" hinzu. Wenn ich nicht wüsste, dass er mich so nicht auf ernst zu nehmende Basis nennt, würde ich ihm gewaltig eine klatschen. So lache ich aber nur kurz. Dann begrüßt er kurz Kia und flüstert ihr kurz etwas zu. Sie zieht erstaunt ihre Augenbrauen hoch.
"Was?", frage ich verwirrt. "Verschwört ihr euch grade gegen mich?" Beide zucken gleichzeitig die Schultern und schauen mich zuckersüß an. Ich rolle die Augen.
"So Mika, was ist dein Plan für heute?", wechselt Nate das Thema.
"Wenn ich es dir sagen würde, wäre es ja keine Überraschung mehr.", imitiere ich ihn von unserem ersten Date.
Er grinst mich an: "Du lernst schnell."
Wir wenden der Schule gerade den Rücken zu, als Kia abrupt stehen bleibt.
"Shit.", sagt sie. Nate und ich drehen uns zu ihr um. "Mein Portmonee ist weg.", sagt sie während sie hektisch ihre Tasche durchwühlt. "Ich muss nochmal zurück. Da ist alles drin."
Ich werfe Nate einen fragenden Seitenblick zu. Er scheint zu verstehen, denn er nickt leicht. Ich lächle ihn dankbar an.
"Ich warte dann hier.", sagt er. Ich hingegen schließe mich Kia an und wir betreten erneut das Schulgebäude. Wir klappern die Räume ab, in denen sie Unterricht hatte. Wir haben keinen Erfolg. Außerdem sind einige Räume auch abgeschlossen. Mit jeder Sekunde, die vergeht, tut mir Nate mehr leid. Und die rote Gerbera in meinem Rucksack. Heute Morgen habe ich sie mit nassem Papier umwickelt und in meine Tasche getan. In der Schule habe ich sie dann in meine Trinkflasche gestellt und im Klavierzimmer versteckt, damit sie nicht eingeht.
Seit der letzten Stunde befindet sie sich aber wieder in meinem Rucksack. Naja, hoffen wir einfach, dass sie überlebt. Ich weiß gar nicht, ob er sich darüber freut. Aber es spricht ja nichts dagegen es zu versuchen.
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Diese verregneten Tage
RomansMika ist 17 Jahre alt und erwartet von seinem Leben nicht besonders viel. Aufgrund von Geld- und anderen zahlreichen Problemen wechselt er erneut die Schule, doch Hoffnung auf Besserung hat er nicht. Wieso auch? Entgegen seiner Erwartung ändert sich...